Bo Kanda Lita Baehre:Hohe Sprünge, feine Gedanken

Bo Kanda Lita Baehre: "Es gibt wenige Disziplinen, die so showtauglich sind wie der Stabhochsprung", sagt Bo Kanda Lita Baehre.

"Es gibt wenige Disziplinen, die so showtauglich sind wie der Stabhochsprung", sagt Bo Kanda Lita Baehre.

(Foto: Soeren Stache/dpa)

Mit Mätzchen und Jubelposen verwandelt der Stabhochspringer Bo Kanda Lita Baehre die Finals in Berlin kurzzeitig in eine Sommerparty. Doch er ist nicht bloß ein Showmensch, sondern einer mit Tiefgang.

Von Johannes Knuth, Berlin

"Ich liebe die Show, ich lebe in der Show", sagt Bo Kanda Lita Baehre, "und es gibt wenige Disziplinen, die so showtauglich sind wie der Stabhochsprung." Und wer daran jemals zweifelte, der musste am Wochenende bloß ins spärlich besetzte Olympiastadion blicken.

Lita Baehre schaffte es da, die wenigen Tausend Anwesenden am Samstagvormittag so sehr zum Jubeln zu bringen, dass man sich für einen Moment bei einer rauschenden Sommerparty wähnte. Er tanzte über die Matte, als er 5,70 Meter geschafft hatte, er breitete die Arme aus, nachdem er über 5,80 gesegelt war, eine Höhe, die keiner seiner Konkurrenten mehr schaffte. Nach gemeisterten 5,85 Metern, vier Zentimeter über der alten Bestleistung, stolzierte er über die Laufbahn, wie ein Model auf einem blauen Steg. Bei 5,90 Metern spannte er die Muskeln und hüpfte so lange durch die Mittagshitze, dass es ihn kurz danach in die Knie zwang, und warum auch nicht: 5,90 Meter, das haben in Deutschland überhaupt erst sieben Springer vollbracht.

Später, nachdem die Kameras alle Mätzchen und Muskelposen eingefangen hatten, sprach Lita Baehre mit sanfter Stimme über sein persönliches Rahmenprogramm. "Es ist einfach toll, den Leuten etwas wiederzugeben, dass sie Spaß haben, dass ich mit ihnen Spaß habe, dass es kein langweiliger Wettkampf wird", sagte er. Seinen Jubel könne man durchaus als Teil seines Sprunges verstehen, aber ihn nur als Showman abzutun? Das wird ihm auch nicht gerecht.

Der Stabhochsprung sei eine Welt, "in dem man sich so sehr austoben kann", sagt Lita Baehre

Schon eher ist er ein Showman mit sensibler, feingeistiger Seite. Einer, der im ersten Moment darüber redet, wie sein Glaube ihm dabei hilft, ausgeglichener zu sein, nichts zu überstürzen, die Hoffnung zu wahren. Der in der anderen Sekunde über den russischen Angriffskrieg sinniert ("ich finde es unheimlich traurig, dass unschuldige Menschen, vor allem Kinder bangen müssen, die ihr ganzes Leben noch vor sich haben"). Oder darüber, wie seine Mutter ihn und den Bruder großzog, alleine, ihnen dabei vermittelte, sich nicht auf einmalig Geleistetem auszuruhen, sich auch nicht runterziehen zu lassen, von Kommentaren in der Schule oder von Konkurrenten etwa, die nur die Mätzchen sahen und Lita Baehre als arrogant empfanden.

Bo Kanda Lita Baehre: Zum Showmenschen geboren: Bo Kanda Lita Baehre in Berlin.

Zum Showmenschen geboren: Bo Kanda Lita Baehre in Berlin.

(Foto: Alex Grimm/Getty Images)

Das ist jedenfalls eine spannende Ehe: Der 23-Jährige und der Stabhochsprung, eine Welt der Artisten und Showmenschen, "in dem man sich so sehr austoben kann", findet Lita Baehre und der zugleich so komplex ist, dass selbst Zauberschülern manchmal die Kunst entgleitet. Wenn ihn der Sport in den vergangenen Jahren eines gelehrt habe, sagte Lita Baehre am Wochenende, sei es "Geduld".

2016, mit 17, gewann er Silber bei den U-18-Europameisterschaften, ein Jahr darauf seinen ersten deutschen Freiluft-Titel bei den Erwachsenen, mit 5,60 Metern. Die spannende Frage bei diesen Hochbegabten ist nur meist, wie sie damit umgehen, wenn es das erste Mal nicht mehr weitergeht, aber Lita Baehre war auch da in guten Händen. Er trainiert schon seit sieben Jahren am Stützpunkt in Leverkusen, bei Bundestrainerin Christine Adams, und auch wenn längst nicht alle Umzüge von großen Talenten an diese Leistungszentren gelingen: Mit Adams habe er sich schnell verstanden, hat Lita Baehre einmal erzählt.

In Torben Blech, am Samstag Dritter hinter Vorjahressieger Oleg Zernikel (beide 5,70), hat er einen einer der stärksten Konkurrenten in der Trainingsgruppe. Und am wichtigsten, sagte Lita Baehre in Berlin, sei die Geduld, die ihm die Trainerin vorlebe. Dass sie ihn auch mal aus kürzerem Anlauf springen ließ, weil sein Körper nicht bereit war für die großen Höhen. Noch nicht.

Lita Baehre ist mit 5,90 Metern jetzt die Nummer drei der Welt

Und wenn es dann weitergeht, wie jetzt: "Dann wertschätzt man auch die Erfolge mehr", sagte Lita Baehre. Dann fließt alles ineinander, Anlauf, Absprung, das Emporturnen am Stab, was er so gut kann wie kaum ein anderer; da weiß er, was er macht, ohne darüber nachzudenken. Auch sein Gemüt lässt Lita Baehre oft als jemanden daherkommen, der älter wirkt als 23 Jahre, wenn er etwa Dinge sagt wie: "Diese Sechs-Meter-Barriere, die ist auch nur so magisch, weil die Leute so darüber reden." Er sehe das eher als Durchgangsstation, es geht international ja längst höher, vor allem bei Armand Duplantis, der sich gerade an 6,21 Metern versucht. Ihn frustriere das gar nicht, sagte Lita Baehre jetzt: "Wenn jemand besser ist, sollte es der Ansporn im Leistungssport sein, sich davon nicht unterkriegen zu lassen."

Mit Prognosen ist das immer so eine Sache, im Stabhochsprung ohnehin. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass es bei Lita Baehre auf einmal schneller geht als viele zuletzt dachten. Er ist mit 5,90 Metern jetzt die Nummer drei der Welt, "und von den Fähigkeiten, wo ich jetzt stehe, bin ich auf jeden Fall näher dran, international mitzumischen". Er meint: näher als 2019, als er in Doha WM-Vierter wurde. Da empfinde er es auch nicht als hinderlich, dass WM und EM nun binnen weniger Wochen anstehen: "Es wird nicht leicht, aber man kann es genauso als Chance nutzen. Ich finde, zwei Meisterschaften sind top." Zwei Chancen, auch auf die nächste Show.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: