Formel-1-Neuling Oscar Piastri:Abgezockter als Fernando Alonso

Lesezeit: 3 Min.

Wunderkind vom anderen Ende der Welt: Oscar Piastri bestreitet in Melbourne seinen dritten WM-Lauf. (Foto: Joel Carrett/AAP/Imago)

Oscarmania in Melbourne: Der 21-jährige Lokalmatador Piastri wird schon vor seinem dritten Formel-1-Rennen als künftiger Weltmeister gehandelt. Dabei hat er außer seinem Teamkollegen einen weiteren großen Gegner - sein Auto.

Von Elmar Brümmer, Melbourne

Der zuletzt berühmteste Australier in der Formel 1 steht im Schatten der Boxengaragen im Albert Park, und wenn er am Mercedes-Pavillon vorbeimuss, setzt er die Sonnenbrille auf, obwohl über der Grand-Prix-Rennstrecke Wolken aufgezogen sind. Michael Masi, Rennleiter des so umstrittenen Saisonfinales 2021 in Abu Dhabi, ist nach seiner Absetzung beim Automobilweltverband Fia tatsächlich zurück in der Heimat, und erstmals wieder in der Nähe der Formel 1. Aber nur als Chef der Tourenwagenserie V8 Supercars, die im Rahmenprogramm fährt.

Lewis Hamilton beobachtet den Funktionär aus der Ferne; der Brite hat mehrfach betont, nie über den Schmerz des Titelverlusts hinwegkommen zu können, den er als Raub empfand durch eine eigenwillige Regelauslegung. Eine späte Aussprache mit Masi will er nicht: "Da gibt es nichts zu sagen. Ich konzentriere mich nur auf meine Zukunft."

Auch die australischen Petrolheads, die Melbourne am Sonntag eine Rekordkulisse jenseits der 140 000 Besucher bescheren sollen, haben den Blick nach vorn gerichtet, weit nach vorn sogar. Sie mussten sich nicht mal an eine andere Teamfarbe gewöhnen, nur die Startnummer hat gewechselt.

Formel 1
:In der Red-Bull-Garage qualmt es

Max Verstappen nörgelt an der Crew herum, Kollege Sergio Perez hat plötzlich Titel-Ambitionen: In Saudi-Arabien verfestigt sich der Eindruck, dass sich das hoch überlegene Red-Bull-Team in dieser Saison nur selbst gefährden kann.

Von Philipp Schneider

Daniel Ricciardo, in den vergangenen elf Jahren der rasende Aussie im Rennzirkus, ist raus - dafür sitzt dort nun der Debütant Oscar Piastri. Ins Cockpit von McLaren wurde er gebracht von Mark Webber, ebenfalls Australier, der Anfang des vergangenen Jahrzehnts im internen Red-Bull-Titelduell gegen Sebastian Vettel unterlag. Aber so viel Rummel wie um Piastri wurde bislang um keinen Australier gemacht. Seit Alan Jones, 1980 der letzte Weltmeister vom fünften Kontinent , dem Neuling bescheinigte, alle Fähigkeiten zu vereinen, die ein künftiger Champion benötigt, entwickelt sich im Land eine wahre Oscarmania. Dabei bestreitet Piastri gerade mal seinen dritten WM-Lauf.

Mit zehn Jahren saß Piastri erstmals in einem Kart: ein Spätzünder

Einen gebürtigen Melbournian hat es noch nie gegeben in der Formel 1. Piastri, der am Gründonnerstag 22 Jahre alt wird, ist eine Viertelstunde vom Albert Park entfernt aufgewachsen, hat dort aber nur mal Cricket gespielt. Ein Autorennen hat er in seinem Heimatland noch nie bestritten, denn die schulische und motorsportliche Grundausbildung hat er in England absolviert. Überhaupt ist Piastri ein Spätzünder, saß erst mit zehn Jahren das erste Mal im Kart. Also gut sieben Jahre später als Max Verstappen. Aber den Rückstand hat er schnell aufgeholt.

Er gewann auf Anhieb die höchsten Nachwuchsligen Formel 3 und Formel 2. Keine Frage, er hätte schon 2022 in die Formel 1 gehört, wenn da ein Cockpit frei gewesen wäre oder er eine hohe Sponsorenmitgift gebracht hätte, am besten beides. Das Wunderkind vom anderen Ende der Welt musste sich gedulden.

