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Formel-1-Boss Bernie Ecclestone:Nur der Profit zählt

Auch dieser Prozess dürfte Bernie Ecclestone nicht stürzen: Der Chef der Formel 1 ist bei den Teams zwar unangefochten, aber beileibe nicht unumstritten. Hinter vorgehaltener Hand trauen sie dem 83-Jährigen so ziemlich alles zu.

Von René Hofmann und Michael Neudecker

Das transportable Reich von Bernie Ecclestone ist klein und schwarz, vor der Tür liegt grüner Kunstrasen, umrandet von Blumentöpfen. Es wird bei einem Großteil der im diesjährigen Kalender der Formel 1 geplanten 19 Rennen aufgebaut, denn natürlich haben nicht nur die Teams ihre eigenen, bisweilen palastähnlichen Motorhomes im Fahrerlager einer jeden Rennstrecke, sondern auch der kleine, grauhaarige Mann aus Ipswich, England. Bernie Ecclestones Motorhome war früher ein Lkw mit Zelt, aber die Formel 1 ist längst ein Milliardengeschäft, zu dem glänzender Lack und verspiegeltes Glas besser passen. Zu verdanken hat sie das nicht zuletzt ihm, Bernie Ecclestone, 83.

Dass der Schmiergeldprozess gegen ihn nun kurz vor der Einstellung steht, überrascht in der Formel 1 niemanden. Offiziell kommentieren will den 100-Millionen-Deal zwar kein Team - nur Niki Lauda, Aufsichtsratschef des Mercedes-Teams, wagte ein klares Statement. Im ansonsten aber eher kommunikativen Fahrerlager war schon seit Prozessbeginn oft zu hören, was ein Daimler-Manager kürzlich im Gespräch mit der SZ so formulierte: "Gut, dass das jetzt geklärt wird."

Die Teams und die dahinterstehenden Konzerne beobachteten den Prozess von Beginn an genau, Ecclestone mag unangefochten sein als Chef und Vermarkter der Rennserie - unumstritten aber ist er nicht. Die zunehmend schwer vermittelbare Profitfokussierung des Geschäftsmannes sieht mancher in der Formel 1 durchaus kritisch; jedenfalls dann, wenn Ecclestone wie derzeit keinerlei Diskussionen über das geplante Rennen im Oktober in Sotschi zulässt, die politische Lage in Russland ignorierend.

Chef der Formel 1 aber wird Ecclestone dennoch bleiben, damit rechnen jedenfalls die allermeisten im Fahrerlager. Kaum jemand glaubte zuletzt daran, dass der Prozess den gewieften Manager tatsächlich zu Fall bringen könnte - Ecclestone ist einer, dem sie in der Formel 1 hinter vorgehaltener Hand so ziemlich alles zutrauen.

Spekulationen über die Ablösung Ecclestones gab es zwar immer wieder; etwa die Österreicherin Monisha Kaltenborn, Teamchefin des Schweizer Sauber-Rennstalls, oder auch der Brite Christian Horner, Chef von Sebastian Vettels Team Red Bull, waren bereits von Reportern zu ihrem möglichen Interesse befragt worden. Beide wiegelten ab, schließlich wissen beide, wie schwierig und unangenehm Ecclestones Posten ist.

Die Formel 1 ist eine Mischform aus Wirtschaft und Sport, sie ist nicht nur die Jagd von Rennfahrern nach Bestzeiten, sondern auch die Jagd von Großkonzernen nach Imagegewinn und Geld. Alle Interessen dieser Firmen so zu steuern und zu bündeln, dass die Rennserie funktioniert, ist eine Aufgabe, die offensichtlich einen gewissen Hang zum Tricksen erfordert.

Die Gegenfrage also, die im Fahrerlager der Formel 1 meist gestellt wird, wenn man wissen möchte, ob es nicht längst an der Zeit wäre, Ecclestones Herrschaft zu beenden, lautet: "Und dann?"

Zumal nicht von der Hand zu weisen ist, dass Ecclestones Geschäftssinn noch immer funktioniert, wogegen die meisten Teams wiederum wenig einzuwenden haben. Kürzlich wurde verkündet, dass die Formel 1 im kommenden Jahr nach 23 Jahren Pause nach Mexiko zurückkehrt, es sei ein Vertrag über fünf Jahre abgeschlossen worden.

Und 2016 soll die Formel 1 auch in Baku fahren, wie Aserbaidschans Sportminister neulich mitteilte. Geplant ist zudem weiterhin ein Rennen in New York.

Mag sein, dass manche Sportliga oder Rennserie in Schwierigkeiten geraten würde, wenn gegen ihren Chef ein Prozess wie jener gegen Ecclestone laufen würde - nicht aber die Formel 1. Es ist ja jetzt vorbei.

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Quelle:
SZ vom 02.08.2014
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