Nico Hülkenberg
Zum dritten Mal hatte sich der Nachfolger von Mick Schumacher bei Haas-Ferrari in seiner Comeback-Saison einen Startplatz in den Top Ten gesichert, erstmals konnte er Punkte einfahren - und das völlig unabhängig vom abschließenden Chaos. Dementsprechend war der 35-Jährige auch "sehr, sehr" zufrieden mit seiner Leistung: "Ich kann behaupten, das Maximum herausgeholt zu haben." Vor allem bei den Starts. Die durfte er ja auch dreimal üben, und ganz zum Schluss auf weichen Reifen kam er sogar richtig gut davon. Er sprang von Platz neun auf Rang vier, Pech nur, dass das nach dem neuerlichen Abbruch nicht zählte, dann wäre sogar ein Podium drin gewesen.
Ein Protest seines Teams wurde abgewiesen. "Schade, sonst hätten heute die Korken geknallt", bilanzierte Hülkenberg nach seinem 184. Formel-1-Einsatz. Was das Chaos in der Schlussphase angeht, hält es der Routinier so wie die meisten anderen Piloten - sie konnten nicht so richtig verstehen, warum der Sport unbedingt der Show geopfert werden musste. Diplomatisch, wie er außerhalb der Piste gern ist, sprach er von einem "zweischneidigen Schwert".
Max Verstappen

Tatsächlich scheint der Weltmeister die Kraft seines Red-Bull-Rennwagens nach Belieben dosieren zu können, in Melbourne mit Ausnahme der Startphase. Denn die ging gleich mehrfach schief, die Mercedes-Piloten waren stets die besseren. Beim umstrittenen letzten Neustart des Grand Prix zeigten Bilder zudem, dass der Reifen von Auto Nummer eins über die auf den Asphalt gemalte Startbox hinausragte. Das hätte in all dem Chaos noch gefehlt, eine Disqualifikation des sicheren Siegers.

Formel 1 in Australien:Wird hier der Sport zugunsten der Show geopfert?
In Melbourne steht ein Trio mit elf Weltmeistertiteln auf dem Podium, diskutiert wird aber über die Entscheidungen der Rennleitung. Drei Abbrüche erhöhen wie erwünscht die Spannung - doch mit ihren komplizierten Regeln tut sich die Formel 1 keinen Gefallen.
Der Niederländer hatte Glück, die Hauptauflagefläche war noch innerhalb des zulässigen Raums. Die schon tiefstehende Sonne sei mit Schuld an dem Fast-Malheur gewesen, gab der souveräne Spitzenreiter der Formel 1 später an. Auch sonst hat er reichlich geklagt über die Abbrüche und Neustarts kurz vor Rennende: "Nicht nur ich, eine Menge Fahrer waren verwirrt darüber. War das wirklich notwendig? Ich denke, wir müssen darüber reden, wann Rennabbrüche gerechtfertigt sind."
Lewis Hamilton

Ach, wie wohl er sich da gefühlt hat. Elf WM-Titel versammelt auf dem Podium, und Lewis Hamilton hat sieben davon beigesteuert. Zweiter, das ist in der aktuellen Situation des Rekord-Weltmeisters tatsächlich nicht bloß eine weitere Stufe, sondern ein echter Schritt nach vorn. Mit seinem Silberpfeil ist er immer noch nicht wirklich warm geworden, dazu liegt ihm die Cockpitposition zu weit vorn, es geht um fünf bis zehn Zentimeter - und das sind Welten.
Aber er durfte in Australien erstmals ernsthaft an der Pole-Position schnuppern und konnte auch das Rennen ein Weilchen vor Max Verstappen anführen, bis dieser Ernst machte. Wie aggressiv er selbst auch mit 38 noch fahren kann, zeigte der Druck, den er in der Anfangsphase auf seinen Mercedes-Kollegen George Russell ausübte. Und das Katz-und-Maus-Spiel mit seinem alten Rivalen Fernando Alonso besaß über die ganze Distanz den höchsten sportlichen Unterhaltungswert.
Fernando Alonso

