Football Leaks:Der Agent, der mit Handys jongliert

Jorge Mendes vertritt Fußball-Größen wie Ronaldo, Pepe oder Mourinho - sie alle nutzten die in Spanien umstrittenen Steuersparmodelle. Wird ihnen die "Mendes-Methode" zum Verhängnis?

Von Javier Cáceres, Barcelona

Ricardo Carvalho ist auch nicht mehr der Jüngste, die einstige Weltklasse-Defensivkraft ist nun schon 38 Jahre alt. Doch für Verteidigungssprints auf höchstem Niveau reicht es noch.

Am vergangenen Donnerstag rauschte der zurzeit vereinslose Europameister ins Gerichtsgebäude an der Plaza de Castilla in Madrid; es liegt nur einen Kilometer von seinem ehemaligen Arbeitsplatz entfernt, dem Bernabéu-Stadion von Real Madrid. Carvalho bat darum, von einem Richter gehört zu werden. Es gebe eine Sache, die er gern bereinigen wolle, sagte er sinngemäß. Denn ihm dräue, dass er möglicherweise Steuern hinterzogen haben könnte. So einfach liege die Sache nicht, habe der Richter geantwortet, allein deshalb, weil man so ganz ohne Akten nur schwerlich berechnen könne, wie viel Geld er denn wirklich schulden könnte. Doch Carvalho, ein Verteidiger von rustikaler Natur, hatte es eiliger als einst auf dem Rasen, einen Befreiungsschlag zu tätigen.

Sein Beistand habe überschlägig eine Summe errechnet, die er gern deponieren würde, soll Carvalho erklärt haben. Sozusagen als Anzahlung, beziehungsweise als Geste des Willens zur tätigen Buße - und auch in der mutmaßlich berechtigten Hoffnung, dass ihm das alles gegebenenfalls als mildernder Umstand ausgelegt werde. Gute Sache, fand der Richter, quittierte den Empfang des Geldes und verblieb, sich wieder melden zu wollen.

Interviews? Gibt er selten

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Lukrative Klienten: Jorge Mendes (Mitte) präsentiert sich mit seinen Starspielern James Rodríguez (li.) und Cristiano Ronaldo.

(Foto: Marca/imago)

Die Episode, von der die spanische Online-Zeitung El Confidencial unter Berufung auf Gerichtskreise berichtete, zeigt, wie groß die Nervosität in einem Kreis geworden ist, der schon seit geraumer Zeit weiß, dass er weltweit in die Schlagzeilen geraten würde: dem Kreis der Top-Klienten des Spieleragenten Jorge Mendes. Neben Carvalho gehören diesem Kreis auch dessen portugiesische Landesleute Cristiano Ronaldo, Pepe oder Fábio Coentrão (alle Real Madrid) an, ebenso ihr ehemaliger Trainer José Mourinho. Seit den Enthüllungen durch das Medienkonsortium EIC, dem in Deutschland das Magazin Der Spiegel angehört, wehren sie sich gegen Vorwürfe, die Steuerbehörden Spaniens mit ein paar Übersteigern zu viel verwirrt zu haben. Und Mendes, 5o, spielt dabei eine besondere Rolle.

"Der Urheber des Plans, die Steuerbehörden zu umgehen", nennt ihn die spanische Zeitung El Mundo, die zu EIC gehört - und schreibt von der "Mendes-Methode." Tatsächlich sticht ins Auge, dass dessen Klienten einen großen Teil ihrer Werbeeinnahmen durch Firmen schleusten, die in entlegenen Steuerparadiesen angesiedelt sind - möglicherweise floss das Geld so am spanischen Fiskus vorbei. Bei Ronaldo ist von Einnahmen in angeblich dreistelliger Millionen-Euro-Höhe die Rede, die über Gesellschaften in Irland abgewickelt worden sein sollen, die von Mendes kontrolliert werden. Und dann über eine Briefkastenfirma auf den British Virgin Islands auf ein Schweizer Nummernkonto wanderten. Völlig legal, wie Ronaldos Managementfirma beteuert. Doch vielleicht ist sich diese da eine Spur zu sicher.

