Am Donnerstagabend startete in Berlin das 20. Internationale Fußballfilmfestival „11mm“, und es begann furios. Mit dem berührenden Film „Mädchen können kein Fußball spielen“ von Regisseur Torsten Körner, der seinem Untertitel („Eine Hommage an die Pionierinnen des Frauenfußballs“) vollumfänglich gerecht wird.
Berührend war der Eröffnungsabend aber nicht allein wegen des Films, der am 4. Juli in der ARD ausgestrahlt wird. Sondern zum Beispiel auch wegen der Emotionalität, die Marina Hegering verströmte, als sie sich nach der Vorführung zu zehn Protagonistinnen auf die Bühne gesellen durfte. Die frühere Nationalspielerin Hegering, die im Sommer vom VfL Wolfsburg zum 1. FC Köln wechseln wird, umarmte jede einzelne der ihr vorher größtenteils unbekannten Frauen, und in diese Geste konnte man große Dankbarkeit hineininterpretieren.

Frauen im Profisport:Sie wollten mehr, als nur die Männer zu beklatschen
Vor 100 Jahren wollte das IOC keine Sportlerinnen bei Olympia sehen, also veranstalteten diese ihre eigene "Frauenolympiade" - und starteten damit eine Bewegung.
Diese Dankbarkeit ist genauso angebracht, wie den Frauen das unprätentiöse, von übertriebenen Vergötterungen freie Denkmal gebührt, das der Film ihnen setzt. Vorreiterinnen wie Anne Trabant-Harbach, 1982 Kapitänin beim ersten offiziellen Frauenländerspiel des Deutschen Fußballbundes (DFB), oder Bärbel Wohlleben, die 1974 als erste Schützin ein „Tor des Monats“ erzielte, hatten in kurzen Hosen ähnliche Bedeutung wie Clara Zetkin, die einst für das Frauenwahlrecht kämpfte. Der Film kommt dabei ohne Glorifizierungen aus, sondern konstatiert einen Weg, der alles andere als einfach war und am Ende ermöglicht hat, dass Frauen professionell Fußball spielen können.
Als Wohlleben mit dem Preis für das „Tor des Monats“ ausgezeichnet wurde, war in der ARD ihre Frisur von Interesse
Emanzipatorische Gedanken hätten auf diesem Weg nicht im Vordergrund gestanden, „aber wir waren schon stolz, wenn wir die Jungs abzocken konnten“, sagte die frühere DDR-Nationalspielerin Doreen Meier. Doch aus diesem privaten Ansatz erwuchs gesellschaftliche Veränderung, die bis heute bewegt. Sie müsse immer noch jedes Mal weinen, wenn vor einem Frauenländerspiel die Hymne ertönt, sagte Trabant-Harbach, 76.
Was im Film auch fehlt: Schaum vor dem Mund. Körner, 59, lässt Archivbilder und die Protagonistinnen für sich selbst sprechen, es ist eine Dokumentation par excellence. Der Film zeichnet mit vielen kleinen, feinen Pinselstrichen nach, dass die Frauen damals nicht bloß Paternalismus, verletzende Kommentare und nachgerade voyeuristische Blicke, sondern auch absurde Gesellschaftsbilder überwinden mussten. Nicht nur im DFB, auch in Medien, die sich als liberal begriffen oder begreifen. Als Wohlleben von der ARD für ihr Tor ausgezeichnet wurde, musste sie im Studio die Frage beantworten, ob sie bei Kopfbällen nicht Angst um die frisch ondulierten Haare habe – dem Dauerwellen-Fan Kevin Keegan blieben solche Erkundigungen erspart. Es war bei Weitem nicht der verletzendste Kommentar, den die Frauen damals ertragen mussten.
Von 1955 bis 1970 war Frauenfußball in Deutschland verboten
Seinerzeit war nicht allzu lange her, dass der DFB das ab 1955 geltende Verbot für Vereine aufgehoben hatte, Frauen überhaupt nur einen Trainingsplatz zur Verfügung zu stellen. In der DDR hingegen war der Fußball den Frauen zumindest nicht verboten, feixte die in Gera geborene Meier. Im Archiv des DDR-Fernsehens fand Regisseur Körner einen Schnipsel, in dem ein Mann mit gewissem Stolz erklärt, dass seine Ehefrau mit der Rückennummer 7 auf dem Platz stehe. Die Bochumerin Petra Landers, 63, berichtete, dass sie sich mitunter vor die Wahl „Beziehung oder Fußball“ gestellt sah – und sich für Fußball entschied. Als sei er ihr persönlicher Garten Eden gewesen. Und geblieben.
Dieses Gefühl hatte sie offenkundig nicht exklusiv. Wohlleben erzählte, dass sie nach einem Spiel von der einstigen Schiedsrichter-Legende Walter Eschweiler in den Katakomben eines Stadions angesprochen wurde: „Eva! Ihr habt richtig gut Fußball gespielt“, habe Eschweiler gesagt. „Adam! Du hast richtig gut gepfiffen“, habe sie geantwortet.