100. Saison in der NFL:Der einzige Deutsche überzeugt zum Auftakt

September 8 2019 Tampa Florida USA Tampa Bay Buccaneers running back Ronald Jones 27 gets st

Der Deutsche Mark Nzeocha (53) stoppt Tampa Bays Running Back Ronald Jones (27).

(Foto: imago images / ZUMA Press)
  • Die NFL startete am vergangenen Wochenende in ihre 100. Saison.
  • Die Jubiläumsspielzeit feiert die Liga jede Woche mit einem "Game of the Week".
  • Was sonst so los ist in der umsatzstärksten Liga der Welt? Alle Fragen und Antworten zur neuen Saison gibt es hier.

Von Fabian Dilger

Im August 1920 wurde sie unter dem Namen American Football Professional Conference in einem Autohaus gegründet, heute ist sie die umsatzstärkste Liga der Welt: Die National Football League (NFL) startete am vergangenen Wochenende in ihre 100. Saison. Die wichtigsten Fragen und Antworten auf einen Blick.

Bei Hundertjährigen darf man das fragen: Wie hat sich die NFL gehalten?

Sehr gut, sie kann nicht klagen, siehe "umsatzstärkste Liga der Welt". Die NFL hat Football zu "America's Game" gemacht und ist wahrscheinlich der größte Sportzirkus der Welt. Und auch was das Sportliche angeht, ist die NFL ziemlich attraktiv. "Die letzte Saison von den 15, die ich verfolgt habe, war sicherlich die beste und aufregendste", sagt zum Beispiel Thomas Psaier. Der 31-jährige Südtiroler analysiert die NFL auf seinem Blog "Sidelinereporter". Für Football gilt das, was man auch in anderen Sportarten sieht: Die Spieler werden athletischer, die Sportwissenschaften ausgefeilter und die materiellen Ressourcen größer. Außerdem gibt es in der NFL seit Jahren den Trend, dass die Offensive durch Regeländerungen begünstigt wird. Gleichzeitig beginnen Teams immer mehr damit, Statistiken und Datenanalysen in ihren Entscheidungen miteinzubeziehen. Das führt weg vom durchgeknüppelten Laufspiel hin zu Spektakeln im Passspiel.

Sind eigentlich irgendwelche besonderen Feierlichkeiten geplant?

Die NFL ist ganz groß im Zelebrieren, also hat man sich Folgendes ausgedacht: Wir feiern einfach jede Woche. Deswegen wird eine Begegnung pro Spieltag als "NFL 100 Game of the Week" tituliert. Da geht es dann um alte Rivalitäten, epische Schlachten in der Vergangenheit oder sonstige Kriterien, die man zur Not irgendwie hinbiegen kann. Außerdem wird das beste Team aus 100 Jahren von einem erlesenen Expertenkreis zusammengestellt. Und beim Super Bowl wird sich die Liga bestimmt nicht lumpen lassen und schweres Partygeschütz auffahren. Es ist aber noch nicht bekannt, was genau.

Ah ja, Super Bowl: Wer gewinnt denn die Jubiläums-Meisterschaft?

Wie immer schwierig zu sagen. Die NFL ist aufgrund ihrer Regeln (Gehaltsobergrenze, die schlechten Teams bekommen die besten Talente vom College) per se ziemlich ausgeglichen. Eigentlich. Die New England Patriots um Quarterback Tom Brady ignorieren diese Ausgeglichenheit jedoch beständig. Fünf Mal standen die Patriots in den vergangenen acht Jahren im Finale. "Die erste Wettregel lautet, nicht gegen die Patriots zu tippen", sagt Psaier. Für ihn ist das mögliche Finale Philadelphia Eagles gegen Patriots - aber mit dem besseren Ende für die Eagles. "Der Kader ist noch besser und kompletter besetzt als vor zwei Jahren", sagt Psaier, und damals wurden die Eagles immerhin Meister.

Und wer kriegt so richtig auf den Deckel?

Na ja, zumindest weiß man, wer gerne Letzter werden würde. Die Miami Dolphins starten die Saison unter dem Motto "Tanking für Tua". Als Letzter könnte sich Miami im kommenden Sommer das Supertalent Tua Tagovailoa sichern, der im Moment noch auf dem College Quarterback spielt. Offiziell sagt das niemand, aber die Dolphins haben alle ihre guten Spieler im Austausch für weitere Draftpicks hergegeben. "Ich persönlich finde es gut. Die Dolphins sind ein Team, das seit 15 Jahren immer im Mittelfeld war, nie relevant", sagt Psaier. Mit der neuen Strategie, so schmerzhaft sie zuerst ist, winkt eine bessere Zukunft.

Falls man leicht voyeuristisch veranlagt ist: Welches Team sollte man verfolgen?

Die Oakland Raiders böten sich an. Ein Spieler hat diesen Sommer zumindest schon sehr viel Stoff zur Aufregung produziert. Eigentlich sollte Antonio Brown, einer der besten Wide Receiver der Liga, den Raiders weiterhelfen. Dann drohte ihm frühzeitig der Rausschmiss, nach einem Sommer voller Eskapaden: Brown holte sich Gefrierbrand an den Füßen in der Kältekammer, flog mit einem Heißluftballon zum ersten Training ein, weigerte sich, sein mittlerweile verbotenes Helmmodell auszurangieren, und als Krönung drohte er dem Raiders-Manager im Training Prügel an. Der vorläufige Höhepunkt folgte am vergangenen Samstag: Das Team aus Kalifornien trennte sich von seinem exzentrischen Wide Receiver.

