Football:Helden von der Supermarktkasse

Frankfurt Universe Ingolstadt Dukes GFL 1 Philipp Ponader Ingolstadt 6 wird von Nils Weisse U; Philipp Ponader Ingolstadt Dukes

Die Ingolstadt Dukes (hier mit Philipp Ponader/Nr. 6 gegen Frankfurt Universe) werden künftig nur noch in der Regionalliga antreten.

(Foto: Juergen Kessler/Kessler-Sportfoto/imago)

Die neu gegründete European League of Football will als Pendant zur NFL die besten Spieler des Kontinents anlocken. Die Ingolstadt Praetorians sind das bislang einzige bayerische Team - an dessen Beispiel sich zeigt, welche Probleme aufkommen, wenn ein Amateursport schlagartig professionalisiert werden soll.

Von Christoph Leischwitz

Der Ware Football könnte es in Deutschland in diesem Jahr so ergehen wie einer guten alten Gaststätte, die plötzlich ein hippes Restaurant als Nachbarn bekommt - und mit der modernen Konkurrenz nicht mehr mithalten kann. Die German Football League (GFL) jedenfalls kam zuletzt ein wenig altbacken daher, auch deshalb, weil immer dieselben Teams wie Schwäbisch Hall und Braunschweig das Finale ausspielten - und die anderen meist chancenlos waren. Dem deutschen Verband AFVD mit seinem Präsidenten Robert Huber wird vorgeworfen, den Football-Trend verschlafen zu haben und Vereinsmeierei zu betreiben. Er wird auch dafür verantwortlich gemacht, dass die Nationalmannschaft schon seit Jahren kein Spiel mehr bestritten hat, weil man mit anderen Verbänden zerstritten ist.

Es ist also kein Zufall, dass sich aus dem Kreis der größten Kritiker nun eine Abspaltung formiert hat, die sich einem international denkenden Franchise-Unternehmen anschließt, in dem man jeweils selbst ein Football-Franchise gründet: die European League of Football (ELF). Diese Liga besteht zurzeit vor allem aus deutschen Teams. Eines davon kommt aus Bayern: die Ingolstadt Praetorians.

Die Idee ist, nach der US-amerikanischen NFL, die im Winter spielt, im Sommer ein europäisches Äquivalent anzubieten

"Wir wollen den Sport auf vernünftige Beine stellen und ihm die Bühne geben, die er verdient hat", sagt Ramin Ghassemi. Er ist einer der neuen Gesellschafter der Praetorians, die sich formal erst noch gründen müssen. Man sei auch ein bisschen stolz, ganz Bayern vertreten zu dürfen, sagt der 41-Jährige. Das liegt auch ein wenig daran, dass beispielsweise die Munich Cowboys kein Interesse gezeigt haben, der ELF beizutreten. Mit dem Namen Praetorians, sagt Ghassemi, solle auf die römische Vergangenheit Ingolstadts angespielt werden. Er soll europaweit transportierbar, aber eben auch bayerisch sein.

Vieles steckt noch in den Anfängen, nachdem der deutsche Trainer und TV-Kommentator Patrick Esume Anfang November die Liga-Gründung bekanntgegeben hatte. Gespräche gab es aber schon sehr viel länger, sodass viele Fragen schon im Vorfeld geklärt waren. "Wir fühlen uns wie ein kleines, schmuckes Startup", sagt Ghassemi. Er selbst ist für den Bereich Marketing zuständig. Wie der Geschäftsführer der neuen Liga, Zeljko Karajica, deutet er zumindest schon an, dass man die ELF finanziell wohl auch auf deutlich festere Beine stellen könne als die deutsche Liga.

Die Idee ist, nach dem Vorbild der US-amerikanischen NFL, die im Winter spielt, im Sommer ein europäisches Äquivalent anzubieten - im kommenden Juni soll es losgehen. Esume sagt, die Helden dieser Liga sollen "local heros" sein - Typen, die am Wochenende drei Touchdowns fangen und am Montag wieder an der Supermarktkasse stehen. Oder, wie im Falle der bayerischen Praetorians: die ein paar Tage später wieder neben einem im Biergarten sitzen.

Die Liga soll irgendwann aus 24 Franchise-Teams bestehen, momentan sind es acht. Zuletzt wurde bekannt, dass neben einem polnischen Team auch eines aus Barcelona einsteigt. Die Praetorians werden also weit reisen müssen, auch wenn erst einmal, wie in der NFL, Aufteilungen in Divisionen vorgesehen sind. Die mit Abstand kürzeste Auswärtsfahrt wird jene nach Stuttgart sein.

Die neue Liga wird erst einmal von den alten Strukturen profitieren

Esume findet, eine europäische Liga interessiere einfach mehr Menschen als eine nationale, die Fans würden die besten der Besten sehen wollen. Ghassemi sagt, Ingolstadt gehe davon aus, mehr Zuschauer begrüßen zu können als zuvor in der Bundesliga. Für die Liga soll es übertragende Streaming-Plattformen und auch einen TV-Vertrag geben, in Deutschland dem Vernehmen nach mit einem Sender aus der Gruppe von ProSiebenSat1, wo Esume kommentiert und Karajica einst die NFL-Rechte kaufte.

Wenn ein modernes, profitorientiertes Unternehmen in der Nachbarschaft einer Traditionsfirma entsteht, dann ist der Kampf um Kundschaft nicht das einzige Problem. Gekämpft wird auch um die Belegschaft. In Ingolstadt lässt sich gut zeigen, welche Reibungspunkte entstehen, wenn eine Amateursportart schlagartig professionalisiert werden soll. Sicher ist, dass der bisherige Bundesligist Ingolstadt Dukes seine wichtigsten Leute verloren hat, zum Beispiel den Cheftrainer Eugen Haaf oder seinen ehemaligen Spieler und Co-Trainer Ghassemi. Die verbliebenen Herzöge wollen in der kommenden Saison übrigens nur noch für die Regionalliga melden. Das ist vermutlich angemessen.

Um ein Praetorian zu sein - übersetzt: um zu einer Leibgarde zu gehören - muss ein Spieler irgendwo ausgebildet worden sein. Sobald es die Pandemie zulässt, sollen daher in Ingolstadt die so genannten Tryouts stattfinden, Sichtungstrainings. Es ist davon auszugehen, dass die besten Dukes zu Praetorians werden, schon allein wegen der wohl etwas höheren Entlohnung, die dort lockt. Und weil die Praetorians wahrscheinlich das einzige bayerische Team in der ELF sein werden, wird sich die Sichtung auf ganz Bayern ausweiten. Mit anderen Worten: Die neue Liga würde dann erst einmal von den alten Strukturen profitieren.

Zudem ist das Praetorians-Team darauf angewiesen, wie die Dukes im alten Ingolstädter ESV-Stadion zu spielen und deren Trainingsstätten zu nutzen. Hinter vorgehaltener Hand ist aber schon zu hören, dass die Praetorians eines Tages dort spielen sollen, wo auch die Ingolstädter Fußballprofis spielen. Es wird eben sehr groß gedacht, wenn es um die neue Liga geht.

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