Finanzkrise bei 1860 München:1860-Rettung per Knopfdruck

Plötzlich geht alles ganz schnell: Da Investor Hasan Ismaik auch das neueste Finanzloch stopft und jetzt gut 18 Millionen Euro überweist, hat Zweitligist 1860 München eine Zukunft. Bald soll ein neuer Sportchef vorgestellt werden - und anschließend namhafte Profis.

Andreas Burkert

Beim Umgang mit den Meldungen über die drohende Insolvenz des Fußball-Zweitligisten TSV 1860 hat man in München inzwischen Routine entwickelt, das gilt umgekehrt auch für die Signale, die vom Wunder der Rettung künden.

TSV 1860 München - Energie Cottbus

Helfer in der Not: Der mögliche neue Investor Hasan Abdullah Ismaik 1860-Geschäftsführer Robert Schäfer beim Spiel gegen Energie Cottbus.

(Foto: dpa)

Präsident Dieter Schneider, 64, wandelt mit seinem Klub seit Monaten am Abgrund zum Amateurlager, aber die Situation zerrte an seinen Nerven selten wie in der Nacht zu Mittwoch, an dem er einen Anruf erwartete. Er sagt: "Ich habe sehr schlecht geschlafen." Denn in dem Telefonat ging es um ein Ja oder Nein, um Pleite oder Rettung. Der Mann am anderen Ende hat sich um 11 Uhr gemeldet, es war Hamada Iraki, ein Münchner Banker, der den Geschäftsmann Hasan Ismaik berät. Iraki sagte: ja.

Damit ist 1860 offenbar gerettet, zum Wochenbeginn will der Jordanier in München den Vertrag unterschreiben. Das Kreditinstitut seines Vertrauen überweist dann per Knopfdruck fix gut 18 Millionen Euro an die Löwen - und damit viel mehr Geld als bisher bekannt.

Über Summen redet jemand wie Ismaik natürlich nicht, man hat sie, also sagte er am Mittwoch der Süddeutschen Zeitung: "Obwohl unsere ursprüngliche Vereinbarung leider nicht eingehalten werden konnte und trotz des zusätzlichen Finanzbedarfs sind wir nun froh, eine Einigung mit unseren Freunden von 1860 erzielt zu haben. Wir mussten letztendlich weitere Zugeständnisse machen und einen höheren Preis als ursprünglich vereinbart hinlegen. Ich möchte mich aber herzlich bei den Funktionären von 1860 bedanken, vor allem bei Herrn Schneider für seinen enormen Einsatz."

Ursprünglich wollte und sollte der erste arabische Investor der Bundesliga, der im März plötzlich als wundersamer Retter aus Tausendundeiner Nacht erschien, 13 Millionen Euro für 49 Prozent der Anteile überweisen. Es wurde viel verhandelt über den Vertrag, um Ismaiks Mitspracherecht.

Vor einer Woche akzeptierte die Deutsche Fußball Liga (DFL) den Vertragsentwurf als vereinbar mit ihrer 50+1-Regel, die den Klubs die Entscheidungshoheit sichern soll. Trotz dieses Durchbruchs konnte 1860 nicht die Rettung feiern. Denn kurz zuvor war im Verein, der sich beim Herrichten für den Multimillionär Ismaik durchleuchten ließ und selbst auf Altlasten prüfte, ein Fünf-Millionen-Loch in der Wirtschaftsplanung für die neue Saison aufgetaucht.

Beim mutmaßlich von Geschäftsführer Robert Schäfer abgezeichneten Lizenzantrag hatte sich 1860 - entgegen früheren Gepflogenheiten und wohl wider interner Absprachen - "viel schlechter gemacht als wir sind", heißt es aus dem Klub. Der bei der DFL nachzuweisende Finanzbedarf erhöhte sich unnötig um die Millionensumme, da die Zielzahlen des seit Januar eingeleiteten Sparplans viel geringer ausfallen.

Nach SZ-Informationen belief sich der Mehrbedarf, der auch 1860 schockte, sogar auf 6,4 Millionen Euro. Just am Tag der DFL-Zusage erhielt Ismaik die Nachricht von diesem Eigentor, deshalb stand der Immobilien- und Ölrechte-Besitzer mit Hauptwohnsitz Abu Dhabi, vor der Frage: Gibt er viel mehr Geld als verabredet, obwohl er die Wende als Vertrauensbruch werten musste - oder senkt er den Daumen?

Namhafte Profis zur Rückrunde

Geschäftsführer Schäfer, 35, hatte ein unverhofftes Problem beim Wirtschaftsplan zuletzt noch als "Schwachsinn" abgetan. Präsident Schneider sprach am Mittwoch diplomatisch von "finanziellen Ungereimtheiten, aber jetzt sind wir uns in allen Kleinigkeiten einig". Nun sei noch "die Hausaufgabe mit Vermarkter IMG zu erledigen", doch auch hier komme man voran. "Leider ist noch mit IMG keine Einigung erzielt worden, wir sind aber zuversichtlich, auch da eine Einigung vor Unterschrift erzielen zu können", sagte Ismaik.

Am Montag, "spätestens aber am Dienstag" wolle er persönlich den Vertrag in München unterzeichnen. Denn Dienstag - zum Monatsende - muss 1860 der DFL die rund 18 Millionen Euro nachweisen, am 3. Juni tagt dann die Lizenzkommission des Verbands.

Mit der Ablöse von Vermarkter IMG, der Teilauszahlung der Altgläubiger und der Gründung einer Fanartikel-GmbH dürfte Ismaik auf einen Schlag fast 25 Millionen in den darbenden Traditionsklub pumpen. Mit dem Arena-Vermieter FC Bayern traf sich Schneider schon, der Nachbar hat "2,1 Millionen Euro gestundet", sagte Finanzchef Karl Hopfner der SZ, "das Geld bekommen wir zum Juli zurück, da waren schon Nachlässe drin."

1860 und Investor Ismaik wollen nun die nächste Hinrunde nutzen, ihre Kooperation einzuspielen; ein neuer Finanzmanager wird eingestellt. Ismaik wird zudem einen Trikotsponsor vorstellen, "davon gehe ich aus", sagt Schneider. Ein neuer Sportchef und namhafte Profis, ergänzt er, dürften frühestens zur Rückserie dazustoßen.

Nach einem Übergangsjahr werde dann 2012/2013 angegriffen: "Ab der Saison darauf ist der Aufstieg natürlich ein Ziel." Investor Ismaik formuliert es so: "Wir möchten mit unseren Freunden von 1860 München jetzt eine neue erfolgreiche Zukunft gestalten, damit wir alle, vor allem unsere Fans, die ich an dieser Stelle für die starke Unterstützung ganz herzlich bedanken möchte, viel Freude an 1860 München haben. Wir sind noch am Anfang und von unseren Ziele noch weit entfernt - die Arbeit fängt erst jetzt an."

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