Analyse des WM-Aus der Nationalmannschaft:Heimflug mit Hausaufgabe

Lesezeit: 2 min

Bleibt Hansi Flick trotz des WM-Scheiterns Bundestrainer? DFB-Präsident Bernd Neuendorf kündigt ein "geordnetes Verfahren" an. Zurücktreten will Flick ausdrücklich nicht.

Von Claudio Catuogno und Christof Kneer, Doha

Bleibt der Bundestrainer? Geht er von sich aus? Oder wird er gegangen? Es war bisher erst ein einziges Mal vorgekommen, dass ein DFB-Präsident nach einem Vorrunden-Aus bei einer Weltmeisterschaft diese Frage beantworten musste. Reinhard Grindel kündigte 2018 in Russland also eine eingehende Analyse an - und nahm deren Ergebnis gleich vorweg. Er hoffe sehr, dass Jogi Löw nach erfolgter Analyse seinen Vertrag bis 2022 erfüllen werde, sagte Grindel. Der Rest ist bekannt: Der Bundestrainer schleppte sich noch bis in die folgende EM, am Ende erfüllten weder Löw noch Grindel ihre jeweiligen Verträge.

Insofern war es ein anderer Ton, den Bernd Neuendorf, der neue Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, am Freitagmittag am Flughafen von Doha anschlug, ehe er mit den ausgeschiedenen Nationalspielern und dem Trainerteam um Hansi Flick den Sonderflug LH343 in Richtung Frankfurt bestieg. Das Ausscheiden schmerze, sagte Neuendorf, aber man werde nun "ein geordnetes Verfahren einleiten, wie wir mit dieser Situation umgehen".

SZ PlusWM-Aus im Fernsehen
:Schweinsteigers Wandlung

In der ARD wird das WM-Aus brillant begleitet, insbesondere weil Bastian Schweinsteiger entdeckt, dass man auch als Experte konfrontativ sein kann.

Von Felix Haselsteiner

Schon für die kommende Woche habe er ein Meeting anberaumt mit "Hansi Flick, Oliver Bierhoff, Aki Watzke und meiner Person", dann soll besprochen werden, "wie die Situation sich darstellt". Die Entscheidung, ob Flick weitermacht, soll also zügig fallen. Dass Flick sich jetzt erst mal wochenlang zurückzieht, wie Löw es nach Turnier-Enttäuschungen rituell handhabte, ist sowieso nicht zu erwarten. "Wer mich kennt, der weiß, dass wir das sehr, sehr schnell aufarbeiten werden", das hatte Flick schon am späten Donnerstagabend in der Pressekonferenz gesagt.

Die Sportliche Leitung nimmt nun also eine Hausaufgabe mit in die kommende Woche: Er erwarte, sagte Neuendorf, dass Flick und Bierhoff "eine erste sportliche Analyse" vornehmen, aber auch "Perspektiven entwickeln mit Blick auf die Europameisterschaft im eigenen Land". Auf dieser Grundlage würden dann weitere Gespräche geführt. Das klingt demonstrativ ergebnisoffen. Neuendorf möchte nicht wie sein Vorgänger Grindel schon vor der Analyse Fakten schaffen.

Neuendorf klang demonstrativ ergebnisoffen in Sachen Flick

Eines muss Neuendorf nach Lage der Dinge jedenfalls nicht erwarten: dass Flick von sich aus hinwirft. "Warum sollte ich jetzt aufhören?" sagte Flick der SZ. "Im Sport kann man auch mal verlieren, und es geht darum, wieder aufzustehen." Allerdings macht sich der Bundestrainer auf hohen öffentlichen Druck gefasst, er weiß, wie scharf die Öffentlichkeit auch weiterhin auf das Scheitern bei diesem ohnehin ungeliebten Turnier reagieren wird. "Ich bin stabil, daran hat die WM nichts geändert", sagt Flick.

Er ist weiterhin entschlossen, seinen durchaus aussichtsreichen Kader zum nächsten Turnier zu führen, der Heim-EM 2024 in Deutschland. Flick weiß, dass die kommenden Monate schwer werden könnten, denn es gibt keinerlei Gelegenheit, den schlechten Eindruck aus Katar zu korrigieren. Weil die DFB-Elf als Ausrichter automatisch qualifiziert ist, stehen bis Sommer 2024 ausschließlich Testspiele an, die kaum Wiedergutmachungspotenzial enthalten.

So gilt es derzeit als unwahrscheinlich, dass der Verband sich auf den Trainermarkt begeben wird. Zwar wäre Thomas Tuchel zu haben, aber der gilt eher als Kandidat fürs englische Nationalteam. Und Marc Kosicke, der Berater von Jürgen Klopp, hat beim TV-Sender Sky vorsorglich dementiert: "Jürgen hat in Liverpool einen Vertrag bis 2026, und er hat vor, diesen zu erfüllen."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungBundestrainer Flick
:Genug, um ihn gleich zu feuern?

Hansi Flick hat sich handwerkliche Fehlgriffe geleistet, aber er wird wohl als Bundestrainer weiterarbeiten dürfen bis zur Heim-EM 2024. Die Ablösung von Nationalelf-Geschäftsführer Oliver Bierhoff erscheint dagegen überfällig.

Kommentar von Philipp Selldorf

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: