Für Johan Eliasch scheint es das nicht zu geben: juristische Ohrfeigen, und seien sie noch so schallend. Die 37. Zivilkammer des Landgerichts München I hat dem Ski- und Snowboard-Weltverband Fis und seinem Präsidenten soeben eine solche Watschn serviert, indem es einem Antrag auf einstweilige Verfügung des Deutschen Skiverbands (DSV) stattgab. Und was macht Eliaschs Fis? Sie klassifiziert das Urteil als „vollkommen falsch“, das Gebaren des Gerichts als „unprofessionell“. Wen interessiert schon die Expertise der Richterin, eine in Fachkreisen anerkannte Koryphäe des Kartellrechts, wenn der Vorsitzende Prof. Dr. jur. Eliasch sein Urteil fällt? Im Namen der Schneeflocke?
Solch ein Selbstbewusstsein kommt wohl gratis einher mit dem kolportierten Status als Milliardär, und wenn man in gewissen britischen Adelskreisen verkehrt. Vordergründig gibt sich Eliasch jedenfalls unbeeindruckt davon, dass sein Kernvorhaben, die zentrale Vergabe der Medienrechte von allen Fis-Wettbewerben, auch nach zwei Jahren voller zäher Debatten noch immer nicht aufgegleist ist. Andererseits klingt es schon grundsätzlich, wenn ein bayerisches Landgericht urteilt, dass die „Bündelung internationaler Werbe- und Medienrechte für FIS Worldcup-Veranstaltungen kartellrechtswidrig“ sei. Oder?

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Im Kern – das hatte das Gericht am Mittwoch noch einmal betont – betreffe die Entscheidung nur die Streitparteien, also die Fis und den DSV. Letzterer vermarktet bisher, wie die anderen Nationalverbände, die Medien- und Marketingrechte an allen Ski-Weltcups der Fis im eigenen Land selbst, von den Springen der Vierschanzentournee bis zum Kandahar-Klassiker der Alpinen – und zwar über Zwischenhändler wie die Agentur Infront.
Diese wollte die Fis ursprünglich rausdrängen, die Rechte unter ihrem Dach verschmelzen, mehr Gewinn generieren. Als das Rausdrängen nicht klappte, setzte die Fis eine zentrale Vereinbarung eben mit Infront auf. Allerdings müssen sich auch die jeweiligen Nationalverbände der Fis einigen – was sie bis zuletzt nicht taten. Und in den internationalen Wettkampfregeln der Fis war bis zuletzt festgezurrt, dass die Medienrechte originär mit an die Nationalverbände gebunden sind. Ein Problem für einen Weltverband, der alles unter seinem Dach haben will.

Diese Regeln wurden bei einer Sitzung des Fis-Rates Ende April dann „beinahe gewaltsam geändert“. So postulierte es Stefan Schwarzbach, Vorstandsmitglied im DSV, kurz darauf öffentlich (Eliasch behauptet, dass alles demokratisch verlaufen sei). Die Nationalverbände wollten dem Geschäft mit Infront und Fis nun jedenfalls erst recht nicht zustimmen, im Gegenteil. Sie sahen sich ihrer „originären Rechteinhaberschaft“ beraubt. Bislang haben der DSV und der Österreichische Skiverband dagegen geklagt – und zumindest der DSV erhielt in einem zentralen Punkt jetzt Recht.
Die Fis, so die Münchner Kammer, habe ihre Werbe- und Medienrechte mit ihrem Beschluss Ende April derart ausgestaltet, dass die „originären Rechte zur Vermarktung der Veranstaltungen nur bei den einzelnen Austragungsmitgliedern verblieben, sofern diese einen Vertrag mit der FIS abschließen würden“. Damit bestehe „faktisch ein Zwang zum Abschluss einer solchen Vereinbarung mit der FIS und eine Wettbewerbsbehinderung“. Weitergesponnen: Der DSV könne über seine eigenen Rechte nicht mehr mitentscheiden.
