Nationalmannschaft:Hansi Flicks geheimes Schattenkabinett

Fußball: Niclas Füllkrug vom SV Werder Bremen

Ganz sicher einer der 55 auf Hansi-Flicks Liste: Bremens Torjäger Niclas Füllkrug.

(Foto: Robert Michael/dpa)

Der Bundestrainer muss der Fifa 55 mögliche Kandidaten für seinen WM-Kader melden. Von der Hinteren auf der Liste wird kaum einer nach Katar fahren - dennoch wäre spannend zu erfahren, wer draufsteht. Aber das will der DFB nicht verraten.

Von Philipp Selldorf

Das letzte Spiel einer deutschen B-Nationalmannschaft fand am 15. November 2005 in Mattersburg im schönen Burgenland statt. Die deutsche B-Elf, die mit Blick auf die WM im folgenden Sommer unter dem programmatischen Titel "Team 2006" firmierte, gewann 5:2 in Österreich, und zu den Torschützen zählte außer einem gewissen Mario Gomez Garcia vom VfB Stuttgart auch ein Spieler namens Fabian Gerber, der bei Mainz 05 beschäftigt war: Der eine sollte später noch 78 Einsätze in Deutschlands Parademannschaft bestreiten, der andere wechselte in seinem weiteren Profi-Dasein zu OFI Kreta und zum FC Ingolstadt.

Das Spektrum der damals vom ehrenwerten Lehrmeister Erich Rutemöller gecoachten DFB-Auswahl war also recht weit gefasst - entsprechend dem nicht sehr reichhaltigen Angebot an international vorzeigbaren Profis, das die Bundesliga seinerzeit offerierte. "Ich bin nicht schnell euphorisch, aber das war heute einfach klasse", lobte Rutemöller nach dem Kantersieg in Mattersburg - dennoch schaffte es am Ende keiner seiner Schüler in Jürgen Klinsmanns WM-Kader.

Gäbe es heutzutage mit Blick auf das nächste große Turnier auf heimischem Boden ein "Team 2024" oder wie ehedem eine sogenannte B-Nationalelf, dann hätten Hansi Flick und seine Adjutanten Marcus Sorg und Danny Röhl in den vergangenen Tagen wesentlich weniger Mühe gehabt. Sie hätten von der Auslese profitieren können, die ihre DFB-Kollegen bereits getroffen hatten. So aber fand sich der Trainerstab der Nationalmannschaft in dieser Woche von Montag bis Donnerstag in Klausur zusammen, um unter anderem die Liste jener bis zu 55 Kandidaten zu erstellen, die der DFB am Freitag als vorläufiges WM-Aufgebot dem Weltverband Fifa vorlegen muss.

Wer könnte eine WM-Überraschung sein: Moukoko? Schade? Mukhtar? Füllkrug?

Aus diesem Kreis wählen die Verantwortlichen im nächsten Schritt die 26 Spieler, die dann am 15. November zur Vorbereitung auf die WM im (quasi) benachbarten Katar nach Maskat/Oman reisen dürfen. Sollten Flick und seinen Getreuen in der Zwischenzeit noch ein anderer Fußballer einfallen, den sie unbedingt mitnehmen möchten - dann hätten sie Pech gehabt. Denn die Liste der 55 Spieler ist verbindlich, einen Nachrücker wird es nicht geben dürfen. Die Meldung an die Fifa dient der Einbeziehung der Anti-Doping-Behörden, alle betroffenen Spieler werden entsprechende Auflagen erhalten.

Flick hat vor, das großzügig bemessene Kontingent mehr oder weniger auszuschöpfen, und wie es seiner akkuraten Art entspricht, sieht er die Verpflichtung, die Auserwählten persönlich über ihren Status zu informieren. Das ist für ihn Chefsache. Bei Manuel Neuer, Joshua Kimmich oder Ilkay Gündogan dürfte er sich die Mühe einer Benachrichtigung sparen, aber jenseits der üblichen Namen auf seiner Besetzungsliste wartet das Schattenkabinett zwangsläufig mit überraschenden Personalien auf. Flick hat vermutlich schon einige spannende Telefonate gehabt.

Was die Namen auf der 55-Mann-Liste betrifft, wird beim DFB bisher erfolgreich der Datenschutz gewahrt. Die eine oder andere Überraschung werde es aber definitiv geben, so ist zumindest zu hören. Öffentlich ausgelegt wird die Liste nicht. Das Publikum darf spekulieren: Gehören etwa die U-21-Nationalspieler Youssoufa Moukoko und der Freiburger Kevin Schade dazu? Mindestens Moukoko soll zuletzt verschärftes Interesse geweckt haben. Reicht der Blick der Trainer sogar bis nach Nashville/Tennessee, wo der 27-jährige Berliner Hany Mukhtar zum Torschützenkönig der US-Liga MLS avancierte? Garantiert im Verzeichnis vorkommen wird Bremens Torjäger Niclas Füllkrug, 29.

Die Spieler, die auf Flicks Liste die hinteren Plätze belegen, dürfen sich über die Anerkennung freuen. Der eigentliche Kreis der Anwärter auf die 26 deutschen WM-Tickets umfasst nach Meinung des Trainerstabs allerdings nicht mehr als 35 Spieler. Ausdrücklich erwünscht ist jedoch, dass die Nominierten auf den Plätzen 36 bis 55 ihre Beförderung in den erweiterten Augenschein als Motivation auffassen und sich noch mal richtig anstrengen.

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