Piastri wurde in der Akademie von Renault geparkt, musste auf einen Platz beim Werksrennstall Alpine hoffen. Die unfreiwillige Ehrenrunde nahm im vergangenen Sommer eine unerwartete Richtung. In dem durch Sebastian Vettels Rücktrittsankündigung ausgelösten Transferpoker zockten sowohl Fernando Alonso als auch Piastri das französische Team ab. Teamchef Otmar Szafnauer konnte sich nicht zwischen dem Senior und dem Junior entscheiden und verlor schließlich beide. Bemerkenswert, dass der Nachwuchsmann sogar noch kaltblütiger war als Alphatier Alonso.

Erste Runden in der Heimatstadt: Oscar Piastri fährt mit seinem McLaren über den Albert Park Circuit. (Foto: HochZwei/Imago)

Alpine verkündete, nachdem der Spanier zu Aston Martin geflüchtet war, Piastri als dessen Nachfolger. Doch der widersprach, eine rechtskräftige Abmachung zu besitzen - das Vertragsschiedsgericht der Fia gab ihm Recht. Aus Sorge, ein weiteres Rennjahr untätig bleiben zu müssen, hatte Piastri bei McLaren unterschrieben - wo er seinen Landsmann Ricciardo verdrängte. Das lässt sich als Instinkt werten oder als Undank gegenüber dem Ausbildungsbetrieb. Womöglich ist es vor allem Ausdruck eines Selbstwertgefühls, das ein zukünftiger Weltmeister besitzen muss.

Blöd nur, dass der McLaren-Mercedes ausgerechnet im 60. Jahr des Rennstalls das bislang schlechteste Auto im Feld stellt. Teambesitzer Zak Brown hat gerade den Technikdirektor entlassen, modelt die ganze Truppe um, der bisherige Teamchef Andreas Seidl hatte schon im Dezember eine neue Perspektive im künftigen Audi-Werksrennstall Sauber gesucht.

Vom schnellen Erfolg der Umbauten bei Rennwagen und Mannschaft hängt auch Piastris Fortschritt ab. Das größte Talent nutzt nichts, wenn es zur falschen Zeit im falschen Auto sitzt. Alonso, der jetzt mit 41 bei Aston Martin endlich wieder konkurrenzfähiges Material besitzt, ist ein gutes Beispiel dafür.

Es bahnt sich ein Stallduell mit Teamkollege Lando Norris an

Piastris großer Gegner heißt - abgesehen vom MCL 60 - Lando Norris. Noch so ein Talent. Der 23-Jährige wurde in England bereits als potenzieller Hamilton-Nachfolger gehandelt, konnte aber bislang noch kein Rennen gewinnen. Ein Duell der Super-Talente bahnt sich an. Norris, seit 2019 im Team, ist bislang nur beim Gehaltsscheck mehrere Klassen besser als sein Herausforderer. Der Brite soll sechs Millionen Euro im Jahr kassieren, Piastri wird auf 125 000 Euro Ausbildungszulage taxiert. Zwischen den beiden dürfte es alsbald zugehen wie im Duell Verstappen gegen Perez bei Red Bull. Zuletzt in Dschidda landete Piastri schon knapp vor dem Kollegen, im Qualifying an diesem Samstag und am Sonntag im Rennen will er sich weiter emanzipieren.

Nach der Auszeit ist Piastri nicht unzufrieden mit seinem Einstand: "Ich konnte den Rost abschütteln, und die bisherigen Rennen geben mir Vertrauen, dass ich mich auf dem richtigen Weg befinde." Die neueste Staffel der Netflix-Serie "Drive to survive" erspart er sich: "Es fühlt sich komisch an, Leute auf dem Bildschirm anzugucken, mit denen ich es im richtigen Leben jetzt ständig zu tun habe", findet er.

Stattdessen studiere er lieber die großen Duelle der Rennhistorie. Schwerpunkt: der dramatische Zweikampf zwischen Ayrton Senna und Alain Prost - damals bei McLaren.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusInterview mit Nico Hülkenberg
:"Wir waren eine Autonation. Jetzt wird das Auto schlechtgeredet"

Nico Hülkenberg ist 2023 der einzig verbliebene deutsche Fahrer der Formel 1. Ein Gespräch über den schwierigen Stand des Motorsports in Deutschland und sein Können in minderwertigen Rennwagen.

Interview von Anna Dreher und Philipp Schneider

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: