Formel 1: Großer Preis von Austin:Juchhu, die nächste Kontroverse!

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Verbissenes Duell auf und neben der Strecke: Lando Norris (rechts) findet in Austin keinen regelkonformen Weg vorbei an Max Verstappen (Zweiter von rechts). (Foto: Kaylee Greenlee Beal/Reuters)

Max Verstappen führt in Austin eine der größten Verteidigungsdarbietungen der jüngeren Renngeschichte auf, seine McLaren-Herausforderer kritisieren sich selbst, die Jury und den Gegner: Die Formel 1 steuert auf ein höchst unterhaltsames Saisonfinale zu.

Von Elmar Brümmer, Austin

Im Jargon der Rennkommissare spiegelte sich nur ein ganz klein wenig jene Dramatik, die das Duell zwischen Max Verstappen und Lando Norris beim Großen Preis der USA zu dem Showdown machte, den sich die Formel-1-Welt erhoffte. In den letzten zwanzig Minuten des 19. WM-Laufs wagte es der Fernsehregisseur nicht, etwas anderes als die Kameraperspektive von der wilden Jagd zwischen dem Red-Bull-Rennwagen des Titelverteidigers und dem McLaren seines Verfolgers zu zeigen. Charles Leclerc und sein folgender Ferrari-Teamkollege Carlos Sainz jr. rückten erst kurz vor ihrer Zieldurchfahrt als Sieger und Zweitplatzierter wieder ins Bild.

Vier Runden vor Schluss war der packende Zweikampf zwischen Norris und Weltmeister Verstappen eskaliert. Und laut der Schnellrichter des Automobilweltverbandes Fia hatte sich in Kurve zwölf Folgendes abgespielt: „Wagen vier (Norris) überholte Wagen eins (Verstappen) auf der Außenseite, war aber am Scheitelpunkt der Kurve nicht auf gleicher Höhe mit Wagen eins. Daher hatte Wagen vier das „Recht“ auf die Kurve verloren. Da Wagen vier die Fahrbahn verließ und vor Wagen eins wieder zurückkehrte, wird dies als Verlassen der Fahrbahn und Erlangung eines dauerhaften Vorteils gewertet.“

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Charles Leclerc gewinnt vor Teamkollege Carlos Sainz den Grand Prix der USA. Lando Norris fährt als Dritter ins Ziel – wegen einer Strafe gegen ihn steht jedoch Titelverteidiger Max Verstappen auf dem Podium.

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Das Urteil: fünf Sekunden Zeitstrafe für Norris statt der üblichen zehn Sekunden. Mildernde Umstände also, da beim entscheidenden Manöver auch Verstappen weit außerhalb der Piste gelandet war. Im korrigierten Endresultat fehlten Norris damit 0,9 Sekunden, um den dritten Platz zu behalten.

Der geht nun an den Niederländer, der nach vierwöchiger Rennpause schon im Sprintrennen am Samstag seinen Vorsprung im WM-Klassement hatte ausbauen können, als er über die 100 Kilometer triumphiert hatte und Norris nur Dritter geworden war. Zu diesem Gewinn von zwei Punkten gegenüber seinem britischen Widersacher gesellten sich am Sonntag weitere drei Punkte Abstand. Insgesamt liegt Verstappen vor den letzten fünf WM-Läufen nun mit 57 Punkten in Führung, maximal 146 Zähler gibt es noch zu gewinnen.

Das Klima zwischen den rivalisierenden Teams verschlechtert sich gerade zusehends

Noch ist der Red-Bull-Wagen nicht wieder da, wo er einmal war, aber die Nummer eins hat neuen Mut gefasst. Lediglich Reifenprobleme verhinderten im Rennen auf dem Circuit of the Americas, dass Verstappen wie gewohnt attackierte. Also lieferte er eine der größten Verteidigungsdarbietungen der jüngeren Renngeschichte. Verfolger Norris kam mit frischeren Pneus und dem schnelleren Auto in den letzten zehn Runden dem Heck des Vordermanns immer näher, aber nie vorbei - auch, weil er derjenige ist, der sich keinen Crash leisten kann. Als ihn schließlich den Mut der Verzweiflung packte, kam es zu dem umstrittenen Manöver. Sofort petzte Verstappen über Funk, rückte auch später keinen Deut ab von seiner Meinung: „Überholen außerhalb der Strecke geht einfach nicht.“

