Süddeutsche Zeitung

Florian Mayer:Der Schnibbler hört auf

Florian Mayer nimmt sein Karriereende erleichtert hin. Auch in seinem letzten Match führt er noch einmal seine einmalige Spielweise vor.

Von Jürgen Schmieder, New York

Der Fußmarsch vom Arthur Ashe Stadium zum Court 7 ist ohne Verkehr in weniger als einer Minute zu bewältigen, und doch liegt zwischen den Tennisplätzen auf der Anlage in Flushing Meadows ein Universum. In der monströsen Arena bereiteten sie am Montagabend die Eröffnungszeremonie für die US Open vor, der ehemalige Boxer Mike Tyson, der Schauspieler Hugh Jackman und die Sängerin Kelly Clarkson liefen gerade über den blauen Teppich. Auf dem anderen Platz, dem das riesige Stadion noch nicht einmal ein bisschen Schatten schenkte, bestritt Florian Mayer gleichzeitig die letzte Partie seiner Profikarriere. Er hatte zweieinhalb Sätze lang überhaupt keinen Spaß.

"Es fällt mir manchmal schwer, den Tennisspielen heutzutage zuzuschauen", sagte Mayer nach dem 2:6, 2:6, 7:5, 4:6 gegen Borna Coric (Kroatien): "Die meisten spielen nur Hauruck und Bumbum." Sein Gegner tat genau das, es sah ein bisschen aus wie die Anfangssequenz des Films "Wimbledon", in der ein abgehalfterter Tennisprofi von einem Jungspund erbarmungslos über den Platz gescheucht wird. Mayer ist kein Prügler, er ist ein Schnibbler und Schaufler, im dritten Satz beschloss er, das noch einmal zu zeigen. Er streute ein paar gefühlvolle Volleys ein, präsentierte seinen eingesprungenen Rückhandstopp und bewies noch einmal, dass er Tennis nicht arbeitet oder gar kämpft, sondern spielt.

"Ich glaube, dass ich heute noch einmal eine anständige Partie gezeigt habe", sagte Mayer: "Ich habe hier besondere Momente erlebt, auf dem Center Court gegen Andy Murray oder bei meinem New-York-Debüt gegen Andre Agassi." Mayer war auch sonst erfolgreich, er stand in Wimbledon zweimal im Viertelfinale (2004, 2012) und schaffte es bis auf Platz 18 der Weltrangliste. Er kämpfte sich nach langer Verletzungspause zurück und gewann 2016 das Rasenturnier in Halle: "Ich hätte nie gedacht, dass ich all das erleben darf - das sind tolle Erinnerungen, auch wenn es nun schon komisch ist, dass es vorbei ist."

Mayer, 34, verfügt über einen köstlich trockenen Humor, und genauso kommentiert er auch das Ende seiner Laufbahn: "Irgendwann ist es dann schon frustrierend, wenn man jede Woche nur verliert. Der Körper wollte nicht mehr, die Reiserei wurde immer anstrengender - ich bin erleichtert, dass es nun vorbei ist." Er wolle nun erst einmal ganz viel Urlaub machen, auf Lanzarote und in Südtirol und im Winter noch an ein sonniges Ziel, erst dann wolle er sich Gedanken über seine Zukunft machen. Eilig habe er es dabei gewiss nicht, denn: "Tennisspieler bekommen eine Rente."

Er ist ein ungewöhnlicher Typ, dieser Mayer, und wer bei den US Open am Montag über die Anlage flaniert ist und ein paar Partien beobachtet hat, der hat sehr viel Hauruck und Bumbum gesehen. Mayer wird diesem Sport fehlen. Ob dieser Sport auch Mayer fehlen wird, das wird er in den kommenden Monaten erfahren. Als er am Montagabend den Court 7 verließ und zurück zur Umkleidekabine im Arthur Ashe Stadium marschierte, da lächelte er.

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Quelle:
SZ vom 29.08.2018
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