Süddeutsche Zeitung

Formel-1-Auftakt in Bahrain:Zwei völlig verschiedene Rennen, die nur am selben Ort stattfinden

Mick Schumacher erreicht in seinem ersten Formel-1-Rennen als Letzter das Ziel, Sebastian Vettel verbremst sich und wird für einen Rammstoß bestraft - und am Ende gewinnt doch wieder Lewis Hamilton.

Von Philipp Schneider, Manama

Raketen stiegen in die Luft, die Detonationen wummerten, als gebe Metallica ein Konzert auf der Wüsteninsel Bahrain. Man kann nicht sagen, dass die Königliche Familie sich lumpen lässt, was den Einsatz von Knallkörpern angeht. Doch die Party wirkte nun doch ein wenig deplatziert am Ende der ersten Rundfahrt der neuen Saison in der Formel 1 an der Rennstrecke in Manama. Und zwar unabhängig davon, welche der vielen Geschichte einer betrachtete, die am Sonntag erzählt wurden.

Mick Schumacher hatte es in seinem ersten Formel-1-Rennen zumindest ins Ziel geschafft, als 16. und Letzter. Anders als sein Vater Michael, der vor 30 Jahren bei seinem Debüt in Spa-Francorchamps beim Start die Kupplung verbrannt hatte und den Jordan nach wenigen Metern abstellen musste. Sebastian Vettel wiederum wurde 15. und Vorletzter nach einem ganz großen Drama, das schon in der Qualifikation losgegangen war.

Und dann gab es noch Lewis Hamilton, den Seriengewinner und siebenmaligen Weltmeister, von dem man noch am Morgen gedacht hatte, er würde in diesem Rennen ausnahmsweise mal besiegt werden können. Zum ersten Mal seit 2013 war die Pole Position beim Jahresauftakt an ein anderes Team gegangen als Mercedes. Max Verstappen hatte Hamilton im Red Bull sogar um vier Zehntel distanziert. Das waren Welten.

Als dann aber in der Wüstenei die Raketen knallten, da war Hamilton schon wieder der Sieger. Drei Runden vor Schluss hatte Verstappen ihn zwar überholt, war aber mit seinem Wagen neben die Strecke geraten und musste Hamilton wieder passieren lassen. Und danach kam er nicht mehr heran. "Wow, was für ein schwieriges Rennen war das? Max saß mir im Genick. Mir ist es gerade noch so gelungen, ihn auf Distanz zu halten", sagte Hamilton.

Die Zuschauer müssen sich ja in dieser Saison an eine völlig neue Sehstrategie gewöhnen. Es gibt für sie ab sofort immer zwei Rennen zu beobachten. Diese Rennen haben nichts miteinander zu tun, finden nur am selben Ort statt. Einmal gibt es den Kampf um den Rennsieg. Und dann gibt es noch ein Duell ganz am Ende des Feldes. Dort, wo sich Mick Schumacher teamintern mit Nikita Masepin misst.

"Ich bin happy, dass ich das Rennen fertig fahren konnte"

Am Sonntag waren gerade erst die Flutlichter eingeschaltet worden in Manama, als der Wettkampf der Rookies in ihren völlig unterlegenen Kisten, die auf den Namen Haas hören, schon entschieden war. Masepin flog ab. Einfach so. Ohne Fremdeinwirkung. Drei Kurven hatte er hinter sich gebracht. Immerhin.

Das Safety Car rückte aus - und nachdem der Wettbewerb kurz darauf mit einem fliegenden Start wieder freigegeben war, verabschiedete sich auch Schumacher von der Strecke. Er drehte sich ebenfalls ohne Fremdeinwirkung. In Kurve vier. Im Gegensatz zu Masepin konnte er allerdings weiterfahren. Was also sollte man sagen? Masepin weg, Wirkungstreffer gesetzt, 1:0 für Schumacher. Und deshalb durfte er sich schon ein bisschen freuen, als er im Flutlicht über die Ziellinie rollte als Letzter und Überrundeter. "Ich bin happy, dass ich das Rennen fertig fahren konnte", sagte er.

Und Vettel? Neuer Rennstall, neue Liebe? Es lässt sich nicht behaupten, dass er nach seinem harten Rauswurf bei Ferrari und dem Wechsel zu Aston Martin in einem kuschelweichen Sitz gelandet wäre. Schon bei den Testfahrten stand sein grünes Auto wegen diverser technischer Schwierigkeiten mehr rum, als dass es fuhr. In der Qualifikation in Bahrain dachte man dann zunächst, er habe Pech gehabt, weil sein schnellster Versuch von zwei gelben Flaggen sabotiert worden sei: Platz 18 bedeutete das zunächst. Am Renntag dann die Ernüchterung: Die Rennkommissare versetzten ihn zur Strafe ans Ende des Feldes. Vettel hatte unter Beflaggung zu schnell und zu stark gasgegeben. Nun also parkte er sogar noch hinter Masepin. Und der hatte eine der gelben Flagge mit einem Dreher in der Qualifikation überhaupt erst verursacht. Rennsport kann sehr zynisch sein.

Fernando Alonso ist zurück in der Formel 1

Die Ampeln gingen aus in Bahrain. Und Verstappen rollte als Erster los, gefolgt von den Mercedes, die gemeinsam die Jagd auf ihn eröffneten. Er war auf sich gestellt, weil sein neuer Teamkollege Sergio Perez in der Einführungsrunde liegen geblieben war und aus der Box starten musste. Der einsame Max Verstappen: Seine Teamkollegen kommen und gehen, aber er ist doch immer auf sich gestellt.

Nach 13 Runden kam Hamilton als erster Fahrer aus der Spitzengruppe an die Box und ließ sich frische Reifen aufziehen. Würde Verstappen es ihm nun gleichtun, dann müsste er Bottas die Führung überlassen. Sollte er allerdings zu lange draußen bleiben, riskierte er, dass Hamilton auf den frischeren Gummis Boden gut machen würde auf ihn. Und genau so kam es nun. Zwei Sekunden schneller kreiste Hamilton als Verstappen. Der hielt erst nach 17 Runden, und als er wieder auf die Strecke zurückkehrte, lag er sieben Sekunden hinter dem neuen Spitzenreiter Hamilton. Verstappen fuhr nun im Puffer zwischen Hamilton und Bottas. "Hunt him down", forderte Mercedes-Teamchef Toto Wolff den Finnen auf. Er solle Verstappen erledigen. "Irgendwas stimmt ganz und gar nicht", rief wiederum Verstappen im Funk. "Ich habe keinen Grip am Ende von Kurve eins."

Eine ähnliche Erfahrung machte auch Vettel. Nachdem er sich zunächst bis auf Platz zehn nach vorne gekämpft hatte, brannte er in Kurve eins einen Verbremser aufs Wüstenparkett. Er verlor zwei Plätze. Dabei hatte er gerade jemanden überholt, der an der nächsten Geschichte in seiner langen Karriere schrieb: Fernando Alonso war nach mehr als zwei Jahren Abstinenz wieder zurück in der Formel 1 gekehrt. Alonsos Comeback endete nach 33 Runden. Er rollte mit seinem Alpine in die Box.

Immer dichter fuhr Verstappen ans Heck von Hamilton auf. Als der Abstand nur noch zwei Sekunden betrug, da rollte Hamilton nach 28 von 56 Runden zum zweiten Mal an die Box. Um zu verhindern, dass der Niederländer eher als er auf frische Reifen wechseln würde. Verstappen blieb auf der Strecke, brauchte nun aber eine Sekunde länger pro Runde als Hamilton. Erst nach 39 Runden hielt auch er zum zweiten und letzten Mal. 16 Runden waren noch zu fahren. Sein Rückstand betrug acht Sekunden. Aber dann eröffnete er die Jagd. Rauschte heran mit Siebenmeilen-Reifen. Kam beim Überholen aber ab von der Strecke ab. Und das war's.

Nur nicht für Vettel. Der rammte seinen Aston Martin noch effektvoll in das Heck von Esteban Ocons Alpine. Die Rennkommissare brummten ihm dafür eine 10-Sekunden-Strafe auf. Es war eine bittere Pointe. Vettel trägt nun Grün anstelle von Rot. Es ist dasselbe Drama in anderer Farbe.

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