Formel 1: Betrug:Verdächtiger Totalschaden

Betrügereien haben in der Formel 1 eine lange Tradition. Jetzt ermittelt der Weltverband wieder. Der Verdacht: Inszenierte Renault-Chef Flavio Briatore für den Sieg einen Unfall?

René Hofmann

Formel-1-Vermarkter Bernie Ecclestone hat bestätigt, dass gegen das Renault-Team Ermittlungen laufen. Der Verdacht lautet: Der Rennstall könnte 2008 in Singapur Fernando Alonso mit einem Unfall seines Teamkollegen Nelson Piquet junior zum Sieg getrickst haben. Der Automobilweltverband Fia hatte am Sonntag bestätigt, dass es Untersuchungen gebe, die einen zurückliegenden WM-Lauf betreffen. Details nannte die Behörde nicht. Das tut nun Ecclestone. Er sagt: "Die Fia hat eine umfassende Untersuchung der Vorwürfe gegen Nelson gestartet. Ob sie stimmen oder nicht, weiß ich nicht. Aber wenn sie zutreffen, glaube ich, dass auch Nelson Schwierigkeiten bekommen wird. Wenn ich jemandem sage, ,überfalle eine Bank!', kann er sich hinterher ja auch nicht damit herausreden, dass Bernie es befohlen hat."

Formel 1: Betrug: Dubiose Verdachtsmomente verdichten sich um das Team von Pilot Fernando Alonso.

Dubiose Verdachtsmomente verdichten sich um das Team von Pilot Fernando Alonso.

(Foto: Foto: AFP)

Nelsinho Piquet, der Sohn des dreimaligen Weltmeisters Nelson Piquet, fuhr seit Beginn der Saison 2008 für das von Flavio Briatore geführte Renault-Team. Nach dem Titelgewinn 2005 und 2006 erlebte die Equipe im vergangenen Jahr eine Durststrecke. Erst im 15. Rennen glückte Alonso der erste Sieg - unter außergewöhnlichen Umständen. Der Spanier profitierte beim Nachtrennen in Singapur davon, dass er außergewöhnlich früh getankt hatte - und alle anderen Sieganwärter hinter dem Safety Car Zeit verloren, als sein Teamkollege Piquet in Runde 14 einen Unfall hatte, der mit einem Totalschaden endete.

Unfall nach Plan?

Gerüchte, der Crash könnte inszeniert gewesen sein, gab es schon damals. Für die These spricht, dass Alonso lediglich von Position 15 aus ins Rennen gegangen war und Piquet, der unverletzt blieb, an einer Stelle verunfallte, an der kein Kran stand, der eine schnelle Bergung erlaubt hätte. Dagegen spricht, dass nie entlarvende Funksprüche auftauchten. Wenn es ein Unfall nach Plan war, muss der Ablauf vorher besprochen gewesen sein.

Die Geschichte tauchte am Wochenende beim Belgien-Grand-Prix wieder auf. Ein Kommentator des brasilianischen Fernsehens erwähnte, es gebe neue Hinweise. Internetseiten griffen das Thema auf. Piquet junior ist Brasilianer. Vermutlich hat er die Gerüchte angeheizt. Vor einigen Wochen wurde er von Briatore unehrenhaft entlassen und durch den Franzosen Romain Grosjean ersetzt. Seitdem hat Piquet junior Briatore oft kritisiert.

Zorniger Kronzeuge

Er habe nie eine echte Chance bei Renault bekommen, klagt der 23-Jährige, der in zehn Rennen 2009 keinen Punkt sammelte, Briatore sei sein "Henker" gewesen. Piquet junior soll zudem sauer auf Briatore sein, weil dieser ihn trotz des Rauswurfs nicht aus seiner persönlichen Managementfirma entließ und so den Fortgang seiner Motorsport-Karriere blockiert. Rache könnte also ein Motiv für den Geheimnisverrat sein.

"Das ist nicht gut für den Sport. Die Menschen geben viel Geld aus, um auf die Formel 1 zu wetten. Sie werden das nicht mehr tun, wenn sie glauben, dass mit den Ergebnissen etwas nicht stimmt", fürchtet Ecclestone. Finden die Fia-Fahnder Hinweise, dass es am 28.September 2008 in Singapur nicht mit rechten Dingen zuging, ist es am Fia-Weltrat, über Sanktionen zu befinden. Diese können von einer Verwarnung bis zum WM-Ausschluss reichen.

Renault steht nicht zum ersten Mal am Pranger. Vor dem Europa-Grand-Prix erreichte das Team eine Begnadigung. Ursprünglich hätte es für das Rennen in Valencia gesperrt sein sollen, weil es beim Großen Preis von Ungarn Alonso mit einem losen Rad losgeschickt hatte, das sich wenig später löste und gefährlich über die Strecke sprang. Im Dezember 2007 war gegen das Team vor dem Fia-Weltrat wegen Industriespionage verhandelt worden. Obwohl es Belege gab, dass ein Ingenieur Daten von seinem vorherigen Arbeitgeber McLaren mitgebracht hatte, werteten die Regelhüter das als nicht sanktionswürdig.

Zusatztanks und Spionage

Briatore galt lange als Freund Ecclestones und als Günstling von dessen Freund Max Mosley. Seit er sich im jüngsten Machtkampf aber gegen den Fia-Chef stellte und Ambitionen erkennen ließ, selbst in Ecclestones Rolle schlüpfen zu wollen, könnte sich das geändert haben. In der Formel 1 geht es um viel Geld. Es wird mit harten Bandagen gekämpft - und mit allen Mitteln. Im Jahr 2005 wurden in den Autos des Zigarettenkonzerns BAR in Imola geheime Zusatztanks entdeckt.

Als Michael Schumacher noch unter Flavio Briatore bei Benetton fuhr, witterten die Rivalen wegen der außergewöhnlich guten Starts des Deutschen eine illegale Traktionskontrolle. Eine Fia-Untersuchung förderte tatsächlich verdächtige Dateien auf der Festplatte des Rennwagens zu Tage, weil das Team aber beteuerte, diese nie eingesetzt zu haben, blieb es ohne Konsequenzen. Im Jahr 2007 zahlte McLaren-Mercedes wegen Spionage bei Ferrari eine Strafe von 100 Millionen Dollar.

In der Rennserie gibt es scheinbar wenig, was unversucht bleibt. Auch das unerwartete Resultat des Großen Preises in Spa, wo am Sonntag das Team Force India erstmals aufs Siegertreppchen fuhr, sorgte umgehend für Verschwörungstheorien: Bei dem Rennen könnten die Einheitsreifen nicht wirklich einheitlich gewesen sein. Schummel-Versuche haben in der Szene eine lange Tradition. Von Bernie Ecclestone, der sich in den fünfziger Jahren selbst als Rennfahrer versuchte, gibt es die Geschichte, dass er in Monaco in der Qualifikation einst Stirling Moss in sein Auto setzte, um sich einen Startplatz zu sichern. Aber selbst der Könner war in dem unterlegenen Auto zu langsam.

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