Es kommt ganz früh ganz dicke für Isack Hadjar bei seinem Formel-1-Debüt. Der französisch-algerische Pilot aus dem Team der Racing Bulls bringt am Sonntag seinen Rennwagen nicht einmal bis zur Startaufstellung – sondern crasht schon in der Einführungsrunde. Am wichtigsten Tag seiner Karriere erleidet der 20-Jährige die größtmögliche Demütigung.
Als Erster zur Stelle, um Hadjar zu trösten, waren nicht etwa seine Eltern oder der Teamchef, sondern Anthony Hamilton. Dessen Sohn Lewis gehört mit 40 Jahren in gewisser Hinsicht auch zu den Debütanten beim Saisonauftakt in Australien, allerdings sind für den Rekordweltmeister nur die Rennstallfarbe, das Lenkrad und das Auto neu. Trotzdem hatte er sich Beistand aus der Familie gewünscht, und weil Papa Hamilton nun da war, probte er gleich den Einsatz als Tröster. Mitgefühl konnte Lewis Hamilton am Ende eines chaotischen Rennsonntags als Zehnter auch selbst gut gebrauchen.

Formel-1-Auftakt in Melbourne:„Dankbar, dass ich keine Mauer geküsst habe“
Die Formel 1 erlebt einen von Regenbrüchen und Unfällen geprägten Saisonstart in Melbourne. Während Max Verstappen beim Sieg von Lando Norris sogar mit Platz zwei zufrieden ist, zieht bei Ferrari früh die erste Krise auf.
Sechs Neulinge sind in Melbourne in ihre erste volle Formel-1-Saison gestartet, so viele Rookies, wie sie in der Szene heißen, gab es schon seit zwei Jahrzehnten nicht mehr. Lediglich zwei von ihnen kamen ins Ziel. Und nur Andrea Kimi Antonelli, der als 18-Jähriger im Mercedes-Team den zu Ferrari abgewanderten Lewis Hamilton ersetzen soll, konnte den Nachweis führen, dass er für den in den kommenden Jahren anstehenden Umbruch schon jetzt bereit ist. Nach einer unglücklichen Qualifikation war er nur von Startplatz 16 ins Rennen gegangen, machte taktisch wie fahrerisch jedoch alles richtig und ließ sich auch von Schreckmomenten nicht aus der Ruhe bringen.
Der Italiener, für den auf der heimischen Autostrada als Führerscheinneuling noch ein Tempolimit gilt, bestätigte in Melbourne mit seinem vierten Platz im Großen Preis der Wetterkapriolen vor allem seinen Teamchef und Fürsprecher Toto Wolff. „Ich kann mich nicht beklagen“, sagte Antonelli bescheiden, „es gibt zu viel zu lernen.“ Für die Mercedes-Ingenieure kam die Galavorstellung nicht überraschend. Hinter vorgehaltener Hand nennen sie Antonelli schon „little baby Jesus“.
„Hut ab! Ich hätte unter solchen Bedingungen nicht mein erstes Rennen fahren wollen“, sagt Nico Hülkenberg
Die Vorstellung des kleinen Erlösers wurde nur durch die Rennkommissare gefährdet, als sich Antonelli und der Sauber von Nico Hülkenberg nach einem Reifenwechsel in der Boxengasse gefährlich nahegekommen waren. Die ursprüngliche Fünfsekundenstrafe, die Antonelli auf Rang fünf zurückversetzt hätte, wurde später wieder aufgehoben. Kontrahent Hülkenberg hatte Respekt vor allen Neulingen: „Hut ab! Ich hätte unter solchen Bedingungen nicht mein erstes Rennen fahren wollen.“
Auch seinen Teamkollegen Gabriel Bortoleto erwischte es, als nur noch zehn Runden zu fahren waren. Der Ausrutscher wird dem 21-jährigen Brasilianer kaum übel genommen werden, er soll für das künftige Audi-Werksteam aufgebaut werden. Würde er für die französische Marke Alpine starten, sähe das vielleicht anders aus. Dort hat Flavio Briatore das Sagen, und im Stil von Elon Musk hat sich der Italiener ganz der Effizienz verschrieben, was auch dazu führt, dass der Australier Jack Doohan von Anfang an um seinen Job zittern muss. Dem 22-jährigen Sohn des ehemaligen Motorradchampions Mick Doohan hatte Briatore schon nach der Vertragsunterzeichnung angedroht: „Ich kontrolliere jeden Millimeter, den du dich in der Formel 1 bewegst.“
Mit Franco Colapinto, der in Melbourne schon in der Garage stand, hat Briatore einen Ersatz bei der Hand. Der Argentinier hatte im Vorjahr als Aushilfspilot Schlagzeilen gemacht und erst den Jugendwahn der Formel 1 ausgelöst. Vor allem aber bringt er reichlich Sponsorengeld mit. Dass Doohan bei seinem Heimspiel nur fünf Kurven weit kam, ehe er auf der rutschigen Geraden die Kontrolle über sein Auto verlor, lässt ihn sicher nicht ruhiger werden.

