Formel 1 in Barcelona:Ferrari muss dem Problem auf den Grund gehen

Formel 1 in Barcelona: Maschinenfehler: Ferrari-Pilot Charles Leclerc hat nach dem Ausfall in Barcelona die Gesamtführung verloren.

Maschinenfehler: Ferrari-Pilot Charles Leclerc hat nach dem Ausfall in Barcelona die Gesamtführung verloren.

(Foto: Gabriel Bouys/afp)

Nach dem frühen Ausfall von Charles Leclerc in Spanien wird nun das Triebwerk seines Rennwagens untersucht. Zwar musste der Monegasse die WM-Führung abgeben - die Scuderia sieht sich dennoch im Plan.

Von Anna Dreher, Barcelona

Nachdem Charles Leclerc aus seinem Cockpit geklettert war, ging er zuerst zu den Mechanikern. Einen nach dem anderen klatschte er aufmunternd ab. Dann überquerte er für weitere Handshakes die Boxengasse zum Kommandostand, wo Ingenieure und Teamchef Mattia Binotto den Großen Preis von Spanien verfolgten. Das Rennen war ja noch in vollem Gange, nicht einmal die Hälfte der 66 Runden hatte das Feld zu diesem Zeitpunkt absolviert.

Leclerc hatte sich zuvor einen komfortablen Vorsprung herausgefahren, es sah ganz danach aus, als sei er in der Hitze Barcelonas ungefährdet unterwegs zu einem Start-Ziel-Sieg. Aber es kam anders, sein Ferrari ließ ihn im Stich. Und wie Leclerc und die Scuderia mit der Situation umgingen, gewährte Einblicke in die Stimmung des Teams.

Leclerc drehte seine Kreise gerade mit mehr als zwölf Sekunden Abstand auf seinen ersten Verfolger Max Verstappen, als sein Auto in der 27. Runde auf einmal Power verlor. Der F1-75 wurde langsamer und langsamer , und auch wenn der Monegasse nicht wusste, was war ("Nein! Neiiiin! Nein, was ist passiert?", funkte er an die Box), war ihm vollkommen klar, was das bedeutete: Er musste den Wagen kurz darauf abstellen. Eine Antwort zur Ursache steht noch aus, am Montag sollte das Triebwerk in der Zentrale in Maranello auseinandergebaut und untersucht werden. "Das kam wie aus dem Nichts. Ich habe vorher überhaupt nichts gespürt", erzählte Leclerc. "So etwas ist immer enttäuschend, wenn du um die WM kämpfst, da ist jeder Punkt wertvoll."

Sein erster Ausfall in dieser Saison hat zur Folge, dass aus einem 19-Punkte-Vorsprung in der Gesamtwertung ein Rückstand von sechs Zählern geworden ist. Leclerc ist nun Zweiter hinter Rennsieger und Titelverteidiger Verstappen - erstmals in diesem Jahr.

Die Veränderungen am Ferrari bringen den gewünschten Effekt

Der Niederländer hat dreimal in Serie gewonnen, ist zuvor aber bereits zweimal ausgefallen. Mit Sergio Perez auf Platz zwei konnte sich Red Bull in Spanien gleich doppelt freuen. Auch in der Konstrukteurswertung liegen sie nun vorne. Das Pendel ist in Richtung der Weltmeister geschwungen. Doch es sind erst sechs von 22 Grand Prix gefahren, was einer der Gründe ist, warum Ferrari bei aller Enttäuschung auffällig ruhig blieb. "Es wird eine lange Saison", sagte Binotto, der Leclerc auch für seinen Umgang mit den Mechanikern lobte. "So etwas ist den anderen auch schon passiert. Heute waren wir dran. So läuft das Spiel nun mal. Wir müssen dem Problem jetzt auf den Grund gehen."

Formel 1 in Barcelona: Guter Start: Charles Leclerc lässt die Konkurrenz in Barcelona ungefährdet hinter sich.

Guter Start: Charles Leclerc lässt die Konkurrenz in Barcelona ungefährdet hinter sich.

(Foto: Lars Baron/Getty)

Grundsätzlich funktioniert das Modell von 2022 hervorragend, was sich erneut zeigte. Ferrari war mit einem umfassenden Upgrade-Paket angereist. Die Veränderungen am Auto erzielten den gewünschten Effekt. Leclerc dominierte die Trainingsläufe, in der Qualifikation geriet er durch einen Dreher unter Druck, blieb jedoch cool und absolvierte letztlich die schnellste Runde. Und wäre im Rennen nicht das Problem mit der Power Unit aufgetreten, hätte Leclerc auch einen vergnügten Sonntag erlebt. Nicht nur die Geschwindigkeit und die stimmige Weiterentwicklung des F1-75 stachen heraus, auch das verbesserte Reifenmanagement. "In solchen Situationen ist es gut, auch auf die positiven Dinge zu schauen", sagte Leclerc. "Ich fühle mich besser als nach den vergangenen beiden Wochenenden."

Vor zwei Wochen in Miami war der 24-Jährige hinter Verstappen Zweiter geworden. In Imola brachte Leclerc sich vor Zehntausenden Ferraristi mit einem Fahrfehler zehn Runden vor Schluss um Platz drei und wurde Sechster. Eine Schande, wie er nach zuvor zwei Siegen und einem zweiten Rang fand. Der Druck war groß. Die Erwartungen haben sich verändert, weil die Möglichkeiten andere sind. Die Scuderia weiß, wie viel Potenzial ihr Auto hat. Das Selbstbewusstsein ist wieder erstarkt, was sich auch darin zeigt, dass der grundsätzlich besonnen auftretende Binotto auch mal die ein oder andere Spitze in Richtung Red Bull los lässt.

Mit dem Auftaktsieg in Bahrain hat Leclerc Ferraris Durststrecke seit September 2019 beendet

2019, in seinem ersten Jahr bei dem Traditionsrennstall, verblüffte Leclerc mit seiner Fahrweise und selbstsicherem Auftreten. Die Saison beendete er als Vierter, vor dem viermaligen Weltmeister Sebastian Vettel. Das Team wurde Zweiter hinter Mercedes. 2020 hingegen war eine Katastrophe, mehr als Platz sechs nicht drin. 2021 stellte mit der neuen Fahrerpaarung Leclerc und Carlos Sainz Jr. - der sich gerade noch schwer tut - offenkundig ein Übergangsjahr dar. Angesichts 2022 greifender Reglementsänderungen lag der Fokus voll auf der Entwicklung des neuen Wagens.

Das Ergebnis überzeugte direkt: Leclerc gewann den Auftakt in Bahrain und beendete das lange Warten auf den ersten Sieg seit Vettel im September 2019. Letztmals Weltmeister in einem roten Boliden wurde 2007 Kimi Räikkönen. In Leclerc sehen die Italiener jenen Mann, der das Potenzial hat, diese lange Durststrecke zu beenden. Mensch und Maschine harmonieren so gut wie lange nicht mehr.

Nur bleibt nun für die Fehleranalyse wenig Zeit. Bereits diese Woche ist die Königsklasse zu Gast in Monte Carlo, wo Charles Leclerc aufgewachsen ist. Heimvorteil, könnte man meinen, jedoch: Noch nie kam er hier in einem Formel-1-Wagen ins Ziel. Zuletzt reihte sich vor einer Woche selbst der historische Grand Prix in die Negativserie ein. Leclerc lenkte den legendären Ferrari 312 B3, den Niki Lauda 1974 fuhr. In der Rascasse-Kurve verlor Leclerc die Kontrolle und schlug in die Leitplanke ein. Danach war es vor allem er, der aufgemuntert werden musste.

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