Florian Neuhaus bei Mönchengladbach:Ambitionen in alle Richtungen

Borussia Mönchengladbach - SpVgg Greuther Fürth

Florian Neuhaus trifft gegen Fürth und hofft weiterhin, es zur WM 2022 mit dem DFB zu schaffen.

(Foto: Federico Gambarini/dpa)

Bei Gladbachs 4:0 gegen Fürth macht Florian Neuhaus deutlich, dass er endlich zurück in die Stammformation der Borussia will. Doch Trainer Hütter tut sich schwer mit dem fordernden Nationalspieler.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

"Ein bisschen Zeit ist ja noch", hat Florian Neuhaus kürzlich gesagt, "aber ich kann mir gut vorstellen, mal Trainer zu werden." Der Mittelfeldspieler von Borussia Mönchengladbach ist erst 24 Jahre alt. Wenn er die Ambition besäße, Bayern-Trainer Julian Nagelsmann, 34, als Methusalem dastehen zu lassen, dann müsste er sich alsbald zum Fußballlehrer-Lehrgang anmelden. Das tut er zwar nicht, seinem Trainer bei Borussia Mönchengladbach, Adi Hütter, hat er damit aber en passant signalisiert, dass er in einer Mannschaft schon auch das große Ganze im Blick hat. Und nicht nur sich selbst.

Neuhaus hat momentan zwei Ambitionen: mit Gladbach ins internationale Geschäft zurückzukehren und sich für einen Platz in der Reisegruppe des Deutschen Fußball-Bundes in einem Jahr zur WM in Katar zu empfehlen. Beide Ziele gerieten zuletzt in Gefahr. Neuhaus konnte sich kaum für die DFB-Elf empfehlen, weil er bei Gladbach viel auf der Ersatzbank saß und von dort eine launische, mitunter mäßig erfolgreiche Borussia beobachtete, die zwischenzeitlich sogar in den Tabellenkeller gerutscht war. Doch nun winkt Linderung: für Gladbach und für Neuhaus.

Doppel-Sechs mit Zakaria und Koné? Neuhaus kann das auch

Mit je einem Treffer in den jüngsten beiden Spielen hat sich der gebürtige Oberbayer für mehr Spielzeit empfohlen. Beim 1:1 in Mainz beschaffte er den einzigen Gladbacher Treffer, am Samstag beim 4:0-Sieg gegen Fürth das zwischenzeitliche 2:0. Er stellte dabei stets seine Stärken aus: Ballbesitz, Pässe in die Tiefe und Torgefahr. Spannend wird, was Hütter macht, wenn Gladbachs Innenverteidiger Nico Elvedi seine Bänderverletzung im Fuß auskuriert hat. Dann kehrt Elvedi nämlich in die Abwehr zurück und Denis Zakaria von dort ins Mittelfeld. Dann wäre für Neuhaus wieder kein Platz mehr auf einer Doppel-Sechs vor der Abwehr - es sei denn, er verdrängte Zakaria oder Manu Koné aus der Startelf, oder Hütter ließe in einem Mittelfeld mit Raute alle drei spielen.

Als Trainer hätte Neuhaus gewiss eine konkrete Vorstellung von der Rolle des Spielers Neuhaus: Startelf, viel Spielzeit, offensiver Gestaltungsspielraum und Torannäherung. Neuhaus ist fußball-besessen. In einer Fan-Fragestunde jüngst bei der Nationalmannschaft, in der er auch von seinen Trainer-Ambitionen erzählte, antwortete er auf die Frage, welche drei Dinge er auf eine einsame Insel mitnähme: "Auf jeden Fall einen Ball und ein Tor." Jetzt kann sich jeder vorstellen, welche Qual es für Neuhaus wäre, wenn das dritte Ding auf dieser Insel eine Holzbank wäre, auf der er sitzen müsste, ohne den Ball ins Tor schießen zu dürfen.

Genau das ist ihm in Mönchengladbach widerfahren. Der Trainer Hütter kam dort auf die Idee, dass ihm eine Doppel-Sechs mit Zakaria und Koné besser gefällt. So ganz absurd war diese Idee auch gar nicht, weil Zakaria und Koné Seite an Seite im defensiven Mittelfeld wirklich einen ausgezeichneten Job verrichteten. Aber Neuhaus kann das halt auch, und dadurch, dass ihn Bundestrainer Hansi Flick unbeirrt zur Nationalmannschaft einlädt, gerät Gladbachs österreichischer Trainer Hütter wieder ein bisschen unter Druck.

Beim Spiel in Mainz verletzte sich der Innenverteidiger Elvedi in der 28. Minute und wurde ausgewechselt. Herein kam Neuhaus und schoss gleich sein Tor. Am Samstag gegen Fürth fehlte Elvedi weiterhin, weshalb durch Zakarias Versetzung im defensiven Mittelfeld der Platz für Neuhaus noch immer frei war. Und wieder rechtfertigte er seine Nominierung mit einem Treffer. "Flo hat gut trainiert und eine sehr gute Leistung gezeigt", sagte Hütter und lobte Neuhaus für seinen Mumm, einen verunglückten Befreiungsschlag vom Fürther Torwart Marius Funk aus 25 Metern frech ins leere Tor zu schießen. Aber explizite Aussichten auf die Rückeroberung eines Stammplatzes machte er ihm nicht.

Den Eindruck, dass Neuhaus von Hütter nicht gerade auf ausgestreuten Rosenblättern aufs Feld geschickt wird, hat der Spieler unlängst dadurch verstärkt, dass er im TV-Interview mangelnde "Rückendeckung vom Verein" monierte. Vielleicht hat er aber auch Wertschätzung gemeint. Zusammen mit dem Sportdirektor Max Eberl hatten Hütter und Neuhaus anschließend ein Gespräch. Hütter wollte wissen, "was der Flo genau gemeint hat". Über den Inhalt der Unterredung verweigerte Hütter bislang jegliche Auskunft. Durch Neuhaus' Einsätze scheint das Problem aber zumindest für den Moment ausgeräumt zu sein.

Neuhaus hat sich in dieser Konstellation als anspruchsvoller, taktisch denkender Spieler geoutet und macht nicht den Eindruck, als ließe er Hütter so einfach gewähren. Spieler, die mitdenken, wünscht sich zwar jeder Trainer, aber auch Spieler, die den Anforderungen des Fußballs vorwärts und rückwärts gerecht werden. Neuhaus muss sich also weiter beweisen. In Gladbach hoffen derweil einige, dass ihn das nicht geradewegs in die Arme seines in Dortmund arbeitenden Ex-Trainers Marco Rose treibt.

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