Finale in der Deutschen Eishockey Liga:Herz-Klopfen

Lesezeit: 3 min

Müde: Aber durchschnaufen können die Spieler des EHC RB München nicht. Wenn sie im Rennen um den Titel bleiben wollen, müssen sie am Mittwoch gewinnen. (Foto: Jürgen Engler/Nordphoto/Imago)

Vier Spiele in fünf Tagen: Die Belastungen für die Finalisten in der DEL sind extrem, den Spielplan finden beide Teams "äußerst unglücklich". Titelverteidiger Berlin könnte am Mittwoch den entscheidenden Sieg landen.

Von Christian Bernhard und Johannes Schnitzler, Berlin/München

Serge Aubin reichten eine Geste und drei Worte, um zu erklären, wo seine Mannschaft bloß all die Kraft hernehme. Sechs Mal klopfte sich der Trainer der Eisbären Berlin mit seiner rechten Hand auf den Brustkorb und sagte dabei: "Ein großes Herz." Mehr Gestik offenbarte Aubin auf dem Pressepodium nicht, sein Oberkörper, sein Blick, alles war ruhig und fokussiert.

Das Finale um den Titel in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) zwischen den Eisbären und dem EHC Red Bull München, die vier der fünf zurückliegenden DEL-Meistertitel unter sich aufgeteilt haben, hätte viele erzählenswerte Geschichten parat. Jene von Münchens Trainer Don Jackson etwa, der fünf seiner acht DEL-Titel mit den Eisbären gewonnen hat, ehe er den EHC zum dreimaligen Meister machte. Oder das Kuriosum, dass die Berliner, mit acht Meisterschaften DEL-Rekordtitelträger, noch keine Playoff-Serie gegen die Münchner gewonnen haben - 2018 unterlagen sie im alles entscheidenden siebten Finalspiel.

Das alles beherrschende Thema dieser Best-of-five-Serie ist aber die Terminansetzung - und die daraus resultierende Belastung für Spieler und Trainer. Donnerstag, Freitag, Sonntag, Montag: Die Eisbären bestritten in diesen fünf Tagen inklusive Halbfinale vier Playoff-Spiele. Und das so gut, dass Aubin am späten Montagabend auf sein Herz klopfte, denn durch den 2:1-Heimsieg übernahmen sie auch in der Serie die 2:1-Führung. Alle drei bisherigen Finalspiele endeten mit nur einem Tor Unterschied. Einen Tag zuvor war die Entscheidung in München erst in der zweiten Verlängerung, in Minute 84, zugunsten der Eisbären gefallen. Diese können nun mit einem Sieg am Mittwoch (19.30 Uhr) in der Münchner Olympia-Eishalle die Titelverteidigung perfekt machen.

Die Sprachregelung, die beide Klubs in der Öffentlichkeit bezüglich der Spielansetzungen wählten, lautet: "äußerst unglücklich." Ein Grund dafür ist, dass die Berliner Arena wegen anderer, bereits seit Längerem terminierter Veranstaltungen nicht mehr verfügbar war. Die DEL berief sich darauf, die Termine mit allen Klubs abgesprochen zu haben, die Eisbären konterten, dass sie sehr wohl auf die mögliche Terminkollision hingewiesen hätten, nämlich, als die Liga beschloss, die Hauptrunde um eine Woche zu verlängern, um am Ende dieser zweiten Pandemiesaison möglichst vielen Klubs noch so viele Spiele wie möglich vor Publikum zu gewähren. "Verrückte Playoffs", sagte Berlins Sportdirektor Stephane Richer am Sonntagabend vor der Münchner Olympia-Eishalle, während ein Berliner Spieler nach dem anderen zum Mannschaftsbus huschte. Direkt nach einem Finale zum Flughafen zu hetzen, um noch dorthin zu kommen, wo schon am nächsten Tag wieder gespielt wird, ist dieses Jahr für beide Finalisten zum Standardprogramm geworden. "Der Spielplan ist überragend hart für die Jungs", sagte Richer, er lachte dabei.

Fußball-Trainer Steffen Baumgart findet die Strapazen der Eishockeyprofis "extrem enorm"

Die körperliche Belastung für die Spieler ist immens. Berlins Nationalverteidiger Jonas Müller spulte alleine in den zwei Spielen am Sonntag und Montag knapp 54 Minuten Eiszeit herunter. "Back-to-back-Spiele sind sehr hart für die Spieler - nicht nur physisch, auch mental", sagte Eisbären-Trainer Aubin. Die Spieler seien schließlich "keine Roboter".

Auch Bundestrainer Toni Söderholm, der kommende Woche den Kader für die am 13. Mai beginnende Weltmeisterschaft in Finnland bekanntgeben will, macht sich Sorgen. "Man merkt schon auch bei uns, wie viele Spieler jetzt verletzt sind. Oder wie viele Spieler einfach am Ende sind und sagen: ,Ich kann keinen Puck oder Schläger mehr sehen'", sagte Söderholm am Dienstag und mahnte, auf diese Stimmen zu hören: Zu hohe Belastung führe zu mehr Verletzungen, darunter leide die Qualität des Spiels, was wiederum Zuschauer koste. "Wenn der Zuschauer es nicht so geil findet, kommt er nicht ins Stadion. Wenn er nicht ins Stadion kommt, haben wir weniger Geld", folgerte Söderholm.

Steffen Baumgart, Trainer des Fußball-Bundesligisten 1. FC Köln und auf den Themengebieten Emotionalität und Intensität sehr bewandert, verfolgte das dritte Finalspiel am Montag in der Berliner Arena am Ostbahnhof und richtete den Fokus auf ein Thema, das zusätzlich zu den intensiven Spielbelastungen hinzukommt: die Hin-und-Her-Reiserei zwischen den Spielen. Die Leistung auf dem Eis sei das eine, aber die Reisestrapazen für beide Teams seien "extrem enorm", das werde oft unterschätzt, sagte Baumgart beim Sender Magentasport. "Wenn alles runtersackt", dann kämen erst die Schmerzen. Wenn man dann noch stundenlang im Bus oder Flugzeug sitze, werde es besonders schwierig, zur Ruhe zu kommen.

Entscheidend ist die Regeneration, da sind sich Aubin und Jackson einig. "Erholung, Erholung, Erholung. Und Essen, das ist das Wichtigste", sagte Jackson. Essen, trinken, auf den Körper schauen und "so viel wie möglich Ruhe bekommen", darum gehe es jetzt, sagte Aubin. "Wir werden bereit sein." Am Mittwoch, in München. Und eventuell ein letztes Mal am Donnerstag. Dann wieder in Berlin.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: