Einstieg von Audi in die Formel 1:Neue deutsche Antriebswelle

Einstieg von Audi in die Formel 1: Neue Farben im Starterfeld: Ab 2026 wird Audi in der Königsklasse des Motorsports mitmischen.

Neue Farben im Starterfeld: Ab 2026 wird Audi in der Königsklasse des Motorsports mitmischen.

(Foto: John Thys/AFP)

Ein lang ersehnter Impuls für den Motorsportstandort Deutschland: Audi verstärkt ab 2026 als Motorenlieferant neben Mercedes, Ferrari, Honda und Renault die Königsklasse. Das Ziel? Schnell um Siege fahren.

Von Anna Dreher, Spa-Francorchamps

Pünktlich um 9.15 Uhr startete die Pressekonferenz, die am Abend zuvor angekündigt und lange erwartet worden war. Auf den roten Sesseln nahmen vier Männer Platz: Mohammed Ben Sulayem, Präsident des Motorsportweltverbandes Fia, Formel-1-Chef Stefano Domenicali, der Audi-Vorstandsvorsitzende Markus Duesmann und Audi-Entwicklungschef Oliver Hoffmann. Und auch wenn die Botschaft, die Duesmann kurz darauf verkündete, längst kein wohlgehütetes Geheimnis mehr war, so sprach er am Freitag zurecht mit feierlicher Stimme von einem "wahrhaft sehr speziellen Moment", bevor er den entscheidenden Satz folgen ließ: "Wir werden 2026 in der Formel 1 fahren."

Seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts hat sich der VW-Konzern mit einem Einstieg in die Formel 1 befasst, nun steht er fest. Audi kommt als fünfter Motorenlieferant neben Mercedes, Ferrari, Honda und Renault hinzu. Lediglich mit wem sich die Ingolstädter für den Einstieg zusammentun werden, wer also den Rest des Autos zur in Neuburg an der Donau entwickelten Antriebseinheit liefern soll, ist noch nicht bekannt. Es gebe viele "fantastische" Chassis im Feld, man habe mit diversen potenziellen Partnern gesprochen, sagte Duesmann. Bis Ende des Jahres soll das Paket geschnürt sein, das auch von einer neuen Ära des Motorsportstandorts Deutschland erzählen würde. Denn in der Königsklasse ist die selbsternannte Automobilnation - derzeit vor allem vertreten durch Mick Schumacher, der allerdings noch kein Cockpit für 2023 hat, den scheidenden Sebastian Vettel und das Mercedes-Team - längst nicht mehr so präsent wie einst.

Die Übernahme des McLaren-Teams war lange ein Thema gewesen für Audi, doch der Deal kam nicht zustande. Als wahrscheinlich gilt eine Kooperation mit dem Sauber-Team aus der Schweiz, das seit 1993 in der Formel 1 startet und derzeit als Alfa Romeo antritt, mit Motoren von Ferrari. Kolportiert wird, dass Audi die mehrheitlichen Anteile an diesem Rennstall nach und nach übernehmen will. Just am Freitag verkündete Alfa Romeo, seine Partnerschaft mit Sauber nach der Saison 2023 zu beenden. Was das konkret bedeutet, ist noch unklar.

Audi und Porsche hatten Regeländerungen zur Bedingung für ihren Einstieg in der Königsklasse gemacht

Auch Porsche dürfte sich bald zu seinen Plänen äußern, die Stuttgarter sind dabei an den geplanten Börsengang im Herbst gebunden. In den Achtzigerjahren waren sie bereits erfolgreich in der Formel 1 unterwegs. Die ebenfalls zum VW-Konzern gehörende Marke will nun eine Partnerschaft mit Red Bull Racing um Weltmeister Max Verstappen eingehen. Das Wortspiel "F1nally" hat Porsche beim Patent- und Markenamt jedenfalls schon angemeldet.

In Sachen Motorsportstrategie, sagte Duesmann vor dem Großen Preis von Belgien am Sonntag in Spa, sei er auf einer Linie mit Oliver Blume, dem aktuellen Porsche-Chef und kommenden VW-Vorstandsvorsitzenden. Es sei ausführlich diskutiert worden, ob man in der Königsklasse kostensparend zusammenarbeiten solle, sagte Duesmann, man habe sich aber dagegen entschieden: "Wir sind gegen Porsche in LeMans komplett separat angetreten, wir werden das nun auch tun. Wir werden unseren Betrieb in Deutschland haben. Sollte Porsche einsteigen, werden sie das von England aus tun." Audi, lautete die Stichelei hinter dieser Botschaft, stellt in jedem Fall einen Motor Made in Germany her.

Einstieg von Audi in die Formel 1: Beste Laune in Spa: Fia-Präsident Mohammed Ben Sulayem, Audi-Vorstandsvorsitzender Markus Duesmann, Audi-Entwicklungschef Oliver Hoffmann und Formel-1-Chef Stefano Domenicali (v.l.).

