Formel-1-Begeisterung in Hockenheim:Trendkurve nach unten

F1 Grand Prix of Germany - Qualifying

Sebastian Vettel und seine Fans: Große Begeisterung war einmal.

(Foto: Getty Images)

Zu teuer? Zu leise? Zu lieblos präsentiert? Das Rennen in Hockenheim zeigt, wie sehr das Formel-1-Interesse in Deutschland zurückgeht. Dagegen ließe sich etwas tun. Das Hauptproblem aber ist nicht zu lösen.

Ein Kommentar von René Hofmann

Das Schöne an Fernsehkameras: Sie sind schwenkbar. Das Spiel mit der Perspektive erlaubt es, vieles auszublenden. Am Freitag und Samstag ist diese Praxis wieder ausgiebig zu beobachten gewesen - am Hockenheimring. Beim Großen Preis von Deutschland, dem einzigen Formel-1-Rennen, das hierzulande noch stattfindet, blieben viele Tribünen leer, und auch wenn am Sonntag angeblich mehr als 50 000 Zuschauer kamen: Solche Massen wie bei den Rennen zuletzt in Silverstone/England, Spielberg/Österreich und Montreal/Kanada lockte die Show nicht. Sie lockte auch deutlich weniger, als es dort schon der Fall war.

Der letzte Höhepunkt der Motorsport-Begeisterung in dem Land, in dem das Automobil erfunden wurde, lässt sich in der Statistik einfach finden: 2001, als Michael Schumacher im Ferrari von Sieg zu Sieg und zu seinem vierten WM-Titel eilte, schauten im Schnitt mehr als zehn Millionen Menschen bei RTL jedes Rennen. Damals strömten so viele Menschen an den Hockenheimring, dass die Kläranlage der Gemeinde an ihre Grenzen stieß und die Rennstrecken-Betreiber beschlossen, ihre Tribünen mächtig aufzustocken. Die Betontürme stehen nun als weithin sichtbare Zeichen in der Landschaft - und als Beispiele dafür, dass der Sportmarkt jenseits des Fußballs in Deutschland erhebliche Akzeptanz-Probleme zu meistern hat.

Tennis, Skispringen, Formel 1 - eine Liste, in der die Trendkurve stets einen ähnlichen Verlauf nahm: Die ersten großen Sieger in jeder Disziplin wurden euphorisch beklatscht, sie wurden von den Fernsehsendern in den Schwitzkasten genommen und durch immer größere Manegen geschleift. Anschließend folgten: Rückgang, Ernüchterung, Verwunderung. Das Muster ist simpel. Aber simple Erklärungen sind oft am schwierigsten zu akzeptieren.

Im vergangenen Jahr sahen im Schnitt noch 5,28 Millionen Menschen jedes Rennen bei RTL. Die Tendenz 2014? Weiter fallend. Im Fahrerlager am Hockenheimring ist am Wochenende viel darüber gesprochen worden, woran der Rückgang des Interesses gerade in Deutschland liegen könnte. Mercedes, eine deutsche Marke, stellt den WM-Führenden: den Deutschen Nico Rosberg, der sich an der Spitze oft ein sehenswertes Duell mit seinem Teamkollegen, dem Briten Lewis Hamilton, liefert. Sebastian Vettel hat zu kämpfen, aber auch das ist interessant. Nico Hülkenberg und Adrian Sutil spielen spannende Außenseiterrollen. Anderswo ließen sich mit einer solchen Rollenverteilung mehrere Rennstrecken füllen.

Sicher, die Preise für die Eintritts- karten sind happig; für weniger als 100 Euro lässt sich kaum ein Fernblick ins Fahrerlager werfen. Ja, die Formel 1 ist nicht mehr so laut und damit für manch einen nicht mehr so faszinierend. Das Freizeitverhalten wandelt sich generell; niemand muss mehr nach Hockenheim reisen oder am Sonntag pünktlich um 14 Uhr den Fernseher einschalten, um mitzubekommen, was bei diesem Grand Prix passiert. Das Rahmenprogramm ist anderswo spektakulärer. Bei den Jugendlichen schwindet die Begeisterung fürs Automobil generell. Zudem haben die Formel-1-Granden mit ständigen Negativ-Schlagzeilen selbst dafür gesorgt, dass das Image gelitten hat.

Und trotz Hybrid-Technik: Die Formel 1 wird nicht als Avantgarde wahrgenommen, als Wegbereiter für gesamtgesellschaftlich wünschenswerte Veränderungen. Sie steht eher für das Gegenteil: für Verschwendung, Intransparenz, vielleicht sogar Bestechung. Das lässt sie rückständig wirken.

All dies aber gilt für jedes Land, in dem der Zirkus gastiert. Und das meiste ließe sich ändern. Was sich nicht ändern lässt: Es bleiben die Menschen, die faszinieren. Und ein Rosberg ist kein Vettel. Und schon der war kein Pilot des Volkes wie es Schumacher war.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: