"Football Leaks":Ronaldo droht ein "sehr ernstes Problem"

Jose Mourinho to leave Real Madrid

Einst Partner bei Real Madrid, jetzt Teil einer Untersuchung fragwürdiger Geldströme: José Mourinho (links) und Cristiano Ronaldo im Oktober 2011.

(Foto: Javier Lizon/dpa)

Mit einem Firmengeflecht in Irland und der Karibik soll der Fußballer Steuern in Millionenhöhe gespart haben. Politiker fordern Konsequenzen, doch die Deals waren womöglich legal - anders als beim Trainer José Mourinho.

Von Javier Cáceres, Barcelona

Die Affäre um das verästelte Firmengeflecht in Steuerparadiesen, durch das offenbar millionenschwere Werbeeinnahmen von Real Madrids Stürmer Cristiano Ronaldo geschleust wurden, nimmt Fahrt auf. Nach den Enthüllungen durch das internationale Medienkonsortium EIC, das vom deutschen Nachrichtenmagazin Der Spiegel angeführt wird, sind der designierte Weltfußballer des Jahres 2016 sowie weitere Klienten seines Managers Jorge Mendes am Wochenende massiv unter den Druck der spanischen Behörden und der Politik geraten.

Staatssekretär José Enrique Fernández de Moya sagte am Samstag im spanischen Rundfunksender Cope, das Finanzamt werde "alle Untersuchungen anstrengen, die es für angezeigt erachtet - wie könnte es anders sein". Die konservative Volkspartei PP, die den Regierungschef stellt, und die nationalliberale Ciudadanos-Partei fühlten sich gleichwohl bemüßigt, das Offensichtliche zu betonen: Sollte die Justiz zu dem Schluss kommen, dass ein Delikt vorliege, solle sie tätig werden, teilten sie mit.

Ein Finanzexperte der sozialistischen Partei im spanischen Parlament kündigte an, am Montag einen Antrag einzureichen: Er wolle den Leiter der Steuerbehörden, möglicherweise aber auch Finanzminister Cristóbal Montoro, nicht nur zu laufenden Untersuchungen befragen, sondern auch zu etwaigen "Verhandlungen" mit den Betroffenen. In Großbritannien forderte die Labour-Abgeordnete Meg Hillier ebenfalls eine Untersuchung. Ronaldo spielte vor seinem Wechsel 2009 zu Real Madrid bei Manchester United.

In der Affäre geht es um die Strukturen, die schillernde Stars der Fußballbranche wie Ronaldo oder sein früherer Trainer José Mourinho (heute bei Manchester United) offenkundig anlegen, um Steuern zu sparen - beispielsweise auf Werbeeinnahmen in Millionenhöhe. Einen Einblick in solche Praktiken erhielten der Spiegel und weitere Medien durch Dokumente, die ihnen von der anonym betriebenen Enthüllungsplattform "Football Leaks" zur Verfügung gestellt wurden.

Aus den Unterlagen gehe unter anderem hervor, dass Mourinho in seiner Zeit als Trainer von Real Madrid (2010 bis 2013) seine Werbeeinnahmen über Irland und die Britischen Jungferninseln bis nach Neuseeland geschleust haben soll. Dort war eine Treuhandgesellschaft angesiedelt, deren Begünstigte Mourinhos Ehefrau und ihre Kinder gewesen sein sollen. In Spanien soll Mourinho zunächst gar keine Steuern auf seine Werbeeinnahmen bezahlt haben; im Jahr 2015 habe ihn das spanische Finanzamt daher zu einer Nachzahlung von 2,1 Millionen Euro aufgefordert.

Am Samstag veröffentlichte sein Management "Gestifute" ein Zeugnis der Behörden, wonach Mourinho mit seinen steuerlichen Verpflichtungen in Spanien per 28. November 2016 "auf dem Laufenden" war. Ein gleichlautendes Dokument wurde auch für Ronaldo präsentiert. Doch bis endgültig geklärt ist, ob wirklich alles im Rahmen der Gesetze ablief, dürfte es noch dauern.