Scheitern im Grenzbereich, das gehört zum Prinzip der Formel 1. Vorjahressieger Carlos Sainz junior, der mit 30 Jahren beim Kellerkind Williams einen Neuanfang versucht, passierte ein ähnlich peinliches Missgeschick wie Hadjar. Am Ende der ersten Runde verschaltete sich der Spanier trotz der Erfahrung aus über 200 Rennen, in einer Safety-Car-Phase ist das besonders bitter. Fernando Alonso, dem Branchen-Senior, erging es später auch nicht viel besser. Aber es sind eben andere Maßstäbe, die bei der Suche nach dem nächsten Jahrhunderttalent angelegt werden, Wetter hin oder her.
Bei Red Bull Racing sind sie da besonders streng. Rennstallberater Helmut Marko, der die Weltmeister Sebastian Vettel und Max Verstappen gefunden und gefördert hat, hatte als Ersatz für den glücklosen Sergio Perez den Neuseeländer Liam Lawson zum Nebenmann von Max Verstappen befördert. Der 23-Jährige ist sehr von sich überzeugt, benimmt sich auf der Piste gelegentlich so rüde wie ein gestandener Grand-Prix-Sieger, aber hat vorerst offenbar das Pech von Perez übernommen: Motorenprobleme im Training, Patzer in der Qualifikation und dann der Kontrollverlust zehn Runden vor Schluss. Auf Platz zehn liegend warf er mit Slicks auf regennasser Fahrbahn an der gleichen Stelle in Kurve zwei das Auto heraus wie Hadjar ganz am Anfang.

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Ferraris Protegé Oliver Bearman sah zwar die Zielflagge, aber nur als Letzter. Der Brite, der auf der Insel schon als kommender Weltmeister gehandelt wird, hatte seine Debakel aber bereits vorher erlebt: Im ersten Training hatte er auf der Geraden die Kontrolle hinterm Lenkrad verloren und seinen neuen Dienstwagen fast zerstört. Der Sachschaden geht in die Hunderttausende, auch der Motor musste gewechselt werden. Der so wichtige erste Trainingstag war gelaufen. In der Qualifikation ereilte den 19-Jährigen ein Getriebeproblem, er musste aus der Boxengasse starten. Voll Panne.
Lewis Hamilton gab sich schon vor dem Wochenende mitfühlend, in seiner üblichen Holzhammer-Poesie: „Diamanten entstehen nur mit der Zeit. Und ich hoffe, dass die Jungen Zeit und Raum haben, sich zu entwickeln und sie selbst zu sein, ohne sich anpassen und ohne sich hetzen zu müssen“, sagte der siebenmalige Weltmeister. „Vor allem müssen sie auch Fehler machen dürfen. Aber in der Formel 1 macht man seine Fehler vor den Augen aller Welt – und das ist wirklich schwierig.“