Finalspiele der NBA:LeBron und seine Kettenraucher

Cleveland Cavaliers v Boston Celtics - Game Seven

Die Cavaliers packen beinahe alles auf seine breiten Schultern: Während der entscheidenden Partie bei den Boston Celtics war LeBron James die komplette Spielzeit über auf dem Parkett.

(Foto: Maddie Meyer/AFP)
  • LeBron James hat seine Cleveland Cavaliers fast alleine in die NBA-Finals gebracht.
  • Seine Auftritte sind so dominant, dass Fragen aufkommen, wofür er überhaupt Teamkollegen braucht.
  • Im Endspiel gegen die Golden State Warriors trifft sein Team auf eine Mannschaft, die ebenfalls aus lauter Einzelkönnern besteht.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Der Sketch über die Cleveland Cavaliers in der Satiresendung "Saturday Night Live" ist auch deshalb so witzig, weil er nur eine klitzekleine Überzeichnung der Wahrheit ist. Er handelt davon, was die Kollegen von LeBron James zum Erfolg des Vereins beitragen außer Abklatschen, Anfeuern und Aus-dem-Weg-Gehen - und die augenzwinkernde und dennoch sehr ernst gemeinte Botschaft lautet: Die Cavaliers hätten die Finalserie der nordamerikanischen Basketballliga NBA auch dann erreicht, wenn James gemeinsam mit einer Kettenraucherin, zwei Kleinkindern und einem Hund angetreten wäre.

"Die anderen Jungs werden nicht genügend respektiert - das passt mir nicht. Das sind NBA-Spieler, die ebenfalls hart gekämpft haben", sagt, nun ja, nicht LeBron James, sondern Steph Curry vom Finalgegner Golden State Warriors, die in der Halbfinale-Serie gegen die Houston Rockets (4:3) bewiesen haben, dass drei Dinge auf der Welt unvermeidlich sind: der Tod, die Steuern und Aufholjagden der Warriors im dritten Spielabschnitt. Zwei Mal nacheinander sind sie nach jeweils zweistelligem Rückstand zur Halbzeit zurückgekommen und haben so für die seit vier Jahren unvermeidliche Finalserie gesorgt.

Lob voller giftiger Spitzen

Zwei Mal, 2015 und 2017, gewannen die Warriors, dazwischen waren die Cavaliers erfolgreich - und in dieser Saison geht es noch mehr als bei den Duellen davor um die Frage, ob NBA-Basketball wirklich noch ein Mannschaftssport ist. Die Warriors können die Last auf derart viele begabte Schultern verteilen, dass sie nur von Unachtsamkeit und Unglück besiegt werden können, die Cavaliers packen beinahe alles auf die breiten Schultern des außerweltlichen Einzelkönners James, während der entscheidenden Partie bei den Boston Celtics am Sonntag etwa war er die komplette Spielzeit über auf dem Parkett. "Es ist unglaublich, wie beständig und wie lange er dieses hohe Niveau in der Eastern Conference gezeigt hat", sagt Curry.

Es klingt immer ein bisschen verdächtig, wenn der Starspieler der einen Mannschaft die Akteure des künftigen Gegners derart verteidigt, gerade beim Basketball, wo die kreative Beleidigung des Rivalen gepflegt wird wie sonst nur beim Boxen, und man muss deshalb ganz genau lesen, was Curry da gesagt hat. Er sagte: "Das sind NBA-Spieler." Er sagte nicht, sie seien gute oder gar großartige NBA-Spieler - und auch das überschwängliche Lob für James war mit einer Prise Salz garniert: Er verwendete diese Einschränkung, und das ist wichtig: Eastern Conference.

Die Warriors halten die Finalniederlage vor zwei Jahren, nach 3:1-Führung in der Best-of-seven-Serie, noch immer für eine Mischung aus Unachtsamkeit und Unglück. James hat nun zum achten Mal nacheinander und zum neunten Mal insgesamt die Finalserie erreicht. Das ist eine erstaunliche, ja legendäre Leistung, wenn man bedenkt, dass knapp 80 Prozent aller aktuellen NBA-Spieler beim Finale 2011 gegen die Dallas Mavericks noch keine Profis gewesen sind.

