Sieben Kurven der Formel 1:Weltmeister im Kokettieren

Hamilton pokert um seinen Vertrag. Vettel liegt ganz vorn: in der Kollisions-Wertung. Und Hülkenberg rauscht beim letzten Rennen seiner Karriere beinahe erstmals aufs Podium. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer

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Lewis Hamilton

F1 Grand Prix of Abu Dhabi

Quelle: Getty Images

Der jetzt auch offiziell sechsfache Champ kann noch so oft behaupten, dass ihm die Bestmarken von Michael Schumacher, 91 Siege und sieben Titel, egal sind. Egal war ihm nur sein 250. Grand Prix, den er in Abu Dhabi gefahren ist - er wollte dafür nicht gefeiert werden, weil er sich sonst alt gefühlt hätte. Hamilton, 34, ist ein permanenter Positiv-Denker, und was könnte es Positiveres geben als der Rekordmann seiner Sportart zu werden? Fährt er weiterhin so beherrscht wie in dieser Saison, wo er sich nur einen Fehler leistete, als schon alles gelaufen war, ist das keineswegs höhere Mathematik.

Auch im Kokettieren ist der unterhaltsamste Mann der Formel 1 weltmeisterlich, sein Jubiläumsrennen waren mehr ein Einzelzeitfahren über 55 Runden: Pole-Position, Streckenrekord, Start-Ziel-Sieg, schnellste Rennrunde. Besser geht es nicht. "Du musstest nicht mal schwitzen", lobte die Box. Da hat er dann aber doch protestiert. Das hat er nun davon, dass bei ihm immer alles so leicht aussieht, obwohl der Titelgewinn über die Saison hinweg mehrfach in Gefahr war. Elf Rennen in diesem Jahr gewonnen, mit 413 WM-Zählern seinen eigenen Punkterekord übertroffen. Und dann auch noch Komplimente von Ferrari, die darauf abzielen, ihn nach der nächsten Saison im Siegerpfeil nach Maranello zu locken. Es soll schon Treffen mit den Präsidenten der italienischen Autodynastie gegeben haben. Vielleicht auch, um sein Gehalt über die 50-Millionen-Grenze zu pokern: "Es fühlt sich fast so an, als ob ich diesen Vertrag erst vor Kurzem abgeschlossen hätte und jetzt muss ich schon über den nächsten reden..."

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Sebastian Vettel

F1 Grand Prix of Abu Dhabi

Quelle: Getty Images

Sebastian Vettel hat sich spät gefangen in diesem Jahr, und auf den Ehrentitel der BBC hätte er gut verzichten können. Einmal mehr haben die Briten, die ihn früher so machten, den Hessen in der Kollisions-Wertung ausgezeichnet, mit den Worten: "Er hat dabei Gold, Silber und Bronze gewonnen." In der Tat: ein mickriger Sieg, in Singapur, aber vier meist spektakuläre Unfälle, auch wenn die Berührung mit dem Teamkollegen Charles Leclerc eine eher leichte war, aber innenpolitisch weiter schwer wiegt. Fünfter im letzten Rennen, nach einer Strategie, die seine Scuderia schon am Samstag verbockt hatte, Fünfter in der WM-Gesamtwertung. "Das Rennen war ein bisschen sinnbildlich für die Saison", befand der 32-Jährige, "aber es war nicht so schlecht, wie es aussieht, denn es gab viele Kleinigkeiten, die am Ende wahrscheinlich das große Bild beeinträchtigt haben."

Trotzdem: ein Rückschritt, ein Rückschlag mit einem Auto, mit dem er sich nie anfreunden konnte. Eine Chance, endlich Weltmeister in Rot zu werden, hat er noch. Vorzeitig aufzuhören hat er in dieser Woche ausgeschlossen, vielleicht sogar weiterzumachen, auch an anderer Stelle, hingegen nicht: "Ich habe nicht vor, in absehbarer Zeit zurückzutreten. Mir macht das Rennfahren sehr viel Spaß." Nur alles andere in diesem Jahr eben nicht so sehr: "Ich muss es besser machen, ich kann es besser machen. Es war kein tolles Jahr von meiner Seite, aber ich lasse mich nicht unterkriegen." Vettels Zusatzmotivation stammt aus dem ihm heiligen Privatleben, kurz vor dem Finale wurde er zum dritten Mal Vater, er wolle das als "Boost" nutzen. Der dpa sagte er auf die Frage, wofür es höchste Zeit bei ihm werde: "Mit Ferrari zu gewinnen."

