Football-Spieler Tim Tebow:Quarterback zum Niederknien

Religiöse Predigten unter den Augen, ein Wurfarm wie eine Schrotflinte - und eine Pose, die Promis wie Justin Bieber und Lady Gaga nachahmen: Der streng gläubige Tim Tebow führt die Denver Broncos durch die NFL-Play-offs. Am Samstag muss er gegen seinen Entdecker antreten.

Jürgen Schmieder

Lindsey Vonn macht mit, Justin Bieber auch, Lady Gaga sowieso. Wer als Promi zur Avantgarde gehören möchte, der muss sich derzeit in einer Pose ablichten lassen, die mit dem Begriff "Tebowing" umschrieben wird: rechtes Knie auf den Boden, rechter Ellenbogen auf das Knie, Kopf abstützen auf der Faust.

Denver Broncos quarterback Tim Tebow prays after the Broncos defeated the Pittsburgh Steelers in overtime in the NFL AFC wildcard playoff football game in Denver

"Tebowing": Tim Tebow kniet nach dem Spiel gegen die Pittsburgh Steelers an der Seitenlinie und betet.

(Foto: REUTERS)

Die Pose ist eine Variante der Plastik Der Denker von Auguste Rodin, aus Te-Bowing ("bow" bedeutet "sich verbeugen") ist längst ein Appellativ geworden. Auslöser dafür ist der Football-Profi Tim Tebow, Spielmacher der Denver Broncos und laut einer Studie des Fernsehsenders ESPN derzeit beliebtester Sportler der USA.

Am vergangenen Wochenende gewannen die Broncos in der ersten Playoff-Runde der National Football League (NFL) gegen die Pittsburgh Steelers und spielen nun am Samstag im Viertelfinale gegen die New England Patriots. Beim ersten Spielzug der Verlängerung warf Tebow einen 80-Yard-Touchdown-Pass. Danach kniete er nieder und betete.

Er ist ein ungewöhnlicher Spielmacher, dieser Tim Tebow. Mit einer Größe von 1,91 Metern und einer Wucht von 105 Kilogramm gilt er als perfekter Athlet, der um gegnerische Verteidiger ebenso herumlaufen kann wie einfach über sie hinweg. Mehr als 47 Yards Raumgewinn pro Spiel erzielte er in der Punkterunde, für einen Quarterback ein außergewöhnlich hoher Wert.

Sein Wurfarm dagegen wird gerne mit einer Schrotflinte verglichen: An schlechten Tagen fliegen die Bälle zum Gegner oder auf die Tribüne, im letzten Punktspiel etwa schaffte er nur 60 Yards Raumgewinn durch Pässe. An guten Tagen dagegen landet fast jeder Wurf in den Armen eines Mitspielers: Gegen die Steelers warf Tebow 316 Yards und zwei Touchdowns, dazu lief er ein Mal bis in die Endzone. "Damit hat er gezeigt, dass er ein NFL-Quarterback ist", sagte Demarius Thomas, der den entscheidenden Pass gefangen hatte.

Tebow gilt als Spezialist für knifflige Situationen. Gegen Miami schaffte er beim Stand von 0:15 in weniger als drei Minuten zwei Touchdown-Pässe, Denver gewann nach Verlängerung. Weitere vier Mal siegten die Broncos durch Punkte in der letzten Angriffsserie.

Tebow trifft seinen Entdecker

Diese Fähigkeit wird in Denver besonders gewürdigt, schließlich war das die Spezialität von John Elway, jenem Spielmacher, der den Klub zu seinen einzigen NFL-Titeln geführt hat (1998/1999). Elway ist heute Vizepräsident der Broncos - und Anhänger von Tebow: "Er kann laufen, er kann passen, er kann Mitspieler führen und sie positiv beeinflussen."

Florida International v Florida

Religiöse Botschaften im Gesicht: Tim Tebow schrieb sich während seiner Zeit bei den Florida Gators Bibelverse unter die Augen.

(Foto: AFP)

Der 24 Jahre alte Tebow ist nicht nur aufgrund seiner Spielweise populär, sondern auch wegen seines Glaubens. Religiöse Bekundungen sind im amerikanischen Sport nicht ungewöhnlich, Athleten danken in Interviews gemeinhin zunächst Gott, ehe sie sich selbst preisen. Tebow indes geht noch weiter, die Momente nach dem Sieg gegen Pittsburgh etwa beschrieb er so: "Zuerst habe ich Gott gedankt. Dann habe ich gejubelt, danach habe ich mich hingekniet und habe dem Herrn erneut gedankt."

Tebow wurde als jüngstes von fünf Kindern auf den Philippinen geboren, als seine Eltern dort als Missionare tätig waren. Er ging nicht zur Schule, sondern wurde von seiner Mutter unterrichtet. An der University of Florida wurde er bekannt, weil er während der Spiele predigte: Footballspieler malen sich schwarze Striche unter die Augen, um nicht geblendet zu werden, Tebow garnierte die Striche mit Hinweisen auf Bibelzitate.

Beim Endspiel im Jahr 2009 etwa stand unter seinen Augen "John 3:16" - bei Google suchten nach der Partie 92 Millionen Menschen nach diesem Begriff, die Zeitschrift Sports Illustrated widmete Tebow eine Titelgeschichte. Überschrift: "Der Auserwählte".

Seit zwei Jahren ist Tebow nun Profi, Stammspieler wurde er erst in dieser Saison, nachdem die Broncos vier der ersten fünf Partien verloren hatten. Mit Tebow als Spielmacher schafften die Broncos sieben Siege in elf Partien, den Einzug in die K.o.-Runde und den Erfolg über die Steelers. "Viele Menschen haben gedacht, dass wir nicht in die Playoffs gehören", sagte Tebow, "doch wir haben an uns geglaubt - und wir glauben, dass es noch weitergehen kann."

Tebows Werdegang wird gerne als Stoff für einen Hollywood-Film gesehen. Dazu passt, dass er am Samstag gegen seinen Entdecker antreten muss. Der Trainer Josh McDaniels hatte ihn einst gegen viele Widerstände nach Denver geholt, mittlerweile koordiniert McDaniels die Offensive der New England Patriots. Der Gläubige trifft also auf den, der an ihn geglaubt hat. Wie auch immer die Partie ausgehen mag: Am Ende wird Tim Tebow an der Seitenlinie niederknien und beten.

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