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Berät in Wolverhampton Klub und Spieler: Jorge Mendes.

(Foto: imago/China Foto Press)

Man könne nur hoffen, dass die Steuerbehörden "Jorges Firmenstruktur in Irland nicht als notwendigen Helfer zur Steuervermeidung der Spieler ansehen", schrieb der Steueranwalt Julio Senn vor ein paar Monaten in einer Brand-Mail an den Steuerexperten Carlos Osorio, der wiederum Mendes beriet - zu einer Zeit, als die spanischen Steuerbehörden anfingen, möglichen Vergehen von Fußballprofis nachzusteigen. Und in Lionel Messi vom FC Barcelona ihr prominentestes Ziel fanden.

PR-Desaster gigantischen Ausmaßes

ATHLETIC BILBAO VS. ATLETICO MADRID

Auch den Transfer des Brasilianers Diego Costa von Atlético Madrid zum FC Chelsea fädelte der Spielvermittler Mendes mit ein.

(Foto: Miguel Tona/dpa)

In jedem Fall muss sich Mendes, der gern im hochseriösen, maßgeschneiderten Dreiteiler durch die Beletage der Fußballwelt flaniert, mit einem PR-Desaster gigantischen Ausmaßes beschäftigen - dem ersten seiner so atemberaubenden wie schillernden Karriere. Für Interviews steht er ausgesprochen selten zur Verfügung, seine Sache ist die Diskretion. In der Branche wird er dafür geschätzt. Sechs Mal wurde er bei einer Selbstbeweihräucherungs-Gala der Fußballszene als bester Manager des Jahres ausgezeichnet. Funktionäre wie Miguel Ángel Gil Marín von Atlético Madrid glauben, es sei "sehr nützlich für den Fußball, dass es Agenten wie Mendes" gebe, die, so ein Zufall aber auch, viele Geschäfte mit Atlético Madrid abwickeln. Sicher ist, dass sich Mendes für seine Spieler aufreibt: Der spanische Nationalstürmer Diego Costa hält ihn für "den Gott unter den Agenten".

In jedem Fall ist Mendes ein Mann, der heute vier Sprachen spricht und mit mindestens ebenso vielen Handys jongliert. Mendes stammt aus bescheidenen Verhältnissen. Als Zehnjähriger half er seiner Mutter, Basthüte und -körbe am Strand zu verkaufen; mittlerweile trägt er an seinen Handgelenken gern teuerste Statussymbole. Den Weg zum Luxus bahnte ihm die Nacht. Nachdem er eine Videothek leitete, eröffnete er im Norden Portugals eine Diskothek, in die der Torwart Nuno hineinstolperte; er ebnete Mendes den Weg in den Profifußball. Mendes vermittelte ihn 1997 an den Erstligisten Deportivo La Coruña. Nichts aber veränderte sein Leben so sehr wie Cristiano Ronaldo, den Mendes unter seine Fittiche nahm, als er bei Sporting Lissabon noch ein pubertierendes, 16-jähriges Versprechen war.

Auch Jorge Veiga, seinerzeit Manager von Superstars wie Zinédine Zidane oder Luis Figo, wollte Ronaldo für sein Portfolio gewinnen; Mendes aber überzeugte Dolores, Ronaldos Mutter. Wenig später, 2004, wechselte Ronaldo zu Manchester United, weitere fünf Jahre später zu Real Madrid. Das machte Mendes zu einem der einflussreichsten Fußball-Agenten der Welt, der Spieler wie Simão, Anderson, Deco, Di María, James Rodríguez oder zuletzt Renato Sanches (FC Bayern) zu Top-Adressen vermittelte. Mitunter half ihm Ronaldo bei der Akquise neuer Klienten - etwa im Falle von Bebé, der bei Manchester United floppte. Manchmal half auch eine kleine Aufmerksamkeit: Falcao schenkte Medes einen Porsche - daraufhin verließ der Stürmer seinen vorherigen Agenten und wechselte zu Mendes. Ob er das nun bereut? Auch Falcao ist nach Angaben von EIC ins Visier der spanischen Steuerbehörden geraten - wegen des "Mendes-Modells".

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