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Charles Leclerc

F1 Grand Prix of Abu Dhabi

Quelle: Getty Images

Der Aufsteiger des Jahres bekam zum Schluss sogar noch die Milde der Rennkommissare zu spüren. Er durfte seinen dritten Platz behalten, obwohl im Tank viel zu viel Sprit war. Leclerc darf zufrieden sein: Mit 22 sich gleich im ersten Jahr bei Ferrari zu etablieren, mit sieben Pole-Positionen der beste Fahrer überhaupt in der Qualifikation zu sein, zweimal zu gewinnen, davon einmal in Monza. Es gibt Alphatiere, denen sieht man es nicht sofort an, welch machtvoller Drang in ihnen wohnt. Charles Leclerc erscheint freundlicher als der nur schlecht getarnte Renn-Rüpel Max Verstappen, außerhalb des Cockpits oft sogar zerbrechlich. Aber der Monegasse ist vielleicht sogar noch einen Tick härter als alle Rivalen.

Gnadenlos hat er Sebastian Vettel den Schneid abgekauft. Auch der Mann der Herzen ist er längst im Team. Aber er wird nach dem ganzen internen Hick-Hack auf einen konzentrierteren Vettel treffen. Die In-Team-Feindschaft geht in eine neue Runde. Freundlich lächelnd, selbstredend: "Ich bin extrem glücklich über dieses Jahr, mein Kindertraum ist war geworden. Ich habe eine Menge gelernt, dafür muss ich mich bei Sebastian bedanken." Der Satz des WM-Vierten war völlig ironiefrei gemeint, er zeigt tatsächlich, worin eine der größten Stärken des Junior-Piloten liegt: Im Renntempo zu lernen. Die guten wie die schlechten Dinge.

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Max Verstappen

F1 Grand Prix of Abu Dhabi

Quelle: Getty Images

Zweiter werden im letzten Rennen und damit erneut Dritter insgesamt, das ist dem Niederländer als Kommentar immerhin zwei Emojis wert: den angespannten Bizeps und die gestreckte Faust. Im Frühsommer war der Niederländer schon drauf und dran, noch weiter nach oben zu rücken, dann kam ein Sommerloch. Das hat der Motorenlieferant Honda aber längst überwunden, plötzlich ist die japanische Power auf Mercedes-Niveau, und Red Bull Racing samt seines Parade-Zöglings mindestens so gut wie Ferrari, eher schon besser - wie in Abu Dhabi zu besichtigen war.

Max Verstappens Leistungen sind in dieser Saison erwachsener geworden, er hat die ersten beiden Pole-Positionen seiner Karriere eingefahren (er selbst rechnet eine dritte dazu, die ihm in Mexiko aber wegen Verkehrsgefährdung aberkannt wurde), dazu drei Siege. Honda hat bereits den Vertrag mit den Bullen bis Ende 2021 verlängert, als erster Hersteller, der sich damit zur nächsten Ära der Formel bekannt hat. Damit hofft der Dosen-Rennstall, auch Verstappen zum Bleiben bewegen zu können. Der 22-Jährige hat noch eine Saison die Chance, jüngster Weltmeister der Geschichte zu werden. "Wir werden noch stärker zurückkommen", sagte er zum Abschied in Abu Dhabi. Man muss es ihm glauben.

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Nico Hülkenberg

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Quelle: AP

Zwischenzeitlich lag er sogar auf Position vier, da würde doch nicht, in seinem 177. und vermutlich letztem Formel-1-Rennen der Traum vom allerersten Podium noch wahr werden? Wurde er nicht, in der allerletzten Runde wurde der Emmericher sogar noch aus den Punkten geworfen. Platz zwölf zum Abschied einer Karriere, die nie so richtig in Fahrt kam, wie sie hätte kommen können. Beinahe symptomatisch für den talentierten Racer, der immerhin vom Publikum zum Mann des Tages gewählt wurde. "Mir war schon klar, dass das am Ende dünn wird", bilanzierte er seine schwindenden Chancen - und meinte den Rennverlauf. Das hätte aber genauso gut auf seine Gesamtsituation gepasst.

Hülkenberg hat drei Jahre den Entwicklungshelfer für den immer noch schwächelnden Konzernrennstall Renault gespielt. Er hat ordentliche Arbeit abgeliefert, aber vielleicht auch seine eigene Karriere ramponiert. Jetzt wird der 32-Jährige gegen den zehn Jahre jüngeren Franzosen Esteban Ocon ausgetauscht. Für Hinterbänkler-Jobs war er sich zu schade, Tourenwagen und IndyCars liegen ihm nicht so richtig, vor sich sieht er jetzt "ein leere Straße." Damit ist Sebastian Vettel künftig der einzige Deutsche im Feld, diese Einsamkeit gab es zuletzt in der Saison 1981. Zu Hülkenbergs Abschied hatten sich alle Renault-Mitarbeiter Hülkenberg-Perücken übergestülpt, das hat den Mann dann doch gerührt und versöhnt.

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Toto Wolff

F1 Grand Prix of Abu Dhabi - Previews

Quelle: Getty Images

Ein einziges Rennen in seinen sieben über erfolgreichen Jahren bei Mercedes hat er gefehlt, das war zuletzt in Brasilien, und prompt ging die Sache schief. Es sollte ein "persönliches Experiment" sein für Wolff, um zu sehen, ob er das aushält. In Abu Dhabi stand der Teamchef, Teammitbesitzer und Motorsportbeauftragte des Hauses ausnahmsweise beim Boxenstopp nicht an seinem Stehtisch in der Garage, sondern war mit den Vorständen des Hauses an die Grenzlinie zur Boxengasse getreten, um hautnah mitzuerleben, mit welcher Verve auch das sechste Double gesichert werden konnte.

Der Österreicher, Vertreter einer ganz neuen Generation von Rennstallchefs, gibt den Einzelgänger ebenso überzeugend wie den Teamplayer, das ist das Erfolgsgeheimnis, dass er auf 1500 Mitarbeiter überträgt. Ob der höchst dotierte Angestellte des Ensembles, Lewis Hamilton, wie geplant nach 2020 in Silber weiter fährt, hängt nicht zuletzt von Wolffs Entscheidung ab. Der 47-Jährige wird immer wieder mit dem Chefsessel der Formel 1 in Verbindung gebracht, Hamilton aber schätzt die Beziehung zu seinem väterlichen Freund sehr. Wolff bestätigt, dass es "Diskussionen mit Lewis" auch über diesen Sachverhalt gäbe. "Es müssen noch viele Entscheidungen getroffen werden und wir werden über den Winter alles Weitere sehen", sagt er - auch zu der Frage, ob Mercedes nach dem Reglementwechsel überhaupt weiterhin ein Werksteam ins Rennen schicken will.

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Ferrari

F1 Grand Prix of Abu Dhabi

Quelle: Getty Images

Piero Ferrari, 74, war in die Wüste gereist, um sich mit eigenen Augen zu überzeugen, wie es um die Familienehre in der Formel 1 steht. Der Sohn des Firmen- und Rennstallgründers Enzo hatte befürchten müssen, als Schlichter bei einer neuerlichen Eskalation der In-Team-Feindschaft zwischen Sebastian Vettel und Charles Leclerc herzuhalten. Aber es sollte, typisch für diese dunkelrote Saison, noch schlimmer kommen. Vettel crashte sein Auto am Freitag und drehte sich am Samstag auf der Startgeraden, die Strategen verbosselten das Timing in der Qualifikation, so dass Charles Leclerc um eine schnellste Runde gebracht wurde, und dann waren auch vor dem Rennen noch 4,88 Kilogramm Sprit zuviel im Tank. Dafür hätte Leclerc disqualifiziert werden können, aber das Team kam mit 50 000 Euro Geldstrafe davon.

Das klingt alles nach Chaos? Es handelt sich aber nur um ein eher typisches Rennwochenende in der Ferrari-Saison 2019. Gewiss, da war das Spätsommerhoch, mit zwei Siegen von Leclerc und einem von Vettel. Aber da waren auch die vielen Unzulänglichkeiten, Pannen, der Frust, das aus dem Ruder gelaufene Generationenduell der Chauffeure. "Es war eine intensive Saison", sagt Scuderia-Chef Mattia Binotto nach seinem ersten Jahr auf dem Posten. Der Mann trägt stolz seine rote Uniform, aber am liebsten malt er die Rennwelt rosa.

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