Floorball:Gespaltenes Herz

Floorball: "Ich habe auf vieles verzichtet und den Sport zu meinem Leben gemacht": Benedikt Richardon.

"Ich habe auf vieles verzichtet und den Sport zu meinem Leben gemacht": Benedikt Richardon.

(Foto: Raymund Kalytta/oh)

Vom Fußball zum Floorball: Der Kauferinger Spätzünder Benedikt Richardon tritt mit der U19-Nationalmannschaft bei der WM in Brünn an.

Von Christian Bernhard

Wenn Benedikt Richardon über den Keller im Familienhaus spricht, wird seine Stimme fast liebevoll. "Klein aber fein" sei er, berichtet der 19-jährige Floorball-Spieler vom VfL Red Hocks Kaufering. Seine Zuneigung ist dadurch zu erklären, dass der Keller in den Corona-Monaten ein treuer Begleiter war und ihm wertvolle Dienste geleistet hat. Monatelang trainierte er dort alleine, bis zu drei Stunden am Tag. Richardon besorgte sich eine Rückprallwand, mit der er sich selbst Pässe zuspielen konnte, machte Stockübungen mit Stühlen als Hindernis, lupfte den Ball über den Tisch. "Dinge, die man so nicht machen würde", erzählt er, die ihn in der Corona-Zwangspause aber weiterbrachten. Er übte so intensiv, dass er sich einige neue Kellen kaufen musste, so abgenutzt waren sie von den Kellerfließen.

Gelohnt hat sich das unkonventionelle Training allemal: Richardon ist neben Michael Bachmann (ESV Ingolstadt) und seinem Kauferinger Teamkollegen Daniel Wipfler einer von drei bayerischen Floorballern, die am Mittwoch im Trikot der deutschen U19-Nationalmannschaft in die U19-Weltmeisterschaft im tschechischen Brünn starten. Das WM-Turnier in der dem Hallenhockey ähnlichen Sportart, die Parallelen zum Eishockey aufweist, da auch hinter den Toren gespielt werden kann, scheint für das deutsche Team zur richtigen Zeit zu kommen. Richardon findet, "dass wir uns jetzt auf dem besten Level befinden, dass wir spielen können".

Für Nationaltrainer Berger ist der VfL Kaufering in Sachen Nachwuchsarbeit einer der "Vorzeigevereine" auf nationaler Ebene

Daniel Wipfler ist mit seinen gerade einmal 16 Jahren der Jüngste im deutschen Kader. Er habe ein sehr großes Potential, sagt U19-Nationaltrainer Thomas Berger, und sei was Technik, Spielverständnis und Taktik betreffe "weit überdurchschnittlich für sein Alter". Der Nationaltrainer ist überzeugt davon, dass Wipfler, der mit seinem älterer Bruder Ricardo in der kommenden Saison erstmals im Kauferinger Bundesligateam zusammenspielen könnte, in Tschechien sehr viel lernen und dann bei der U19-WM im Jahr 2023 "einer unserer Top-Spieler und Leader sein" wird. Auf den 18-jährigen Bachmann setzt Berger sowohl offensiv als auch defensiv. Der Ingolstädter sei "mit dem Ball in der Vorwärtsbewegung fast nicht zu stoppen" und defensiv aufgrund seiner hohen Laufbereitschaft ein "sehr unangenehmer Gegenspieler".

Den ungewöhnlichsten Weg ins U19-Nationalteam hat Richardon hinter sich, denn er ist ein klassischer Spätzünder. Erst vor fünf Jahren begann er mit dem Floorball, nachdem ihm ein Kumpel in Kaufering mit ins Training nahm, da er im Schulsport eine gute Figur mit Schläger und Ball abgab. Schon bei seinem ersten Training machte er eine so gute Figur, dass er noch am selben Tag für die süddeutsche U15-Meisterschaft lizenziert wurde, da dies der letztmögliche Termin dafür war. "Um 22 Uhr habe ich die Lizenz bekommen", erinnert sich Richardon. Von diesem Tag an ging es steil bergauf: Ein paar Wochen später stand er im Kader für die deutsche Meisterschaft, dann kam die Einberufung in die Bayern-Auswahl. Ein Jahr später war er schon Teil der U17-Nationalmannschaft. "Seitdem bin ich immer dabei." Bevor er zum Floorball wechselte, war elf Jahre lang der Fußball seine "große Liebe", erzählt der Kauferinger. "Dann hat sich mein Herz gespalten und am Ende beim Floorball wiedergefunden."

In Schweden und der Schweiz bekommt es das deutsche Team mit zwei der weltweiten Top-Vier-Nationen zu tun

Richardon ist einer jener Sportler, die die Corona-Pause genutzt haben, um sich sportlich weiterzuentwickeln. Er achtete vermehrt auf seine Ernährung, stellte sich Fitnessübungen für zuhause zusammen und feilte im Keller an seiner Technik. "Ich habe auf vieles verzichtet und den Sport zu meinem Leben gemacht." Als im Frühjahr die Hallen wieder geöffnet wurden, schob der Orthopädietechniker mit seinem Vater nach der Arbeit noch Extraschichten - als Trainer der zweiten Mannschaft in Kaufering ist auch Richardon senior fest in der Floorball-Welt verankert. Für U19-Nationaltrainer Berger ist der VfL in Sachen Nachwuchsarbeit überhaupt einer der "Vorzeigevereine" auf nationaler Ebene, die Nachwuchs-Nationalmannschaften profitieren laut ihm auch davon, dass es in Bayern immer mehr Klubs gebe, "die sehr gute Ausbildungsarbeit verrichten". Dadurch stoßen "viele wirklich gut ausgebildeten Talente aus dem Süden" in die Landesauswahlen und die Nationalteams.

In Auftaktgegner Schweden und der Schweiz (26. August) bekommt es das deutsche Team, das als Aufsteiger ins Turnier geht, in der Gruppenphase mit zwei der weltweiten Top-Vier-Nationen zu tun. Im abschließenden Gruppenspiel am 27. August heißt der Gegner Dänemark, Deutschlands Ziel ist der Klassenverbleib. Richardon, laut Berger der "perfekte Teamplayer", weiß, dass es ein schwieriges Turnier wird, aber er will "schauen, dass es mit dem Team vorwärts geht". So wie mit ihm persönlich im Keller.

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