Max Verstappen
Der Weltmeister ist zurück, so viel lässt sich ungeachtet der Diskussion um das entscheidende Duell gegen seinen Widersacher Lando Norris behaupten. Am Samstag gelingt dem Titelverteidiger mit dem runderneuerten Red-Bull-Rennwagen der Sieg im 100-Kilometer-Rennen, damit hat er auch den vierten Sprint der Saison gewonnen, obwohl er das Format gar nicht mag. In der anschließenden Qualifikation stoppt ihn nur eine Gelbe Flagge auf dem Weg zur Pole Position. Den 19. WM-Lauf selbst geht Verstappen mit gewohnter Kompromisslosigkeit an. Doch Bremsen und Reifen am immer noch nicht perfekten blauen Auto verhindern die Attacke, also schaltet er blitzschnell in den Verteidigungsmodus. Mit Platz drei, so umstritten er sein mag, unterstreicht er sein Können und seine Ansprüche. Richtig sauer wird er nur, als McLaren-Teamchef Andrea Stella auf ein gewisses Verhaltensmuster Verstappens in Rad-an-Rad-Duellen hinweist: „In letzter Zeit beschwert sich McLaren ein bisschen oft über alles Mögliche. Es ist ganz einfach – außerhalb der Strecke darf man nicht überholen.“
Lando Norris
Der Jäger von Max Verstappen ist ein netter Kerl, ein starker Rennfahrer, aber er neigt trotz seiner bisher besten F1-Saison zur harschen Selbstkritik. McLaren-Teamchef Stella bestätigt die Tendenz des 24-jährigen Briten, das Glas immer eher halb leer zu sehen statt halb voll. In Austin geißelt sich Norris sogar doppelt, erst, nachdem er zum wiederholten Male eine Pole Position nach dem Start verzockt hatte und sich im ersten Zweikampf mit Verstappen „wie eine Puppe“ verhalten habe. Dann nach dem aus dem Ruder gelaufenen Duell mit seinem niederländischen Kumpel. Vier Runden vor Schluss, als er nicht instinktiv den unfair erlangten dritten Platz gleich zurückgegeben hatte, um dann noch einmal ein neues, korrektes Manöver zu starten: „So ist das Leben. Ich habe meine Arbeit einfach nicht gut genug gemacht. Aber die Entscheidung der Rennkommissare killt unser Momentum.“ Um fünf Punkte hat sich der Rückstand von Lando Norris an diesem Wochenende erhöht, er liegt bei noch 146 maximal zu holenden Punkten 57 Zähler gegenüber dem Red-Bull-Piloten zurück.
Ferrari
Alles konzentriert sich in Austin auf das große Duell Verstappen gegen Norris, und dabei ist ganz untergegangen, dass die Scuderia schon im Sprintrennen und Qualifying ganz gut dabei war - und zwar ganz ohne große Updates. Doch schon auf den ersten Metern rollt die rote Welle. Erst schlüpft Charles Leclerc zwischen den beiden sich beharkenden Titelfavoriten durch, später kommt Carlos Sainz jr. dank geschickter Boxenstrategie an Norris vorbei auf den zweiten Rang. Schnell setzen sich die beiden vom Feld ab, Ferrari hat plötzlich gute Chancen auf den Konstrukteurstitel, es wäre der erste seit 2008. Nur acht Punkte fehlen derzeit auf Red Bull, zu Spitzenreiter McLaren sind es weitere 40 Zähler. Das könnte machbar sein. Plötzlich wird der Monegasse Leclerc nach seinem dritten Saisonsieg und angesichts des dritten Gesamtrangs in der WM-Wertung auf seine Titelchancen angesprochen. Der bedankt sich zwar höflich für das Kompliment, weiß aber: „Dazu bräuchte es viel Glück. Aber auf Glück kann man in der Formel 1 nicht bauen.“
Liam Lawson
Fliegender Wechsel bei den Racing Bulls, dem Zweitrennstall von Red Bull. Kurz nach dem Rennen in Singapur wurde der australische Routinier Daniel Ricciardo aus dem Team gekegelt, dessen Hoffnungen auf ein spätes Comeback sich nicht erfüllt hatten. Ersetzt wird er seit Austin vom Neuseeländer Liam Lawson. Der 22-Jährige hatte im Vorjahr schon einmal Ricciardo während einer Verletzungspause ersetzt. Als Hinterlassenschaft seines Vorgängers kassierte er gleich 60 Strafplätze für den Wechsel diverser Motorenteile, trotz guter Qualifikationsleistung ging es für den Kiwi von hinten los. Aber wie schon in Training und Sprint, als er sich gleich heftig mit Altmeister Fernando Alonso angelegt hatte, gab sich Lawson völlig unbeeindruckt von den Umständen und holte mit einem neunten Platz auf Anhieb zwei Punkte. Teamkollege Yuki Tsunoda, am Ende nur auf Rang 14 gelandet, war völlig konsterniert: „Wie ist denn der an mir vorbeigekommen?“ Lawson macht mächtig Tempo: „Ich will zeigen, was ich kann.“ Er will der erste Anwärter sein, falls Verstappens Nebensitzer Sergio Perez doch noch vorzeitig gehen muss.
