Am Tag der schwächelnden WM-Duellanten hat Charles Leclerc wieder einmal in einer Formel-1-Qualifikation auf den engen Straßen von Baku geglänzt. Zum vierten Mal nacheinander holte sich der Monegasse im Ferrari die Pole Position für den Großen Preis von Aserbaidschan. Knapp zwei Wochen nach seinem Triumph beim Heimrennen in Monza sind die Hoffnungen auf den nächsten Sieg groß, denn hinter dem Zweitplatzierten Oscar Piastri im McLaren reiht sich Carlos Sainz im zweiten Ferrari ein. „Das ist fast das Beste, worauf wir hoffen konnten. Eins und drei – da möchte man stehen als Team, da haben wir gute Chancen auf den Sieg“, sagte Leclerc auch mit Blick auf die schmutzigere Fahrbahn-Seite mit den gerade Startnummern. Für den 26-Jährigen ist es die 26. Pole seiner Karriere.
Auf Piastri, der in dieser Woche zum WM-Gehilfen von Teamkollege Lando Norris ausgerufen worden war, hatte Leclerc einen Vorsprung von mehr als drei Zehntelsekunden. Dass Norris da schon lange aus seinem Wagen ausgestiegen war, sorgte auch bei Red Bull für leichtes Aufatmen. Der Brite kam nicht über Platz 17 hinaus. „Es ist für die WM etwas beruhigend“, befand Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko bei Sky. Dessen Fahrer Max Verstappen schaffte es nach einem seiner seltenen Fehler nur auf Rang sechs, zwei Ränge sogar hinter seinem bisher immer mehr oder weniger deutlich geschlagenen Teamkollegen Sergio Pérez. „Das Positive: Wir haben Speed gefunden“, betonte Marko.
Ob sich das im Rennen auszahlt, wird sich zeigen. 62 Punkte Vorsprung hat der dreimalige Weltmeister auf Norris. Im Teamklassement liegt Red Bull aber nur noch acht Zähler vor McLaren. Angesichts des Risikofaktors in Aserbaidschan könnte das Feld noch mal ordentlich durcheinander gewirbelt werden. Von Position 14 wird Nico Hülkenberg, einziger deutscher Stammpilot, im Haas starten. Mehr als achtbar in seiner zweiten Formel-1-Qualifikation schlug sich der Argentinier Franco Colapinto als Neunter im Williams.
Die Veränderungen, die Red Bull am RB20 seit Monza vorgenommen hatte, scheinen vor allem Pérez gutzutun – auch wenn er ohnehin als Baku-Experte gilt: Ein Drittel seiner sechs bisherigen Grand-Prix-Erfolge gelangen ihm in Aserbaidschan, zuletzt vor einem Jahr. Dass ihm der Kurs liegt, bestätigte Pérez einmal mehr. Doch war das nicht die einzige Überraschung der Teamduelle mit WM-Faktor. Denn dort, wo Piastri sich einreihte, hätten die McLaren-Bosse sicher eher Norris gesehen. Doch bei Norris klappte es schon die ganze Zeit über nicht so richtig in Baku.
Er rappelte über Randsteine, krachte beinahe in die Streckenmauer. Letztlich wurde ihm nach eigener Aussage zum Verhängnis, dass bei seinem finalen Versuch im letzten Sektor gelbe Flaggen geschwenkt wurden: „Ich habe einfach auf die zweite Runde gesetzt und ich konnte nicht fahren. Ich musste vom Gas gehen.“ Klar ist, dass auf dem Kurs Überholen möglich ist. Von den bisherigen sechs Auflagen wurden alle aber von Piloten gewonnen, die mindestens in den Top Ten in der Startaufstellung gestanden hatten. Viermal kam der Sieger aus den ersten beiden Startreihen. Dort steht aber diesmal kein Verstappen und auch kein Norris.