Flügelflitzer: Fußballerfrisuren:Mütter zittern vor Kuranyi

Der Schalker Stürmer droht, sich eine Glatze schneiden zu lassen. Gemach, gemach, Kevin! Fußballer mussten sich für Frisur-Verfehlungen schon entschuldigen.

Thomas Hummel

Trainer Daniel Passarella hatte klare Vorstellungen vom Aussehen eines Fußballspielers. Er forderte einen akkuraten Kurzhaarschnitt sowie ohne Firlefanz respektive Ringe verzierte Ohren. Schließlich dulde er "keine Homosexuellen" und "keine Frauen im Team". Recht so, raunten Huldiger proletarischer Männlichkeit - die Zopfträger und Schmuckliebhaber sollen zum Ballett gehen! Nun erhob der argentinische Nationaltrainer Passarella seine durchaus traditionalistischen Ansprüche nicht etwa in den moralbelasteten sechziger Jahren. Sondern 1995. In dem südamerikanischen Land folgte eine Kulturdebatte.

Flügelflitzer: Fußballerfrisuren: Glückwunsch zur neuen Frisur: Marcelo Bordon (links) gefällt offensichtlich, was Kollege Kevin Kuranyi auf dem Kopf trägt.

Glückwunsch zur neuen Frisur: Marcelo Bordon (links) gefällt offensichtlich, was Kollege Kevin Kuranyi auf dem Kopf trägt.

(Foto: Foto: AP)

Felix Magath, der schlaue Felix Magath, wirkt da wesentlich subtiler. Auch der Schalke-Trainer achtet auf Disziplin und Benehmen. Und er hat da so einen Fall, den Huldiger proletarischer Männlichkeit (von denen soll es im Stadion von Schalke 04 einige geben) bisweilen gerne zum Ballett geschickt hätten. Ein bleistiftschmal geschnittenes Bärtlein, mit Bändchen gebändigte Zotteln, und beim ersten Widerstand senken sich die Schultern auf Bauchnabel-Niveau - das ist Kevin Kuranyi. Das war Kevin Kuranyi!

Felix Magath hat sich offenbar hineingeschlichen in die Psyche des 27-jährigen Stürmers. "Der Trainer sagt immer: Kleine Veränderungen sind für den Erfolg nötig. Das habe ich angenommen", erklärte Kuranyi. Und so sahen die Huldiger echt-schalker Männlichkeit am Sonntag einen Mann mit gebürstetem Kurzhaarschnitt auf den Platz gehen. Die Zuschauer studierten daraufhin noch einmal die Aufstellung auf der Anzeigetafel, doch es gab keinen Zweifel: Das ist Kevin Kuranyi.

Kurzhaar-Kevin droht

Dieser Kurzhaar-Kevin ließ dann beim ersten Widerstand keine Schultern mehr fallen, sondern wehrte sich auf fast antik-männliche Art gegen die Niederlage und schoss noch zwei Tore. Danach drohte er: "Wenn ich weiter so treffe, rasiere ich mir sogar eine Glatze." Gemach, gemach! will man ihm da zurufen. Es droht eine Kulturdebatte.

Bei Bundestrainer Joachim Löw wird er damit jedenfalls keinen Eindruck schinden. Nicht nur, weil glatzenträger Fabian Ernst nie eine Chance erhielt. Starfrisör Udo Waltz klärte nun im Magazin 11freunde auf, dass der immerwährend topfschnittartige Löw-Helm keine Perücke ist, sondern Löw "wahrscheinlich ein gutes Haarspray benutzt".

Auch die Mütter rund um Gelsenkirchen fänden Kuranyis Glatze wohl nicht so toll. Viele kleine Fans wollen nicht nur so spielen wie ihre Fußball-Idole, sondern auch so aussehen, was an den blonden Schweinsteiger-Stachel-Imitaten in ganz Bayern gut zu erkennen ist. Der Stürmer Ronaldo musste sich nach dem WM-Finale 2002 bei "allen Müttern in Brasilien" entschuldigen, weil sich ihre Buben scharenweise den skurrilsten Haarschnitt der WM-Finalgeschichte antaten: hinten Glatze, vorne ein Büschel in Form eines Dreiecks.

Argentinies Nationaltrainer Passarella hatte mit seiner Brachial-Psychologie übrigens wechselhaften Erfolg: Der großartige Stürmer Gabiel Batistuta stürmte sogleich zu einem Haarschneider. Der später wegen Kokain-Gebrauchs (Haarprobe!) gesperrte Claudio Caniggia verhandelte einen Kompromiss und musste nur drei Zentimeter stutzen. Der renitente Mittelfeldstratege Fernando Redondo hingegen erklärte, seine langen Haare seien ein Teil seiner Persönlichkeit. Er flog aus dem Kader.

Felix Magath, dem schlauen Felix Magath, ist hingegen zuzutrauen, dass er Kevin Kuranyi auf subtile Weise dazu bringt, nicht nur die Haare zu stutzen. Sondern auch bald diesen Bleitstift-Bart abzurasieren.

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