Final Four der Nations League:Eine Extraportion Titelkampf

Mandatory Credit: Photo by Kieran McManus/BPI/Shutterstock (12198179gp) Players line up for a free kick into the penalty; x

Schon wieder Italien gegen Spanien: In der Nations League kommt es zur Neuauflage des umkämpften EM-Halbfinales im Juli.

(Foto: Kieran McManus/BPI/Shutterstock / Imago)

Die Nations League ist ein sperriger Wettbewerb, doch das Finalturnier ist hoch attraktiv - mit dem Weltmeister, dem Europameister und dem Weltranglisten-Ersten. Der größte Druck lastet auf den Spaniern.

Von Javier Cáceres, Mailand

Der Herbst ist eingezogen in der Lombardei, in all seiner crudezza, mit tropisch anmutenden Regenfällen und ungemütlichen Winden. Doch was macht das schon aus, wenn die Erinnerung an die Sommersonne wachgehalten wird?

Montagabend in Mailand, in einem Eventgebäude namens "Garage Italia" an der Viale Certosa, das eigentlich dem Automotorsport verbunden zu sein scheint, mit Spielzeug-Boliden, die über der Bar hängen, und einem mit Autogrammen übersäten Ferrari-Pilotenanzug, der hinter Glas angestrahlt wird wie eine Reliquie und der womöglich von Michael Schumacher stammt. Italiens Fußballverband FIGC hat hierher eingeladen und ein paar eigene Memorabilia mitgebracht, um die Enthüllung des neuen "institutionellen Logos" des Verbandes in passendem Ambiente zu begehen: vier Welt- und nun zwei Europameisterpokale - dank jener Trophäe, die die Italiener im Juli in London eroberten und durchs sonnendurchflutete Rom trugen.

Auf der Bühne kriegt sich die Moderatorin, eine Prominente aus dem italienischen Fernsehen, gar nicht mehr ein vor lauter hochtrabenden Worten, sie haucht Begriffe ins Mikrofon, die von "Werten" künden und von der Multidimensionalität des Fußballs, "belle parole" eben. Sie bietet damit beste Vorlagen, woraufhin Verbandspräsident Gabriele Gravina beim Sinnieren über den tieferen Sinn des neuen Logos von Floskelwolke zu Floskelwolke hüpft, von Teamgeist, Kontinuität und sogar von "amore" sprechen kann, bis er am Ende doch im Hier und Jetzt ankommt. Denn es steht ja schon wieder ein Turnier bevor: das "Final Four" der Nations League der europäischen Fußballunion Uefa, mit den Spielorten Mailand und Turin.

Im Halbfinale trifft Europameister Italien am Mittwochabend auf Spanien (20.45 Uhr, Dazn), und es gibt dabei so viel zu verteidigen: Italien ist seit 37 Spielen unbesiegt, länger als die einstigen Rekordhalter Brasilien (36 Spiele von 1993 bis 1996) und Spanien (35 von 2007 bis 2009). Diese Serie würde man ungern reißen lassen. "Luis Enrique hat schon recht, eines Tages wird Italien verlieren", zitiert Gravina den Trainer von Gegner Spanien - "aber nicht gegen euch!", betont er. Spekuliert wird, dass Italiens Trainer Roberto Mancini versuchen will, die Spanier mit deren eigenen Waffen zu schlagen und daher statt eines echten Mittelstürmers mit einer "falschen Neun" aufzulaufen plant - auch deshalb weil die erfahrene "echte Neun", der frühere Dortmunder Ciro Immobile, verletzt ist.

