Erinnerungen an Rudi Völler:"Sogenannte Experten! Scheißdreck!"

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Ihm scheint nicht zu gefallen, was er da hört: Hansi Flick im TV-Interview. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Hansi Flick kündigt an, eine Wutrede wie einst von Rudi Völler sei von ihm in Island nicht zu erwarten. Aber stimmt das? So oder so ähnlich könnte es im Falle eines noch tieferen Tiefpunkts laufen.

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Ob er ähnlich reagieren könnte wie einst Teamchef Rudi Völler in seiner legendären Wutrede nach einem 0:0 in Island 2003? "Es ist nicht vorstellbar, definitiv nicht", hat Bundestrainer Hansi Flick am Tag vor dem ersten deutschen Spiel in Island seit 18 Jahren in der Pressekonferenz gesagt. "Ich würde das in der Form nie machen", erklärte Flick. Aber womöglich in leicht veränderter Form?

Also: Am Mittwochabend herrscht Regenwetter in Reykjavik, im Laugardalsvöllur-Stadion weht den RTL-Kommentatoren Marco Hagemann und Steffen Freund eine ungemütliche Brise um die Nasen. Die Stimmung ist ernüchtert. Schon nach dem blamablen 2:0 gegen Liechtenstein in der vergangenen Woche wähnten manche Experten den deutschen Fußball am Tiefpunkt. Es folgte ein triumphales 6:0 gegen Armenien, bis dahin souveräner Tabellenführer der WM-Qualifikationsgruppe J. Alle Sorgen waren vergessen, das Sturmproblem schien auf Jahre hinaus gelöst zu sein, sogar Timo Werner hatte wieder getroffen. Und nun? 0:0 in Island. Genau wie damals, 2003.

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Hagemann setzt in der sonoren Stimmlage eines Krisenreporters zum Fazit an. Er fragt seinen Co-Kommentator: "Wenn man sagt, das war wieder einmal ein absoluter neuer Tiefpunkt - trifft es das?" Freund, mentalitätsmäßig noch ganz der Abräumer im deutschen Europameister-Mittelfeld von 1996, bestätigt: "Ja, das ist ein Tiefpunkt."

Nach einer kurzen Unterbrechung, in der die TV-Zuschauer eine Gewinnspielfrage nach Islands feurigstem Vulkan gestellt bekommen (A: Hvannadalshnúkur, B: Tante Käthe), steht Flick zum Interview bei Florian König und Lothar Matthäus. Flick macht ein Gesicht, als hätte ihm soeben Hasan Salihamidzic einen neuen Rechtsverteidiger verpflichtet. Nach der Einstiegsfrage bricht es aus ihm heraus.

"So langsam kann ich diese sogenannten Experten nicht mehr hören! Diese sogenannten Experten sollten sich mal zusammensetzen und eine Strategie ausarbeiten, dass man endlich wieder Licht im Tunnel sieht und eine Hoffnung hat!"

Legendär: Rudi Völler (rechts) im Interview mit ARD-Moderator Waldemar Hartmann. (Foto: Team 2/Imago)

König wirkt irritiert. Doch auf die Nachfrage, ob Flick damit nicht eher den jüngsten Besuch von Karl Lauterbach bei Markus Lanz kritisiere anstatt Hagemann und Freund, wird der Bundestrainer nur noch wütender. Legendär wütend. "Die Sache mit dem Tiefpunkt und nochmal 'n Tiefpunkt und noch mal 'nen niedrigeren Tiefpunkt. Ich kann diesen Scheißdreck nicht mehr hören!"

König insistiert noch mal vorsichtiger. Ob er, Flick, da wirklich die Richtigen kritisiere? Ob nach so einem Spiel nicht vielmehr über die Körpersprache von Leroy Sané debattiert werden müsse? Ob nicht doch ein System mit Dreierkette besser sei? Nun wird der Bundestrainer lauter: "Ich kann diesen Käse nicht mehr hören, immer nach jedem Spiel! Wir haben heute beim Tabellenfünften der WM-Qualifikationsgruppe J gespielt, wir haben 0:0 gespielt, das ist sicher nicht in Ordnung, das ist einen Tick zu wenig für unsere Ansprüche. Aber diesen Scheiß, der da immer gelabert wird, da sollten sich alle mal Gedanken machen, ob wir in der Zukunft so weitermachen können."

Einmal in Fahrt, nimmt er sich auch den RTL-Experten Freund vor: "Ihr habt doch früher ... der Steffen ... was die für einen Scheiß gespielt haben! Da konntest du doch früher gar nicht hingehen, die haben doch Standfußball gespielt, früher."

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Weil König sprachlos ist, ergreift der Flick-Vertraute Lothar Matthäus das Wort. Matthäus stellt klar, dass zwar auch nach seinem Geschmack eindeutig zu wenige "Dore" gefallen seien, er allerdings keine Schärfe in die Debatte gebracht habe. Flick entgegnet: "Ja, du nicht. Du sitzt locker bequem auf deinem Stuhl und hast drei Jever Fun getrunken."

Erst nachdem RTL eine Werbeunterbrechung eingelegt und einmal den WM-Qualifikations-Song von Revolverheld ("Abreißen") gespielt hat, haben sich die Gemüter etwas beruhigt. "'Tschuldigung", sagt Flick, "die Geschichte mit dem Jever Fun habe ich nicht so gemeint - alles andere habe ich so gemeint, wie ich es gesagt habe."

Auf die Frage, ob er nun aus Protest vorhabe, künftig in Interviews auf gewisse Fragen wie gegen Ende seiner Zeit beim FC Bayern nur noch mit "Nächste Frage" zu antworten, sagt Flick: "Ich würde das in der Form nie machen."

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