Formel 1:"Ich bin zurück im Kampf"

Formel 1: Sergio Perez (li.) jubelt, Red-Bull-Kollege Max Verstappen applaudiert höflich, dabei können sich die beiden nicht wirklich gut leiden.

Sergio Perez (li.) jubelt, Red-Bull-Kollege Max Verstappen applaudiert höflich, dabei können sich die beiden nicht wirklich gut leiden.

(Foto: Maxim Shemetov/Reuters)

Sergio Perez gewinnt in Baku - und setzt Red-Bull-Kollegen Max Verstappen in der Gesamtwertung unter Druck. Für den Weltmeister bleibt nur eine bittersüße Erkenntnis.

Von Elmar Brümmer

Zwei Siege innerhalb von 24 Stunden, das neue Formel-1-Wochenendformat macht es möglich - und den Mexikaner Sergio Perez zum Triumphator beim Großen Preis von Aserbaidschan. Nach dem Sieg im Sprint überholt er im Hauptrennen am Sonntag seinen Teamkollegen Max Verstappen erst und distanziert ihn dann. Beide Red-Bull-Piloten haben nun je zwei Siege in dieser Saison, aber der Vorsprung des Weltmeisters Verstappen in der Gesamtwertung auf seinen Adjutanten beträgt nur noch sechs Zähler. Der von der Pole-Position gestartete Ferrari-Pilot Charles Leclerc liegt als Dritter am Ende mehr als 23 Sekunden hinter dem Sieger zurück. Das zeigt die verschiedenen Welten im Formel-1-Universum.

Das duale System von Red Bull Racing ist ein ebenso erfolgreiches wie fragiles, der Egomane Verstappen und sein Kollege Perez können sich nicht wirklich gut leiden. "Ich bin zurück im Kampf", jubelt der Mexikaner bei der Zieldurchfahrt, er ist der erste Formel-1-Pilot überhaupt, der zum zweiten Mal in Baku siegen konnte. Seine Taktik kann er über die 51 Runden am Kaspischen Meer hinaus auf die nahe Zukunft ausdehnen: "Max hat maximalen Druck gemacht, aber ich habe Stand gehalten." Der Weltmeister wurde über Boxenfunk von Teamchef Christian Horner getröstet: "Sergio hat Glück gehabt bei der Safety-Car-Phase. Aber die Saison ist noch lang, Max."

Horner weiß, dass Dauer-Sieger Verstappen so ziemlich der schlechteste Verlierer im ganzen Feld ist. Dafür gab dieser sich später beinahe gelassen: "Da war ein bisschen Pech im Spiel. Du kannst nicht jedes Mal perfekt sein, aber immer etwas lernen." Eine bittersüße Erkenntnis.

Nach drei Runden an der Spitze des Feldes wurde der Blick von Charles Leclerc in den Außenspiegel zum ersten Mal richtig hektisch. Der Ferrari-Pilot sah das Unheil in Form eines immer größer werdenden gelb-blau-roten Pünktchens kommen. Kaum durfte der Verfolger Max Verstappen seinen Flügel aufmachen und das DRS-Überholsystem nutzen, war der Niederländer auch schon vorbeigeflogen. In Runde vier war damit die zu erwartende Rangfolge wieder hergestellt, Leclercs Pole-Position, die erste eines Nicht-Red-Bull-Piloten in dieser Saison, damit nur noch Statistik. Der Monegasse hatte das schon geahnt: "Uns fehlt im Rennen immer noch etwas Tempo."

In der Qualifikation war es Ferrari ob einer besseren Reifennutzung gelungen, das überlegene Team aus Milton Keynes zu überrumpeln. Doch auf die Distanz nutzte die neue Abstimmung den italienischen Rennwagens nicht mehr so viel, nach sechs Runden fuhr auch Sergio Perez an Leclerc vorbei.

Alte Verhältnisse, neue Fragen. Werden Max Verstappen und Sergio Perez tatsächlich frei gegeneinander fahren dürfen, so wie es Teamchef Christian Horner behauptet hatte? Die einzige Einschränkung, die der Brite für das interne Duell um die Spitze machte: "Sie müssen sich gegenseitig respektieren. Denn es ist wichtig, dass wir als Team auf dieser brutalen Strecke maximale Punkte holen."

2018 hatten sich die beiden an gleicher Stelle noch gegenseitig aus dem Rennen gehauen. Diese Art Konfliktmanagement wird in dieser Saison noch häufiger gefragt sein. Die Straßen von Baku mit ihrem Stop-and-Go und den ultralangen Geraden sind ein guter Gradmesser dafür, dass Adrian Neweys meisterliche Konstruktion namens RB 19 auch nach vier Wochen Pause nichts von ihrer Überlegenheit verloren hat.

