Süddeutsche Zeitung

Football:Hausgemachter Erfolg

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Die Kirchdorf Wildcats haben sich mit ungewöhnlichen Mitteln in der Deutschen Football-Liga etabliert.

Von Christoph Leischwitz

Die Erstliga-Footballer der Kirchdorf Wildcats hatten soeben 13:12 bei den Munich Cowboys gewonnen, da wählte Präsident Hans-Peter Klein ganz große Worte. "Von diesem Sieg haben viele geträumt. Heute ist er wahr geworden", sagte er: "Kirchdorf gegen Landeshauptstadt. Land gegen Stadt. Niederbayern gegen Oberbayern. Das werden wir heute feiern."

Für alle jene, die "von Anfang an dabei waren", also seit 30 Jahren, könne dieser Sieg beim Münchner Traditionsklub gar nicht hoch genug eingestuft werden. Eine große Überraschung war der Sieg zu diesem Zeitpunkt schon gar nicht mehr, die Wildcats standen in der Tabelle schon davor besser da. Jetzt aber hat sich der Aufsteiger fast schon etabliert in der Liga, für den Klassenverbleib fehlt nur noch ein Sieg aus den verbleibenden fünf Spielen, schätzt Klein. Abstiegssorgen haben jetzt eher die Cowboys aus der Großstadt.

Das Besondere an den Wildcats ist, das zeigte am Wochenende auch die bayerische Meisterschaft der U19, dass der Erfolg hausgemacht ist. Das ist im deutschen Football alles andere als selbstverständlich. Die meisten Vereine verpflichten einen starken Quarterback und einen guten Passempfänger aus den USA, dazu vielleicht noch einen Abwehrchef aus Übersee, und der Rest des oft 50-köpfigen Kaders ist dann oft nur mehr oder weniger starkes Beiwerk. Am Samstag in München aber wurde von den rund 200 mitgereisten Kirchdorf-Fans am Ende immer wieder ein sehr deutscher Name gerufen, den von den rund 1700 Fans auf der gegenüberliegenden Haupttribüne kaum jemand kannte: "Schmidtke Tom, Schmidtke Tom!"

Der Quarterback der Wildcats hatte zwar auch Fehler gemacht, er sagte später, mit seiner Interception (abgefangener Pass) und seinem Fumble (verloren gegangener Ball) habe er eigentlich "zwei Mal das Spiel verloren", denn die Cowboys nutzten beide Fehler für Touchdowns. Doch Schmidtke warf eben sieben Sekunden vor Schluss auch einen entscheidenden Pass, der seiner Mannschaft ein einfaches Field Goal zum Sieg ermöglichte. "Er ist ein Publikumsliebling", sagt Klein.

Die Wildcats gewinnen entgegen allen ungeschriebenen Regeln der Deutschen Football-Liga. Bei den meisten anderen Teams erscheint es unmöglich, mit einem Ersatz-Quarterback erfolgreich zu sein. Schmidtke ist aber genau das, und das als extrem später Seiteneinsteiger. "Ich hab' mein ganzes Leben Handball gespielt", sagt er, 25 Jahre lang, beim TSV Simbach. Dann holten Freunde den mittlerweile 38-Jährigen zum Football. Wenn Schmidtke wirft, ist ihm die Handball-Vergangenheit anzusehen. Präsident Klein erzählt, von Football-Puristen bekomme man bisweilen zu hören, dass das ja nicht mitanzusehen sei. Eigentlich hatte Schmidtke seine kurze Karriere auch schon wieder beendet. Doch sie reaktivierten ihn, weil Quarterback Cameron Birse zum ersten Spieltag noch nicht angereist war - der US-Amerikaner fehlt zurzeit wegen einer Gehirnerschütterung. Ganz zufrieden ist man mit der Leistung von Birse aber ohnehin nicht, lässt Klein durchscheinen.

Wie immer Plan B auszusehen hat, er geht oft auf bei den Kirchdorfern. "Die Jungs spielen intelligent, das System greift", sagt Klein. Auf dem Papier ist die viel gelobte Defensive mit den drittwenigsten Gegenpunkten der Südstaffel (Frankfurt und Schwäbisch Hall gelten sowieso als Teams aus einer anderen Welt) deshalb so stark, weil sie einige erfahrene Spieler in ihren Reihen hat, unter anderem vom österreichischen Spitzenteam in Innsbruck.

Zweitens verantwortet in Florian Berrenberg eine der wenigen Football-Koryphäen in Deutschland diese Abwehr. Nur: "Er ist oft gar nicht da", sagt Klein über den Lehrer und Football-Kommentator. Es sei zwar immer wertvoll, wenn Berrenberg an der Seitenlinie stehe, er sehe immer noch Dinge, die sonst kein anderer sieht. "Aber Tobias Kohler rückt nach, er füllt die Lücken", sagt Klein über den neuen Trainer für die Defensivabteilung.

Kirchdorf ist mittlerweile schwer zu schlagen. Denn Lücken gibt es nicht viele.

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Quelle:
SZ vom 26.07.2018
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