Die Fis tat in ihrer Replik so, als habe das Urteil – das man im Übrigen anfechten werde – auf den Zentralisierungsprozess als Ganzes keinerlei Auswirkungen, da andere Nationalverbände ohnehin nicht betroffen seien. Blöd nur, dass ja auch der ÖSV noch in Wien gegen die Fis in derselben Sache gerichtlich vorgeht. Und die Münchner Kammer führt in ihrem 47-seitigen Urteil aus, dass die geplante Bündelung der Medienrechte „in ihrer konkreten Form eine nach europäischem Kartellrecht unzulässige bezweckte Wettbewerbsbeschränkung“ darstellte.
Solch ein Spruch hat im Kartellrecht zumeist einen hohen Stellenwert, auch international. Warum sollten da nicht Nationalverbände von Andorra bis Norwegen auf die Idee kommen, bei ihren Gerichten vorstellig zu werden?
Stefan Schwarzbach sagt im SZ-Gespräch, dass er schon kurz nach der Verkündung eine „Signalwirkung“ gespürt habe: „Wenn ich mir nur die Reaktionen vor Augen führe, die ich in den vergangenen Stunden von einer Vielzahl an Nationalverbänden bekommen habe, wird deutlich, dass man dieses Urteil mit einer gewissen Spannung erwartet hat.“ Frei übersetzt: Andere Nationalverbände dürften gegenüber der Fis nun zumindest darauf pochen, dass sie wieder als Mitinhaber der Medienrechte anerkennt werden.
Erweist sich das Münchner Urteil noch als Bumerang?
Das ist die zentrale Hoffnung der nationalen Skiverbände: dass es sich mit diesem juristischen Rückenwind leichter in die Verhandlungen mit Eliaschs Weltverband segeln lässt. „Wir haben immer wieder betont: Wir sind bereit, diese Zentralisierung gemeinsam über die Ziellinie zu bringen – wenn die Rahmenbedingungen stimmen“, sagt Schwarzbach. Sprich: wenn die Rechte wieder formal an die Nationalverbände übertragen werden und diese bei der Zentralisierung mitreden dürfen. Vor allem Ersteres hatte die Fis zuletzt offenbar in Aussicht gestellt, bei einer Ratssitzung kam es dann aber doch nicht so weit. Zu den Details schweigen die Beteiligten bislang.
Schwarzbach betont, dass die Erträge aus den Rechtegeschäften nun mal die Lebensader der Verbände seien, damit finanzieren sie auch die Nachwuchsarbeit, fördern weniger populäre Sportarten, bereiten also erst die Bühne, die ein Weltverband zentral vermarkten kann. Und mitreden müsse man bei Geschäften schon deshalb, weil eine Zentralvermarktung in jeden Verband anders hineinwirkt. Wenn die Fis etwa entscheidet, Wintersport künftig im Bezahlfernsehen laufen zu lassen, könnte das den Verbänden zwar mehr Geld bescheren – zugleich Sponsoren kosten, weil deren Logos im Pay-TV weniger Zuschauer erreichen.
Und wenn der Wunsch der Nationalverbände bald Realität würde – eine Zentralvermarktung zu ihren Konditionen? Dann sieht der Münchner Kartellrechtsexperte Mark E. Orth noch immer einen möglichen Bumerang, der auf sie zurauschen könnte. Er liest das Münchner Urteil sehr wohl so, dass das Gericht nicht nur die Pläne in Bezug auf den DSV für kartellrechtswidrig hält – sondern grundsätzlich jede Bündelung von Medienrechten im Weltcup.
„Verboten ist eine Vereinbarung, die eine Wettbewerbsbeschränkung bewirkt“, sagt Orth, „und diese ist deswegen verboten, weil die Marktgegenseite behindert wird“. Weil ein Wettbewerb nicht mehr funktioniere, wenn es nur noch einen Anbieter gibt. Und das Problem sieht Orth in den Fis-Plänen besonders verschärft, da die Beteiligten durch eine einzige Verkaufsorganisation auftreten, das Infront-Fis-Konstrukt.
Dieses unzulässige Kartell könnte die Fis aber womöglich umschiffen, glaubt Orth – wenn sie etwa direkt mit den Organisatoren der Weltcuporte Verträge abschließen und die Nationalverbände umgehen würde. Dann wäre eine Bündelung vom Tisch. Aber ob da alle Weltcuporte mitmachen würden?
So oder so: Es werden bald noch viele unterschiedliche Rechtsauffassungen aufeinanderprallen.