Sieben Kurven der Formel 1:"Ich war einfach nur dumm"

Charles Leclerc hadert, bei Sebastian Vettel passt etwas nicht zusammen - und der Chef der Silberpfeile ist Weltmeister im Tiefstapeln. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer, Baku

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Toto Wolff

F1 Grand Prix of Azerbaijan - Practice

Quelle: Getty Images

Der Herr über die Silberpfeile hat so seine Prinzipien: "Umso erfolgreicher Du bist, umso demütiger musst Du sein." Champion im Tiefstapeln ist Mercedes damit schon, mit einem Abstand, der noch größer sein dürfte als der am Kaspischen Meer auf Ferrari. Die Titelverteidiger haben den vierten Doppelerfolg in Serie geholt, das hat noch gar kein Team in 1001 Formel-1-Rennen geschafft. Wie gut für die Harmonie, dass die Siege halbe-halbe auf die beiden Fahrer verteilt sind. Mercedes verfährt bei der Stallorder so: Freie Fahrt auf den Geraden, und sich in den Kurven nicht in die Quere kommen. Die Mannschaft dahinter wehrt alle nominellen Vorteile von Ferrari mit einer Souveränität ab, die fast schon lässig scheint - aber das genaue Gegenteil davon ist. Die Siegerpfeil-Fraktion reagiert besser, taktiert klug und stellt sich perfekt auf die Gegebenheiten ein.

Das Pech der anderen hilft da schon mal, aber die große Effizienz liegt darin begründet, stur den eigenen Plan zu verfolgen, und sich nicht in unnötige Scharmützel verwickeln zu lassen. Die Ruhe im Team kommt noch dazu. Entspannt stellt sich Teamchef Wolff dem Vorwurf, schon wieder gewonnen zu haben: "Wir reden uns nicht absichtlich schlecht..."

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Valtteri Bottas

F1 Grand Prix of Azerbaijan

Quelle: Getty Images

Zum ersten Mal in dieser Saison hat tatsächlich ein Fahrer von der Pole-Position auch das Rennen gewonnen. Die Nummer Eins A bei Mercedes hat das in einem Stil getan, der an sein Winter-Hobby Hundeschlittenrennen erinnert. "Ich war ganz schön unter Druck, aber ich hatte alles unter Kontrolle", sagt der Finne, der damit endgültig das Vorurteil entkräftet hat, dass sein Auftakterfolg nur Zufall war. Mit 87:86 führt er jetzt in der WM-Tabelle wieder vor Hamilton.

Die Formel 1 hat einen neuen Mister Cool. "Das fühlt sich gut an", findet Bottas - und die ehrlichen Gratulationen von Vettel und Hamilton haben sich sicher noch besser angefühlt. Bottas gibt gern seinen Stolz zu. Dass Hamilton im Rad-an-Rad-Duell nach dem Start zurückgezogen hat, ist ein kleiner moralischer Erfolg. Ansonsten? "Ich musste nur darauf achten, keinen Fehler zu machen."

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Mick Schumacher

F2 Grand Prix of Azerbaijan - Practice/Qualifying

Quelle: Getty Images

Die Formel 2 bietet in Baku die bessere Action als die Formel 1, in jedem Fall das größere Chaos. Mick Schumacher hat sich nach einem Fahrfehler und dem Ausscheiden im ersten Rennen im zweiten Lauf am Sonntag vom aussichtslosen Startplatz 19 noch einen fünften Platz geholt, seine beste Platzierung in der zweiten Liga des Motorsports. "Wenn man betrachtet, von wo ich gestartet bin, war das ein positives Rennen", bilanzierte der Sohn des Rekordweltmeisters. Was er damit meint: "Wir hatten das Potenzial, um noch weiter nach vorn zu kommen." Diese Art Unzufriedenheit spricht für den Ehrgeiz des 20-Jährigen.

In drei von vier Formel-2-Läufen hat er Punkte geholt. In zwei Wochen, beim Europastart in Barcelona, wird auf Schumacher wieder eine publikumswirksame Doppelbelastung zukommen: nach den zwei Rennen in der Nachwuchsklasse, ist er wieder für einen Test im aktuellen Formel-1-Auto von Ferrari vorgesehen.

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Charles Leclerc

F1 Grand Prix of Azerbaijan - Qualifying

Quelle: Getty Images

Er war der Favorit für die Pole-Position, und von da wäre es ein kurzer Weg für den angepeilten ersten Sieg des Monegassen gewesen. Doch im zweiten Qualifikationsabschnitt unterlief der Ferrari-Hoffnung ein Fehler, das Auto zerbröselte mit Tempo 100 an den Barrieren der Engstelle in viele seiner insgesamt 11.000 Teile. Bemerkenswert die Reaktion des 21 Jahre alten Piloten, nachdem er sich so fatal verbremst hatte. "Ich war einfach nur dumm. Ich verdiene, was ich mir eingebrockt habe, und das macht mich traurig. Ich habe die Pole-Position in den Müll geworfen."