Sergio Perez, beflügelt von seinem Erfolg im 100-Kilometer-Sprint am Samstag, witterte einmal mehr Morgenluft. Er sah, wie der vor ihm liegende Verstappen zunehmend ins Rutschen geriet, und setzte zum Angriff an. Ähnlich wie Lewis Hamilton, dessen Pneus ebenfalls früh zu körnen begonnen hatten, holte sich der Spitzenreiter frische Gummis. Gerade als sein Landsmann Nyck de Vries seinen Alpha Tauri in die Banden setzte und das Safety-Car ausrückte. Was für ein Pech für Verstappen. Plötzlich konnten alle anderen Fahrer wechseln, und das mit weniger Zeitverlust. Verstappen rutschte auf Rang drei zurück, Hamilton sogar auf den zehnten Platz. Allerdings lagen jetzt alle wieder knapp hintereinander.

Dritter hinter Perez und Leclerc, das war Verstappen auch im kleinen Grand Prix gewesen, der am Samstag erstmals auch eine eigene Mini-Qualifikation bekommen hatte. Pausenlose Action, nach nur einer Stunde Training am Freitagmorgen. Der Titelverteidiger war zweimal hart mit Mercedes-Pilot George Russell aneinandergeraten, erst auf der schmalen Piste, dann noch deutlicher verbal, unter Einbeziehung der Vokabel "Schwachkopf".

Auch über das Geplänkel hinaus war das neue Format für die allgemeine Unterhaltung sicher ein Gewinn, aber diese Art Zufall mag der Champion gar nicht: "Das ist kein Racing, das ist Zocken wie im Casino." Künstliche Spannung, so was mag er als Vollblut-Rennfahrer gar nicht. Immerhin erfreulich, dass alle Piloten am Sonntagmittag auf Anhieb die Startpositionen fanden, die sie 45 Stunden zuvor herausgefahren hatten.

Red Bull belauert sich gegenseitig - in einer eigenen Klasse

Neustart im 14. Umlauf, und sofort kam der Angriff. Verstappen hatte die bessere Traktion, legte sich den rutschenden Leclerc zurecht und zog gleich vorbei. Auch der zweite Ferrari von Carlos Sainz jr. hatte offenbar ein Problem, die Pneus auf Temperatur zu bringen, wurde von Fernando Alonso kassiert. Der Spanier stand in den ersten drei Rennen dreimal auf dem dritten Platz, die Serie fortzusetzen, spornte ihn an, aber Leclerc konterte ihn am Ende locker aus. Der Kampf mit den diversen Widrigkeiten der Technik machte aus einem zwar schnellen, aber dennoch irgendwie lahmen Grand Prix dann doch ein munteres Treiben, geprägt von Hoffen und Bangen quer durchs Feld. Die meisten Zweikämpfe waren geprägt durch die Temperaturmethode bei den Reifen.

Das Red-Bull-Duo setzte sich schnell ab, belauerte sich nun gegenseitig in einer Klasse für sich. Zur Halbzeit waren es schon mehr als zwölf Sekunden, die Leclerc hinter den beiden zurücklag. Der Weg war noch lange, die Straßen von Baku, auf denen nach einer Vertragsverlängerung bis mindestens 2026 gefahren werden wird, sind immer für spontane Dramen gut. Gerade, wenn sich alle eingerichtet haben. Nico Hülkenberg, der nach einer völlig verpatzten Fahrzeugabstimmung seines Haas-Rennstalls mit einem neuen Set-Up aus der Boxengasse gestartet war, touchierte in der 27. Runde die Banden, aber ohne böse Auswirkung. Der Emmericher konnte sich lange auf dem zehnten Rang halten, kurz vor Schluss musste er aber seinen Pflicht-Boxenstopp in der vorletzten Runde absolvieren und rutschte auf den 17. Platz zurück.

Wie groß der Druck sein kann, auch wenn man sich in einer eigenen Umlaufbahn befindet, zeigte sich in der 35. Runde. Die Rundenzeit von Perez war einen Tick schlechter gewesen als im Umlauf davor, der Ingenieur fragte nach, was da passiert sei, und Perez gab kleinlaut zu: "Ich habe beim Einlenken die Mauer berührt." Offenbar nicht besonders stark, aber es war ein Weckruf auf dem Weg zu seinem zweiten Saisonsieg. Auch Verfolger Verstappen, der schon deutlich zurückgesteckt hatte, schrammte noch einmal haarscharf an der Barriere vorbei. Mangels weiterer Zwischenfälle ging der vierte WM-Lauf als der bislang unauffälligste in dieser Saison vorbei. Immerhin, für die Spannung der Saison ist es doch ganz gut gelaufen.

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