Die erlaubte Zuschauerzahl wird in Mailand und Turin wohl erreicht

Es wäre nicht nur übertrieben, sondern nachgerade gelogen, würde man behaupten, dass in Mailand am Vorabend der Partie gegen die Spanier mehr echte Fußballstimmung aufzusaugen war als die Verbandsshow in der "Garage Italia". Andererseits: Das Final-Tableau dieses jungen Europaturniers bietet ein beinahe maximal attraktives Teilnehmerfeld, fürs zweite Halbfinale (Donnerstag) kommen Frankreich und Belgien dazu. Die Nations-League-Idee, die unter dem früheren Uefa-Präsident Michel Platini 2014 endstand, geht mit diesem "Final Four" zumindest ein wenig auf. Diese Idee war ja, belanglose Freundschaftsspiele durch große Wettbewerbsemotionen zu ersetzen.

Das Projekt Nations League geriet jedoch etwas sperrig, der Modus wirkt kompliziert: mit verschachtelten Gruppen, mit Auf- und Abstiegen in und aus verschiedenen Divisionen - und mit der Möglichkeit , dank eines guten Abschneidens in diesem Wettbewerb als Zusatzstarter an WM-Playoffs teilzunehmen. Der Titelgewinn Portugals beim ersten Nations-League-Finalturnier 2019 (Endspiel: 1:0 gegen Niederlande) ging fast ein wenig unter.

Nun aber treffen sich in Norditalien die vier Gruppensieger der ersten Kategorie, der A-Division - und damit nicht nur Italien und Spanien, das in der Gruppenphase der Nations League Deutschland mit 6:0 düpierte, sondern am Donnerstag in Turin eben auch der Weltmeister Frankreich und der ewige Turnier-Geheimtipp Belgien, aktuell Spitzenreiter der Fifa-Weltrangliste. Spiel um Platz drei und Finale finden am Sonntag statt, und weil die Eintrittspreise für die Spiele vergleichsweise günstig sind, zwischen 10 und 70 Euro , dürfte die erlaubte Höchstauslastung von 50 Prozent in den Stadien von Mailand und Turin auch erreicht werden.

Nur Gianluigi Donnarumma, der zu Paris Saint-Germain gewechselte EM-Torwartheld der Italiener, ist ein wenig besorgt über das, was von den Rängen kommen könnte. Für ihn bedeutet die Partie gegen Spanien nicht nur die Neuauflage des EM-Halbfinales von Wembley, sondern auch die Rückkehr nach San Siro, ins Stadion seines alten Klubs AC Mailand. Dessen Fans sind Donnarumma immer noch gram, weil er sie nach dem EM-Titel verlassen hat. "Gewisse Dinge müssen beiseitegeschoben werden, wenn es um Italien geht", sagte Donnarumma dazu, bevor er am Montag kurz bei der Geburtstagsparty von Milan-Stürmer Zlatan Ibrahimovic vorbeischaute. "Ich bin immer noch ein Fan des AC Milan, dem ich bis zum letzten Augenblick alles gegeben habe", betonte er.

Der größere Druck lastet ohnehin auf den Spaniern, die eine Reihe von gravierenden Ausfällen verkraften müssen. Es fehlen die Stürmer Álvaro Morata und Gerard Moreno, ebenso in der Offensive Dani Olmo (RB Leipzig), der noch im EM-Halbfinale gegen Italien famos war. Zudem fallen Marcos Llorente, José Luis Gayà, Jordi Alba und Pedri aus. Und die Ersatzleute, die Trainer Luis Enrique präsentierte, sorgten in Spanien für Diskussionen.

Erstens, weil Enrique erneut keinen einzigen Spieler von Real Madrid nominierte, was den Medien der Hauptstadt sauer aufstieß. Zweitens, weil er in Sergi Roberto einem Spieler das Trikot mit der "10" übereignete, der beim FC Barcelona nur auf der Bank sitzt und außer Form ist. Drittens, weil er den 17-jährigen Gavi berief, der bisher auf kaum mehr als 350 Minuten Spielzeit bei Barcelonas Profis kam. Luis Enrique sagte: "Ich finde es großartig, dass es medialen Lärm gibt. Das bedeutet, dass wir um wirklich wichtige Dinge spielen."

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