Immerhin reichte seine erste Zeit noch für den achten Startplatz, von dem aus er mit einer anderen Reifenstrategie zwischenzeitlich sogar zum Spitzenreiter wurde. Am Ende blieb ihm nur Rang fünf, aber auch die Genugtuung, sich kurz vor Schluss zum zweiten Mal in dieser Saison noch den Zusatzpunkt für die schnellste Rennrunde gesichert zu haben. Das war natürlich nur Schadensbegrenzung. Hamilton spendete Trost: "Ich kann mit Charles mitfühlen. Ein eigener Fehler ist das schlimmste. Da bist du dein schärfster Kritiker."

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Niko Hülkenberg

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Quelle: AFP

In der verpatzten Qualifikation waren es noch die zu niedrigen (Reifen)Temperaturen, die den desolaten 18. Platz des Renault-Werkspiloten erklären konnten. Kein Grip, das kann ja schon mal passieren. Aber im Rennen, als es deutlich wärmer war, wurde es auch nicht viel besser. Von Platz 15 gestartet, am Ende einen Rang gewonnen. So haben es sich weder der Emmericher noch das Renault-Team den Start ins Rennjahr vorgestellt. "Ich habe echt hart gekämpft, aber ich hatte nichts, was mich weitergebracht hätte. Ich konnte einfach nicht das Maximum aus meinem Auto holen", klagte Hulk, "wir haben jetzt eine Menge zu analysieren, wie wir nach vorn kommen können." Seine eher vage Hoffnung: "Vielleicht war es auch nur eines jener mysteriösen Wochenenden, wie sie manchmal eben vorkommen."

Aber bitter, das muss Hülkenberg dann doch zugeben, sei es schon, wie es gerade läuft. Rückschritt statt Fortschritt. Und seinem Kollegen Daniel Ricciardo ergeht es noch schlechter. Der Australier scheidet nach 31 Runden aus, weil er erst Daniel Kvjat von der Strecke räumt und dann nochmal mit ihm in der Auslaufzone (!) kollidiert.

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Sebastian Vettel

F1 Grand Prix of Azerbaijan

Quelle: Getty Images

"Eine Menge Arbeit vor uns." - "Leistung maximieren." - "Einstellung stimmt." Das, was Sebastian Vettel nach seinem dritten Platz in Folge zu Protokoll gibt, klingt ganz anders als das, was er noch vor dem Großen Preis von Aserbaidschan als Kampfansage formuliert hatte. "Ich habe weiterhin den absoluten Glauben daran, Weltmeister zu werden." - "Wir haben ein sehr gutes Paket, und wenn wir es auf die Straße bringen, werden wir allen anderen das Leben sehr schwer machen." - "Wir waren die ersten drei Rennen nicht erfolgreich, das wollen wir die letzten 18 sein." ­

Nicht nur im Gegenschnitt passt das etwas nicht zusammen, generell unterscheiden sich Anspruch und Wirklichkeit bei der Scuderia erheblich: "Wir geben schon so viel Gas, wie wir können. Unser Auto ist jetzt auch nicht gerade langsam. Aber Mercedes ist leider richtig schnell." Vielleicht sind es tatsächlich nur Kleinigkeiten, so wie diesmal die schlechte Reifennutzung an seiner "Lina", aber sie summieren sich, auch wenn Vettel diesmal deutlich mehr Spaß beim Fahren hatte als zuletzt. Der Heppenheimer wählt ein plastisches Beispiel für die Situation von Ferrari: "Es ist wie bei einem Zauberwürfel - alles muss in die richtige Reihenfolge gebracht werden."

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Baku

F1 Grand Prix of Azerbaijan

Quelle: Getty Images

Ilcham Alijew, der Staatspräsident von Aserbaidschan, hat die F1 zum vierten Mal in sein Land geholt, um den Glamour zu haben und der Welt zu zeigen, wie fortschrittlich eine Autokratie sein kann. Er begrüßte Bernie Ecclestone, übergab persönlich die Pokale und ließ ein Feuerwerk auf dem Podest zünden. Blamiert hatten sich die Veranstalter allerdings beim Auftakt, als der Williams-Pilot George Russell über einen Kanaldeckel raste, der nicht verschweißt war, und deshalb vom Auto angesaugt werden konnte und den Unterboden des Boliden durchschlug. Eine lebensgefährliche Panne. Nach zwölf Minuten wurde das Training abgebrochen und nicht mehr neu gestartet.

Das Chaos ging weiter, als der Kran des Abschleppwagens an einer Fußgängerbrücke hängenblieb. Auch das fahrerische Nadelöhr der improvisierten Piste durch die Altstadt und an der Promenade entlang sorgte für mehr Ärger als Freude. Zweimal musste die Qualifikation gecancelt werden, nachdem Robert Kubica und Leclerc in die Barrieren gerast waren. Die Schrottbilder wollen nicht so recht zu den glänzenden Absichten der Regierung passen. Immerhin: diesmal musste das Safety Car im Rennen nicht ausrücken.

© SZ.de/jbe
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