Beste Laune in Spa: Fia-Präsident Mohammed Ben Sulayem, Audi-Vorstandsvorsitzender Markus Duesmann, Audi-Entwicklungschef Oliver Hoffmann und Formel-1-Chef Stefano Domenicali (v.l.).

(Foto: Getty Images)

Die Marke wolle ihre Erfolgsgeschichte im Motorsport fortschreiben, sagte der 53-Jährige, der als Entwicklungschef von 2007 bis Ende 2009 selbst Formel-1-Erfahrungen im BMW-Sauber-Team gesammelt hat: "Ich denke, angesichts der neuen Regeln ist nun die perfekte Zeit, um in die Formel 1 einzusteigen." Damit hatte die Rennserie überhaupt erst die Voraussetzungen für einen Einstieg weiterer Marken geschaffen: Am 16. August hatte die Fia ein ab 2026 geltendes Motoren-Reglement verabschiedet - mit dem Ansinnen, Neueinsteigern eine bequeme Einstiegsluke zu öffnen. Audi wie Porsche hatten das zur Bedingung für ihren Aufschlag in der Königsklasse gemacht, das Anfang April vom VW-Aufsichtsrat gegebene Go war daran gekoppelt. Die Reaktion folgte, wie die SZ bereits berichtete, nun wenige Tage später.

Die Diskussionen um die geplanten Änderungen hatten sich lange gezogen. Die bereits etablierten Hersteller hatten ihren Vorsprung an Erfahrung nicht einfach herschenken wollen. Die Beteiligten einigten sich dann auf einen bereits ab 2023 geltenden Kostendeckel für die Motorenentwicklung, der teure und komplizierte Rückgewinnungsgenerator MGU-H fällt weg, was Neuankömmlingen viel Entwicklungsarbeit erspart. Das Grundkonzept des Motors bleibt bestehen, der Anteil der elektrischen Energie soll aber deutlich auf etwa die Hälfte erhöht werden - das passt Audi bestens ins Konzept. Zudem will die Formel 1 ab 2026 mit nachhaltigem Sprit fahren, was die Serie relevanter für die Serienproduktion macht. Diese Faktoren wie das Ziel der Rennserie, bis 2030 CO2-neutral zu sein, waren für Audi und Porsche letztlich entscheidend. Dass die Gesamt-Budgetgrenze ab 2023 pro Team auf 135 Millionen Dollar pro Saison festgelegt wurde, senkte die Hürde zusätzlich.

Der Plan lautet: Innerhalb der ersten drei Jahre wettbewerbsfähig sein

Ob in der Entwicklung eines komplett neuen Motors bis 2026 tatsächlich alles gelingt? "Es liegt eine Menge Druck auf uns. Wir müssen die Fabriken auf F1-Standard bringen, das braucht Zeit", sagte Duesmann. "Aber die Änderungen der Regeln sind groß genug, um einzusteigen und wettbewerbsfähig zu sein." Ein Senkrechtstart in der Premierensaison? Ideal, aber unrealistisch. Der Plan lautet: Innerhalb der ersten drei Jahre wettbewerbsfähig sein, sprich: um Siege fahren.

Dafür wird Audi erst einmal viel Geld ausgeben müssen. Wie viel, das wollte in Spa keiner verraten, immerhin: "Das sind ziemlich hohe Summen", sagte Duesmann. "Mit dieser Art von Investition musst du langfristig planen - und wir planen unsere Formel-1-Investition sehr langfristig." Die vier Ringe im Markenlogo könnten wohl mindestens verdoppelt werden, um auf die Anzahl der Nullen hinter jener Zahl zu kommen, die der Audi-Vorstandsvorsitzende dabei im Kopf gehabt haben dürfte. Dass sich das Engagement lohnen wird, davon ist Audi natürlich überzeugt und tritt finanziell ohne Zwänge an, behauptete Duesmann: "Geld zu verdienen ist immer gut, aber wir müssen es nicht."

Fia-Präsident Ben Sulayem beschrieb sich in Spa als begeisterten Ringe-Piloten - früher fuhr er im Audi Rallye - und sprach von einem "Meilenstein" für die Formel 1. Deren Chef Domenicali, der schon für den VW-Konzern gearbeitet hat, sah das wenig überraschend ähnlich. Gemeinsam mit den Audi-Vorständen gingen Ben Sulayem und Domenicali nach der Pressekonferenz in die Boxengasse und enthüllten einen in Rot, Schwarz und Silber lackierten Boliden mit dem Logo des neuen Familienmitglieds. Was für Audi zum großen Glück in naher Zukunft noch dazugehört? "Wir hoffen, wir werden einen deutschen Fahrer und ein deutsches Rennen haben", sagte Markus Duesmann. Zur Sicherheit schaltete Audi per Twitter schon mal eine Stellenanzeige.

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