Allerdings ist James immer über die nach allgemeinem Dafürhalten schwächere Eastern Conference ins Finale gekommen, und er hat bislang fünf von acht Finalserien verloren. Womöglich sagte Curry vor der ersten Partie am Donnerstag in Oakland auch deshalb "Eastern Conference", um seinen Rivalen ein bisschen zu ärgern. Curry selbst steht ja nun, darauf wies er aber wirklich nur am Rande hin, zum vierten Mal nacheinander im Finale.

Gibt es ein 4:0 für Golden State?

Unvergessliche Playoff-Serien werden immer auch durch die packenden Duelle der Einzelkönner geprägt. Boston gegen die Los Angeles Lakers in den 1980er-Jahren zum Beispiel, das war Larry Bird gegen Magic Johnson, es war aber auch Robert Parish gegen Kareem-Abdul Jabbar und Kevin McHale gegen James Worthy. 2018 gibt es Steph Curry gegen LeBron James. Man könnte auch sagen: Klay Thompson gegen J.R. Smith; Kevin Durant gegen Kevin Love; Draymond Green gegen Tristan Thompson. Aber bei allem Respekt vor Smith, Love und Thompson: Fair klingt das nicht, und es gibt etliche Beobachter, die einen 4:0-Sieg der Warriors prognostizieren.

Die Warriors betreiben Basketball auf den ersten Blick als Mannschaftssport, was sollen sie angesichts derart vieler talentierter Spieler auch anderes tun? Allerdings befinden sich neben den vier All-Stars und dem womöglich zur Finalserie wieder genesenen Andre Iguodala nur Akteure im Kader, die Curry ebenfalls lediglich als "NBA-Spieler" bezeichnen würde. Die Stars wirkten gerade in der Serie gegen Houston bisweilen müde und unkonzentriert, und sie gewannen gegen die Rockets nicht wegen des formidablen Zusammenspiels, sondern weil sie sich darauf verlassen konnten, dass schon irgendwann einer der Scharfschützen Durant, Curry und Thompson heißlaufen würde.

Der Erfolg kam nicht unbedingt über das Kollektiv zustande, sondern eher über die erstaunliche Qualität der Einzelspieler, und Trainer Steve Kerr grummelte nach beinahe jeder Partie im Halbfinale, nach dem ersten Spielabschnitt der entscheidenden Partie blaffte er gar ins TV-Mikrofon: "Das ist eines schlechtesten Viertel, die wir jemals gespielt haben, und trotzdem sind wir nur fünf Punkte zurück." Er fügte an, und besser kann man die Philosophie der Warriors in dieser Saison kaum zusammenfassen: "Wenn wir uns zusammenreißen, wird das schon gutgehen."

Die Cavaliers haben den alles überstrahlenden James, 33, der in Spiel sieben bis auf zwei Konter bei jedem Spielzug seiner Mannschaft den Ball berührte und an zwei Dritteln der Punkte direkt beteiligt war. In diesen Playoffs hat er Partien gegen Indiana und Toronto mit Würfen in letzter Sekunde entschieden, er schaffte bislang pro Spiel 34 Punkte, 9,2 Rebounds und 8,8 Vorlagen, und es heißt, dass die Marke LeBron James derzeit mehr wert sei als die Marke Cleveland Cavaliers.

Das klingt alles sehr nach Einzelsport. Der Verein hat seinen Kader vor und während der Saison heftig umgebaut, es unterwerfen sich nun alle Akteure dieser Alles-für-LeBron-Philosophie. Das ist nicht immer schön anzusehen, es mag für die Kollegen auch frustrierend sein, wenn sie bei "Saturday Night Live" verkohlt werden. Es führt jedoch dazu, dass auf der Welt derzeit vier Dinge unvermeidlich sind: der Tod, die Steuern, Aufholjagden der Warriors im dritten Viertel - und eine Titelchance für die von LeBron angeführte Mannschaft.

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