Insgesamt liegt Max Verstappen (re.) vor den letzten fünf WM-Läufen nun mit 57 Punkten in Führung, maximal 146 Zähler gibt es noch zu gewinnen - Lando Norris hat noch Chancen. (Foto: Nick Didlick/dpa)

Lando Norris hatte einen für ihn besseren Ausgang in Texas bereits am Start verschenkt, als er von der Pole-Position aus auf Rang vier zurückfiel. Schon in dieser Haarnadelkurve waren Verstappen und er über die Randsteine hinausgeräubert und hatten den Ferraris die Siegchance eröffnet. „Ich bin gefahren wie eine Puppe“, gestand der Brite hinterher. Red-Bull-Berater Helmut Marko, der im Zuge der üblichen Psychospielchen schon vor der Schlussphase der Saison über die Psyche von Norris geätzt hatte, durfte sich nachträglich bestätigt sehen.

Das Klima zwischen den rivalisierenden Teams verschlechtert sich gerade zusehends, auch wenn sich der Jurist aus Österreich - für seine Verhältnisse - nach dem aus den Bahnen geratenen Duell fast zurückhaltend gab: „So ist das Regelwerk, und natürlich haben wir auf unser Recht bestanden.“ Es schmerzt Marko schon genug, dass McLaren auf dem besten Weg zum Konstrukteurstitel ist. Ein „bisserl viel für Herz und Puls“ sei dieser 19. WM-Lauf gewesen, gestand er dem Bezahlsender Sky, „aber so verteidigen kann nur Max“.

Norris' Teamchef wähnt sich von der Jury um den Lohn gebracht

Gerade Norris als bester Kumpel Verstappens hätte wissen können, wie dessen Fahrstil aussieht. Schon im Sommer in Österreich waren die beiden kollidiert. Norris gestand später ein, dass er den Platz besser gleich nach dem Ausritt an Verstappen hätte zurückgeben sollen, um dann noch einmal anzugreifen: „Vielleicht war das meine einzige Chance.“ Dass er jetzt ins Grübeln geraten könnte, hat aber wohl nichts mit mentaler Schwäche zu tun: „So ist das Leben. Ich habe gut angegriffen, Max hat sich gut gewehrt. Der dritte Platz wäre verdient gewesen, aber so sind die Regeln. Aber die Entscheidung killt unser Momentum.“

Von der Selbstkritik abgesehen, hatte das rasende Katz-und-Maus-Spiel in Texas die von Marko benutzte Vokabel „doll“ vollauf verdient. Allein die Begrenzung der Fahrbahn, die sogenannten Tracklimits, die Norris bei seinem Manöver zum Verhängnis geworden waren, sorgen nicht zum ersten Mal für Debatten. Und diesmal könnte das Urteil titelentscheidend gewesen sein. McLarens Teamchef Andrea Stella wahrte daher nur mühsam die Contenance: „Ich finde die Entscheidung unangemessen. Die Stewards hätten diesen aufregenden Zweikampf laufen lassen sollen. Sie haben uns den verdienten Lohn aus den Händen gerissen, ohne dass wir etwas dagegen tun konnten.“ Süffisant wies Stella auf ein Verhaltensmuster Verstappens in solchen Situationen hin, was wiederum den Weltmeister verärgerte: „In letzter Zeit beschwert sich McLaren ein bisschen oft über alles Mögliche.“

Der Königsklasse kann jedenfalls nichts Besseres passieren als die neuerliche Kontroverse. Bereits am kommenden Wochenende erhält Lando Norris in Mexiko-Stadt die Gelegenheit zur Revanche - und kann, wie intakt Moral und Titelchancen noch sind. Kompromisse, das ist die entscheidende Lehre aus Austin, kann er keine mehr machen.

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