Wenn sich sein neu formuliertes Saisonziel erfüllt ("Noch ein kleines bisschen höher auf dem Podest"), dann wird Fernando Alonso noch in diesem Jahr seinen 33. Formel-1-Sieg einfahren, und im Spaß droht er Max Verstappen schon an, dann dessen Startnummer 33 übernehmen zu wollen - oder eben die große Eins. Immer, wenn er erfolgreich ist, kann der zweifache Weltmeister auch ein Alphatier des Humors sein. Drei dritte Plätze auf drei unterschiedlichen Rennstrecken geben ihm alle Zuversicht, dass mit seinem grünen Aston Martin noch einiges drin ist, und dass die Entscheidung zum Teamwechsel im vergangenen Sommer goldrichtig gewesen ist: "Das ist fast unglaublich." Die alten Instinkte sind noch in Takt, und dass er die Rückkehr an die Spitze im zarten Rennfahreralter von 41 Jahren geschafft hat, poliert den Stolz noch ein bisschen mehr auf.
Carlos Sainz Jr.

Das Einzige, was Ferrari an Zählbarem nach einem weiteren desaströsen Wochenende mit nach Maranello nimmt, sind zwei Strafpunkte. Carlos Sainz junior aber hadert weit mehr mit einer Fünf-Sekunden-Strafe, die er beim Neustart bekommen hatte, nachdem er Landsmann Alonso ins Auto gerutscht war. Denn die warf den bis dahin Vierten aus den Punkterängen. Entsprechend tobte er über Funk: "Das ist überhaupt nicht akzeptabel!" Selbst Alonso ergriff Partei für den Kollegen: "Das war doch keine Absicht. Mit erscheint die Strafe ziemlich brutal."
Auch der neue Teamchef Fred Vasseur grummelte, dass Sainz nicht einmal angehört worden war von den Sportkommissaren. Noch schlimmer erging es Charles Leclerc, dem eigentlichen Prinzen der Scuderia. Hatte er im letzten Jahr Melbourne noch als WM-Spitzenreiter verlassen, quittierte sein Rennwagen schon früh den Dienst. Der Monegasse wusste nicht mal genau, wie viele Punkte er gerade auf dem Konto hat: "Es sind bloß sechs oder acht, auf jeden Fall ist es aber mein schlechtester Saisonauftakt."
Australien

Das Chaos um die vielen Abbrüche tat der Stimmung bei den 131 000 Zuschauern keinen Abbruch, sie forderten mittels la ola einen Neustart. Noch während das Feld hinter dem Safety Car in der letzten Runde war, stürmten schon die Massen auf die temporäre Piste im Albert Park, kassierten die Hinweisschilder für die Fahrer als Souvenirs und umzingelten nach der Zielflagge den mit einem Motorproblem ausgerollten Haas von Nico Hülkenberg.
Das ist nicht ganz ungefährlich, denn auf dem Auto hätte noch Spannung sein können. Deshalb zitierte die Rennleitung den Veranstalter anschließend noch vor die Sportkommissare. Jetzt müssen die Australier, die sie stolz sind auf ihre große PS-Party, einen neuen Sicherheitsplan vorlegen. Aber was macht das schon, den Grand Prix dürfte Melbourne bis 2037 sicher haben - und Rookie Oscar Piastri feierte einen großartigen Erfolg beim ersten Rennen auf seinem Heimatkontinent - der McLaren-Pilot konnte als Achter seine ersten Formel-1-Punkte einfahren.
Pierre Gasly

Otmar Szafnauer, der Teamchef des Alpine-Rennstalls, hatte schon so eine Ahnung, als er beim deutschen Rennleiter Niels Wittich intervenierte, das Rennen nicht noch einmal neu zu starten. Denn beim Re-Start in der 57. von 58 Runden verhakte sich der französische Rennwagen von Pierre Gasly, bis dahinter starker und sicherer Fünfter, ausgerechnet mit dem seines Teamkollegen Esteban Ocon - beide krachten daraufhin in die Mauer. Ein Totalschaden, nicht bloß in materieller Hinsicht. Die beiden Landsleute können sowie so nicht so richtig miteinander. Zumindest Gasly hatte Glück im Unglück: die Sportkommissare verzichteten, da es sich um eine unübersichtliche Startphase handelte, auf eine Bestrafung. Der Neuzugang im Team befindet sich nur zwei Strafpunkte entfernt von einer Rennsperre.