Mercedes
Schlank ist er geworden nach dem letzten Upgrade der Saison, der Silberpfeil. Und schnell. Aber leider nicht weniger launisch als die letzte Version. So passen sich die Leistungen des Mercedes-Werksteams der Topografie des Circuit of the Americas an – eine einzige Berg- und Talfahrt. In der Qualifikation wirft George Russell das Auto in die Barrikaden und rettet so unfreiwillig Landsmann Norris die Pole Position. Der Brite startet aus der Boxengasse ins Rennen – und wird am Ende noch Sechster. Kollege Hamilton, der erfolgreichste Fahrer in Texas, findet sich dafür schon nach der zweiten Runde im Kies wieder – und weiß nicht wirklich, warum sein Auto ausgebrochen ist: „Ich hatte nicht mal richtig Gas gegeben. Irgendwas ist nicht normal an diesem Auto.“ Vielleicht, so hoffen sie bei Mercedes, war es auch nur eine starke Windböe. Bereits samstags war der Rekordchampion nach der ersten Qualifying-Runde ausgeschieden.
Sauber
Die beste Nachricht seit langem für das künftige Audi-Werksteam ist die, dass der Motorenhersteller von 2026 an mehr Geld ausgeben darf, da in der Schweiz um 30 Prozent höhere Lohnkosten anfallen als anderswo. Damit ist ein Nachteil gebannt, doch bis dahin ist es noch weit. Die aktuelle Frage ist eher, ob es sich lohnt, noch in den aktuellen Sauber-Rennwagen zu investieren. Valtteri Bottas und Kollege Guanyu Zhou setzen trotz eines großen technischen Upgrades am Rennwagen C44 ihre Nullnummern fort, der Schweizer Rennstall bleibt damit als einziger punktlos. Im Gespräch sind das Team und der neue Chef Mattia Binotto nur, weil es im Zürcher Oberland noch ein freies Cockpit gibt. Auf das schien trotz des fortgesetzten Leistungstiefs lange der 35 Jahre alte Bottas Favorit zu sein. Im Zuge der erfrischenden Darbietungen von Nachwuchsfahrern wie Franco Colapinho oder Oliver Bearman bei anderen Rennställen gerät auch Binotto ins Grübeln, der Brasilianer Gabriel Bartoleto wird deshalb ebenso gehandelt wie Mick Schumacher. Langsam wird sogar Bottas ungeduldig.
Austin
Dass alles ein bisschen größer ist in Texas, die Steaks ebenso wie die Pick-ups, macht den Großen Preis der USA nicht unsympathischer, im Gegenteil. Eine gewisse Unbescheidenheit gehört auch zur F1. Das Geschäft auf Gegenseitigkeit funktioniert in der Hauptstadt des US-Bundesstaats prächtig. Auch deshalb, weil die Fans nicht wegen des Glitters an den Circuit of the Americas fahren, sondern wegen des Motorsports. Auch wegen des Sports. Denn zum groß angekündigten „Showdown im Texas-Format“ gehörten auch die Konzerte von Sting und Eminem, die die Zuschauerzahl beim Motorsport ebenfalls in sechsstellige Regionen trieben – Showtickets gab es nur mit der Renneintrittskarte zusammen. Die einzigen, die sich am Super-Sportwochenende in Austin nicht ans Skript hielten, waren die College-Footballer der University von Texas. Die an Nummer eins gesetzten Longhorns verloren ihr Heimspiel gegen Georgia mit 15:30.