Es geht wohl um 150 Millionen Euro bei Cristiano Ronaldo?

Bei Ronaldo, 31, geht es um sehr viel höhere Einnahmen als bei Mourinho. Die Rede ist von etwa 150 Millionen Euro an Werbeeinnahmen, die durch Firmen in Irland und der Karibik geflossen und dann auf ein Schweizer Nummernkonto gewandert sein sollen. Angeblich soll Ronaldo auf diese 150 Millionen Euro 2015 den vergleichsweise geringen Betrag von 5,6 Millionen Euro an Steuern gezahlt haben - also circa vier Prozent.

Viele Profis in Spanien lagerten ihre Bildrechte an Firmen aus, um bloß Gewerbesteuer zu zahlen

Dass dies möglicherweise legal war, lag unter anderem an dem besonderen steuerrechtlichen Status, den Spieler wie Ronaldo lange Zeit in Spanien genossen. Um nichtspanische Top-Manager nach Spanien zu locken, hatte Spaniens Regierung unter dem Ministerpräsidenten José María Aznar (1996 bis 2004) ein Gesetz erlassen, das Führungskräften, die aus dem Ausland nach Spanien kamen, für einen Zeitraum von fünf Jahren einen Einkommenssteuersatz von 24 Prozenten versprach.

Allerdings erzielen Fußballer wie Ronaldo ihre Einnahmen nicht nur über ein Gehalt, sondern auch über Werbehonorare. Die Grundlage für diese Einnahmen - die Rechte am eigenen Bild - hatte Ronaldo schon vor seinem Wechsel nach Spanien an eine Firma verkauft, die im Ausland angesiedelt war - in Irland. Damit stand Ronaldo nicht allein: Viele Profis in Spanien lagerten ihre Bildrechte an Firmen aus, um bloß Körperschaftssteuer zu zahlen, die weit unter der Einkommenssteuer lag. Diese Praxis ist in den letzten Jahren von den Behörden aber zunehmend als bedenklich eingestuft worden. Vor allem die Profis von Real Madrid und dem FC Barcelona wurden systematisch von den Steuerbehörden ins Visier genommen.

Diverse Spieler zahlten diskret nach; Spieler mit Firmen im Ausland wurden genauer unter die Lupe genommen. Die argentinischen Nationalspieler vom FC Barcelona, Javier Mascherano und Lionel Messi, wurden zu Bußen und (nicht vollzogenen) Haftstrafen verurteilt - Messi sogar zu 21 Monaten.

Auch für Ronaldo sollen sich die spanischen Finanzbehörden interessiert haben, ab Dezember 2015, schreibt El Mundo. Dass er nun ausweislich des behördlichen Zeugnisses mit seinen Verpflichtungen "zum jetzigen Zeitpunkt auf dem Laufenden ist", könnte bedeuten, dass die Untersuchung andauert - oder dass sie ohne Konsequenzen oder mit einer freiwilligen Nachzahlung an die Steuerbehörden beigelegt wurde. Entscheidend für den weiteren Verlauf der Affäre ist allerdings, dass die Bestätigung, wonach Ronaldo mit seinen steuerlichen Verpflichtungen "à jour" ist, nur auf Grundlage der Daten gilt, die den spanischen Steuerbehörden zum Ausstellungsdatum vorlagen. Das war vor der Veröffentlichung der Details durch diverse europäische Medien.

Die Frage ist nun: Sind die Daten, die dem Spiegel zugespielt wurden, nur für die breite Öffentlichkeit neu - und für die spanischen Finanzbeamten alte Kamellen? Sollten diese bei der Lektüre der Dokumente über neue Informationen stolpern, sich gar von Ronaldo hintergangen fühlen, weil er nicht auch den letzten Winkel seines Firmenkonstrukts ausgeleuchtet hat, könnte es für den Portugiesen noch ungemütlich werden. Nach Angaben der Zeitung El Mundo warnte der spanische Steueranwalt Julio Senn eindringlich, dass das Firmengeflecht "ein sehr ernstes Problem" für den Spieler darstellen könne.

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