Die Raiders hatten Brown zuvor mit einer Strafe von 215 000 Dollar belegt und hätten ihm damit nicht mehr die garantierten 30 Millionen Dollar Gehalt zahlen müssen. Darauf erklärte dieser via ESPN, dass er "auf keinen Fall" für Oakland spielen werde. In einem Instagram-Post voller Pathos bat der 31-Jährige die Raiders um seine Entlassung. "Ich habe mein Leben lang daran gearbeitet, zu beweisen, dass das System zu blind dafür ist, Talent wie meines zu erkennen. Ich bin auf niemanden wütend, aber ich bitte um die Freiheit, um allen zu beweisen, dass sie falsch liegen." Diesem Wunsch kamen die Raiders nach.

Böse Fortsetzung im Fall Brown

Wie es mit Brown weitergeht?

Schon am Samstagabend landete er weich: beim Dauermeister New England. Das passt, einerseits. Andererseits: Brown als Mitspieler von Tom Brady? Wie lange wird das gutgehen? Die nächste bittere Fortsetzung folgte bereits am Mittwochmorgen: Vergewaltigungsvorwürfe. Seine frühere Fitnesstrainerin Britney Taylor beschuldigte den 31-Jährigen, sich in den beiden vergangenen Jahren insgesamt dreimal sexuell an ihr vergangen zu haben, und hat im US-Bundesstaat Florida Klage erhoben. Brown wies sämtliche Anschuldigungen durch seine Anwälte zurück. "Alle sexuellen Handlungen waren einvernehmlich", hieß es in einer Mitteilung. Die Patriots bestätigten die Kenntnisnahme der Vorwürfe. "Wir nehmen diese Vorwürfe sehr ernst. Unter keinen Umständen dulden wir sexuelle Gewalt", teilte das Team mit.

Wie legten die Teams los?

Oakland hat zum Start auch ohne Brown 24:16 bei den Denver Broncos gewonnen - die Patriots siegten standesgemäß 33:3 in Pittsburgh. Stark gestartet sind auch die San Francisco 49ers mit dem einzigen aktiven Deutschen in der NFL: Mark Nzeocha. Der half beim Auftaktsieg seiner 49ers tatkräftig mit. Nach 90 Sekunden blockte er den Schuss von Buccaneers-Punter Bradley Pinion und ermöglichte seinem Team den Ballgewinn nahe der gegnerischen Endzone. Kurz vor Ende der ersten Hälfte fing Nzeocha zudem einen Pass von Buccaneers-Quarterback Jameis Winston ab.

NFL: San Francisco 49ers at Tampa Bay Buccaneers

Mark Nzeocha (53) blockt einen Schuss von Tampa Bays Punter Bradley Pinion.

(Foto: USA TODAY Sports)

Und was war sonst noch so los in der Sommerpause?

Einer der Besten hört mit 29 auf. Aus heiterem Himmel. Weil sein Körper nicht mehr mitmacht. Der Kreislauf aus Verletzung, Schmerzen, Reha und neuer Verletzung sei ihm zu viel geworden, sagte Andrew Luck, Quarterback bei den Indianapolis Colts. Sportlich tragisch für sein Team, das ein Titelanwärter zu sein schien, menschlich eine Befreiung für den Spieler. Wer bei Lucks Abschieds-Pressekonferenz nicht ergriffen war, ist ein eiskalter Klotz. "Das war schon sehr überraschend, und auch die Reaktionen darauf fand ich unvorhergesehen", sagt Psaier und meint das positiv: Im Macho-Business Football gab es kaum Weichei-Rufe, sondern viel Unterstützung für Luck.

Geht alles jetzt so weiter in den kommenden 100 Jahren?

Vielleicht expandiert die NFL nach Europa. Gedankenspiele um ein Team in London gibt es immer wieder. Das scheint Psaier aber aufgrund der irrsinnigen Entfernungen nicht so realistisch. Während weltweit noch einiges an Entwicklungspotenzial für die NFL vorhanden ist, sieht Psaier in den Staaten selbst eine "Zeitbombe" für das Produkt schlummern: Die Spätfolgen des Football-Spiels, die aus den Zusammenstößen resultieren, wie etwa die Gehirnerkrankung CTE. "Die Mittelschicht in den USA sagt: Junge, du gehst nicht zum Football, da machst du dich kaputt." Wenn sich das so weiterziehe, "dann hat der Sport in 15 bis 20 Jahren wahrscheinlich Nachwuchsprobleme", sagt Psaier.

Zur SZ-Startseite
Eric Reid, Colin Kaepernick

Quarterback Colin Kaepernick
:Ein Scheck zur Versöhnung

Seine Proteste haben ihn berühmt gemacht: Nach der außergerichtlichen Einigung mit der Liga steht Quarterback Colin Kaepernick vor der Rückkehr in die NFL - womöglich als Ersatzmann.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: