Süddeutsche Zeitung

Finanzkrise bei 1860 München:Prima Schulden

Zweitligist 1860 München und Investor Ismaik stehen kurz davor, ihre Finanzlücke zu schließen - und haben aus diesem Anlass einen Lösungsansatz für künftige Investitionen gefunden. Allerdings stehen noch wichtige Unterschriften aus.

Markus Schäflein und Philipp Schneider

Im Fanartikel-Shop des Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München gibt es seit kurzem einen neuen Artikel zu erwerben. Eine Spardose. Gefertigt ist diese Dose in Form eines Löwen aus Polyresin, einer Art flüssigem Kunstharz, das als absolut bruchfest, witterungssicher und frostbeständig gilt. Eine feine Sache also.

Mit etwas Glück wird sich dieser neue Artikel ganz vortrefflich verkaufen und so den jährlichen Gewinn der Fanartikel GmbH von zuletzt 140.000 Euro im nächsten Jahr weiter in die Höhe treiben - von dem der Großteil wiederum ohne Umwege direkt in die Spardose von Investor Hasan Ismaik fließen könnte.

Am Sonntagabend jedenfalls saß 1860-Präsident Dieter Schneider vor seinem PC und las alle E-Mails, die Ismaik und sein Vertreter Hamada Iraki übers Wochenende geschickt hatten. "Ich arbeite mich durch die schriftlichen Fassungen dessen, was wir in den vergangenen Tagen kreuz und quer am Telefon geklärt haben", sagte Schneider, "den einen oder anderen Klärungsbedarf" entdeckte er dabei noch.

Die Pläne: Der e.V. soll seine Anteile an der Fanartikel GmbH dem Investor überschreiben. Geschäftsführer Robert Schäfer hofft, dass die Unterschriften von Statthalter Iraki und Präsidium des e.V. bis Mitte der Woche geleistet werden; dazu stehen noch die nötigen Unterschriften der Hauptversammlung aus, einem Gremium, in dem das Präsidium des e.V. vertreten ist.

"Wir stehen noch in Verhandlungen", sagte 1860-Vizepräsident Franz Maget, "bislang haben wir uns lediglich gegenseitig zugesichert, dass wir die DFL-Auflagen (bis zum 13. Januar 2,3 Millionen frisches Kapital, d. Red.) bis zum Stichtag erfüllen wollen."

Sowohl Kaufpreis als auch Laufzeit sind dabei noch nicht abschließend festgelegt. Der Vorschlag Ismaiks, der derzeit im Raum steht, sieht eine Million Euro für 20 Jahre vor. In diesem Jahr lag der Gewinn der GmbH bei 140.000 Euro, es gab jedoch bereits Geschäftsjahre mit Gewinnen von über 200.000 Euro. Bis zu einer - ebenfalls noch zu verhandelnden - Obergrenze fließt der gesamte Gewinn auf das Konto von Investor Ismaik, falls die Gesamtsumme jene Obergrenze überschreitet, wird sie unter den Vertragspartnern aufgeteilt.

In dem Vorschlag wird die Grenze mit etwa 120 000 Euro beziffert - was zu einem kleinen Rechenexempel einlädt: 20 Jahre à 120 000 Euro gleich 2,4 Millionen Euro, dazu ein satter Anteil der Mehreinnahmen im Falle eines Aufstiegs (was bei einer Laufzeit von 20 Jahren selbst bei Sechzig nicht vollkommen abwegig ist) - macht unterm Strich bei vorsichtiger Schätzung zwischen drei und vier Millionen Euro, die es für eine Million zu haben gibt.

Festgeschrieben werden soll nach Wunsch des Vereins zumindest, wie der Investor diese Gewinne dann in die Spielbetriebs-KGaA investiert. "Zu den Stellschrauben, an denen wir jetzt noch drehen können, gehört neben Kaufpreis und Laufzeit auch die Verwendung der Erlöse", meinte Maget. Zur ebenfalls wichtigen Frage, ob der Investor die Fanartikel GmbH weiterveräußern kann, sagte Schneider: "Wir machen uns über alle Eventualitäten sehr gute Gedanken."

Weil diese Million Euro nicht reicht, um das kurzfristige Finanzierungsloch zu füllen, kommt ein Darlehen in Höhe von 1,3 Millionen Euro dazu - das der Investor der KGaA zu einem Zins von fünf Prozent zur Verfügung stellt. Laut Geschäftsführer Schäfer muss dieses Darlehen von der KGaA nur getilgt werden, falls diese in einem Geschäftsjahr Gewinn erwirtschaftet (was zuletzt in der Saison 2006/07 der Fall war) oder Erlöse aus Spielertransfers erwirtschaftet.

Auch Schneider, der stets vor erneuter Verschuldung warnte, kann daher mit dieser Lösung leben: "Es ist eine Art von Darlehensverträgen, die nicht zur Überschuldung führen", sagte er. "Ob und inwieweit sie dann zurückgezahlt werden, ist offen - jedenfalls nur, wenn es liquiditätsmäßig möglich ist."

Diese Darlehen - mit Rangrücktrittserklärung, also eigenkapitalersetzendem Charakter - können demnach nicht zu einer Insolvenz führen; sie seien das Modell, in dem von Ismaik auch Investitionen in Spieler getätigt werden könnten: "Das ist das System, wie man es künftig handhaben kann", sagte Schneider. So haben die Löwen nicht nur ihre Finanzlücke gefüllt, sondern aus diesem Anlass offenbar auch einen Lösungsansatz für die Zukunft gefunden.

Ungeklärt ist dennoch, ob bis Ende der Transferperiode (31. Januar) noch Zugänge kommen. Dem Vernehmen nach soll Ismaik bereit sein, noch im Winter gut eine Million Euro für Transfers (Darlehensbasis) bereitzustellen. "Das ist eine Entscheidung, die der Investor treffen muss, weil es sein Geld ist", sagt Maget. "Er muss zu dem Ergebnis kommen: Unter diesen Bedingungen mache ich es. Und wir müssen darauf achten, dass es nicht zu einer Verschuldung der KGaA kommt - und dass 50+1 gewahrt wird."

Die Investorenseite hatte nämlich die Tage zwischen den Jahren genutzt, um sich bei der DFL zu erkundigen, ob von den im Kooperationsvertrag getroffenen Regelungen abgewichen werden könnte. Nachdem die DFL alle Vorschläge ablehnte - einen vermeintlich neutralen Mediator ebenso wie Entscheidungsbefugnisse für den paritätisch besetzten Beirat -, gibt es nun zumindest Anzeichen, dass auch die Investorenseite zu dem Ergebnis gekommen ist, dass sich 50+1 nicht aushebeln lässt.

Nun müssen sich Klub und Investor nur noch in den Details der vorrangigen Deals einigen, bis 13. Januar spätestens. "Wir werden das vielleicht auf den vorletzten Drücker machen", sagt Schneider, "aber nicht auf den letzten."

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SZ vom 09.01.2012/mkoh
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