French-Open-Finale:Im Club der Grand-Slam-Siegerinnen

Lesezeit: 3 min

Ein vorhersehbarer Sieg? Irgendwie schon. Und trotzdem ist die Leistung von Maria Scharapowa, die sie auf den Sandplatz im Stade Roland Garros zeigte, beeindruckend. Nach zwei Sätzen gewinnt die Russin ihre ersten French Open und damit alle vier Grand-Slam-Turniere mindestens ein Mal.

Milan Pavlovic, Paris

Natürlich, keine Frage, was denn sonst? Der Sieg von Maria Scharapowa im Finale der French Open gegen die kleine Italienerin Sara Errani dürfte niemanden überraschen. Zu groß sind die körperlichen Unterschiede zwischen den beiden, zu groß ist der Erfahrungsvorsprung der Russin, zu groß waren die Anstrengungen der 25-jährigen Außenseiterin, um so weit zu kommen - sie hatte ja nicht bloß das Einzel-Finale an der Porte d'Auteuil erreicht, sondern obendrein zusammen mit Roberta Vinci die Doppel-Konkurrenz gewonnen.

Härter, schneller, lauter auf dem Platz - und am Ende doch ganz ruhig. Maria Scharapowa genießt den Triumph im Stade Roland Garros. (Foto: REUTERS)

Und doch!

Eben weil Scharapowa die derart eindeutige Favoritin war; weil für sie die historische Chance auf dem Spiel stand, erst als sechste Spielerin der Profi-Ära seit 1968 bei allen vier Grand-Slam-Turnieren zu gewinnen - gerade deshalb war der Sieg, war die Leistung an diesem wolkenverhangenen Samstagnachmittag nicht hoch genug einzuschätzen.

Scharapowa begann härter, schneller und lauter, als es die Feuerwehr erlaubt. Mit den üblichen markerschütternden Schreien begleitete die 25-Jährige jeden ihrer Schläge, und Errani war sichtlich beeindruckt. Wie ihre Gegnerin war auch die Italienerin als Zwölfjährige nach Florida in die Tennis-Academy von Nick Bollettieri geschickt worden.

Die beiden 1987 geborenen Finalistinnen trennen nur zehn Tage, und dennoch waren sie sich in dem einen gemeinsamen Jahr in Florida nie auf dem Platz begegnet. Errani flüchtete nach nur zwölf Monaten zurück nach Europa. Die heute in der Emilia Romagna residierende, aber zumeist in Valencia trainierende Italienerin wusste zwar, was sie von ihrer prominenten Gegnerin zu erwarten hatte - aber nicht, wie es anfühlen würde.

Die Frau aus Bologna, die mit 1,64 Meter 24 Zentimeter kleiner geraten ist als ihre Gegnerin, brauchte jedenfalls eine Weile, um sich an Scharapowas Spiel zu gewöhnen - deutlich länger, als es umgekehrt der Fall war: Die Russin servierte hart und ohne Spin, und ihre Grundschläge kamen flach und kompromisslos. Und wie erwartet zerpflückte sie den schüchternen Aufschlag Erranis vom zweiten Punkt an. Das war so konstant und genau weder den ehemaligen Paris-Siegerinnen Ana Ivanovic (3. Runde), Swetlana Kusnezowa (Achtelfinale), Angelique Kerber (Viertelfinale) und Samantha Stosur (Halbfinale) gelungen.

Scharapowa hielt die Ballwechsel auf diese Weise kurz, was Errani nicht gefallen konnte. Nach nicht einmal einer Viertelstunde stand es 4:0 für die Russin, und die langgezogenen Ooohs der Zuschauer bei den zehn mächtigen Gewinnschlägen der Favoritin unterstrichen, dass das Finale als Duell zweier Frauen aus unterschiedlichen Gewichtsklassen wahrgenommen wurde. Errani wirkte mit jedem Longline-Winner ihrer Gegnerin noch ein paar Zentimeter kleiner.

French-Open-Finale 2012
:Scharapowa strahlt und siegt

Maria Scharapowa ist die neue Nummer eins im Frauen-Tennis und Siegerin der French Open in Paris: Die Russin gewinnt überlegen gegen die Italienerin Sara Errani - und feiert anschließend mit Monica Seles.

In Bildern

"Du kannst es dir gegen solche Gegner nicht leisten, so schlecht anzufangen", sagte Errani später. "Ich wollte sie in lange Ballwechsel verstricken, aber das sie lange nicht zugelassen." Scharapowa machte die Punkte oder die Fehler, so dass die Italienerin nur schwer in ihren Grundlinienwühler-Rhythmus hereinkam. Erst bei 1:4-Rückstand kam es zum ersten Ballwechsel, in dem beide mehrere tolle Schläge zeigten, den Errani für sich entscheiden konnte. Und fortan war sie etwas besser in der Partie.

French-Open-Finale 2012
:Scharapowa strahlt und siegt

Maria Scharapowa ist die neue Nummer eins im Frauen-Tennis und Siegerin der French Open in Paris: Die Russin gewinnt überlegen gegen die Italienerin Sara Errani - und feiert anschließend mit Monica Seles.

In Bildern

Weil Scharapowa ihren Grundlinienschlägen auch diesmal fast nie nachging und es Errani erlaubte, Bälle an den Grundlinien im Stil einer Arantxa Sánchez-Vicario auszubuddeln, wurden die Ballwechsel länger, umkämpfter und aus Sicht der Außenseiterin erfolgreicher.

Oft sah es so aus, als müsste Scharapowa die Punkte bei Grundlinienduellen dreimal machen, um die Punkte auch wirklich angeschrieben zu bekommen. Bei 5:3 und 30:30 gelangen der Favoritin allerdings zwei weitere beeindruckende Gewinnschläge (Nr. 16 und 17 in diesem Durchgang), und der halbe Weg zum Maria-Slam war vollbracht.

Der zweite Satz begann für Errani ähnlich schlecht wie der erste. Sie verlor gleich ihr erstes Aufschlagspiel (zu null), und so sehr sie danach kämpfte, und das immer besser, so sehr lief sie stets diesem Rückstand hinterher. Sie versuchte vieles: stellte sich näher an die Grundlinie, versah ihre Schläge mit weniger Top Spin, um die Gegnerin stärker unter Druck setzen und selbst mitunter ans Netz vorrücken zu können; begann, das Spiel von Scharapowa besser zu entschlüsseln, wurde seltener auf dem falschen Fuß erwischt und positionierte sich entschiedener zum Return - doch auch wenn sie nun mehr und spektakulärere Punkte erzielte, gewann ihre Kontrahentin immer noch viele schnelle Punkte. Zu viele.

Erst als Scharapowa 4:1 und 30:0 führte, schwang die Italiener freier und verkürzte auf 2:4. Das Publikum trieb die Außenseiterin an, die nun immer häufiger mit gelungenen Stops operierte und sich nach Punktgewinnen mit kurzen, spitzen Rufen anfeuerten.

Die Zuschauer hofften auf eine Verlängerung der Partie und einen (noch) härteren Kampf. Aber das zerschlug sich rasch, denn bei 4:2 gelangen Scharapowa zwei wunderbare Rückhandwinner longline. Bei 5:2 überstand sie einen letzten Breakball der Italienerin. Und nach 89 Minuten zog sie gleich mit Legenden der Tennis-Geschichte: Billie Jean King, Chris Evert, Martina Navratilova, Steffi Graf und Serena Williams haben in Maria Scharapowa eine neue Kollegin im Club der Grand-Slam-Siegerinnen bekommen.

© sueddeutsche.de/mp - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: