Fiktiver Liveticker zum Finale:Und Großkreutz grölt "Europaaapokaaaaaaal"

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Mittendrin - und wie: Dortmunds Kevin Großkreutz beim Finale in London.  (Foto: Bongarts/Getty Images)

Der Fluxkompensator hat uns in die Zukunft gebeamt, das Endspiel um die Champions League ist längst vorüber - und was für ein Drama es war: Jupp Heynckes flüchtet erbost nach Madrid, die Kanzlerin verschwindet mit BVB-Boss Watzke und Kevin Großkreutz bewirbt sich für den Grand Prix. Der SZ-Liveticker zum Nachlesen.

Von Jonas Beckenkamp und Lisa Sonnabend

Es ist Samstagvormittag - Deutschland steht still. Nach einer exzessiven Serie von Hamsterkäufen sind sämtliche Supermärkte der Republik leer. Es gibt kein Bier mehr. Auch das Haargel ist aus, dafür hat Mario Gomez sieben Koffer gepackt. Das große Finale der Champions League beginnt in weniger als neun Stunden: 11 Uhr, London, die Frisur sitzt.

Im Teamhotel der Bayern versucht Pferdenarr Thomas Müller die nervös umhertigernden Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger zu beruhigen, und rezitiert ausgiebig aus der Wendy, die ihm seine Frau ins Gepäck gestopft hat. David Alaba und sein Kompagnon Franck Ribéry pilgern im Minutentakt zum Cola-Automaten, wo sie mit geklauten Blumenvasen Bierduschen üben. Das Haupt von Jupp Heynckes ziert bereits jetzt eine gewisse Röte, der Bayern-Trainer ist angespannt. Das gilt auch für Matthias Sammer, der die Spieler angestrengt vor dem Champions-League-Sieg warnt: "Wenn wir gewinnen, wäre das eine ganz schwierige Situation." Das gemeinsame Mittagessen mit dem BVB fällt mal wieder aus.

Auch bei der Borussia ist Nägelkauen angesagt, immerhin stimmt die musikalische Untermalung in der Hotellobby: Die DJs Marco Reus und Mario Götze legen ein Medley ihrer liebsten Justin-Bieber-Songs auf - es ist der letzte gemeinsame Auftritt. Auch Kevin Großkreutz hat Monumentales vor. Er kritzelt gedankenversunken in einem Formular herum. Im nächsten Jahr will er mit seinem Hit "Europapokaaaaal" beim Grand Prix antreten. Jürgen Klopp fläzt entspannt auf der Couch und schnurrt: "Einfach geil, meine Jungs."

17 Uhr: Tea Time im Buckingham Palace mit Angela Merkel und der Queen. Die Bundeskanzlerin quetscht sich ein "Marvellous" heraus. Die Queen - einst großer Fan von "Cleansman" - erkundigt sich, ob der blonde Trainer des BVB der Bruder ihres Lieblingsdeutschen sei. Merkel greift hastig zum nächsten Biscuit und wechselt das Thema: "Your Royal Highness, when is Kate's baby due?" Die Queen ist irritiert. Merkel verabschiedet sich hastig mit einem Knicks und macht sich auf Richtung Wembley.

19 Uhr: Ankunft der Mannschaften im Stadion. Die Fans beider Lager grölen: "Football is coming home." Die anwesenden Briten halten dagegen: "Always look on the bright side of life." Hilft ja nichts. Von alldem bleiben die Spieler unbehelligt, es gibt kein Ohrenpaar, das nicht in weiße Riesenkopfhörer gehüllt ist. Außer das von Ribéry: Der pfeift munter Alabas Lieblingssong "Großvater" von STS.

20.44 Uhr: Unter den Gästen auf der Tribüne tummelt sich allerlei Prominenz. Gary Lineker ist da und orakelt: "Und am Ende gewinnen sicher die Deutschen." Das sieht einer ganz anders: Bayern-Schreck Didier Drogba hat es sich ebenfalls am Shrimps-Buffet gemütlich gemacht. Als Reporter ihn nach seiner Einschätzung fragen, antwortet der Ivorer: "Das dachten vergangenes Jahr auch alle." Er puhlt genüsslich eine Garnele. Daneben haben sich zwanzig obskure Clubmanager aus aller Welt in der Loge eingefunden und wedeln mit unterschriftsreifen Verträgen in Richtung Robert Lewandowski. Nur einer ist etwas spät dran: Usain Bolt, der in 9,79 Sekunden von der U-Bahnstation Wembley auf seinen Platz hetzt und schnauft: "Wo gibt's hier Chicken Wings?"

Der Anpfiff ertönt - "Puuh, noch 120 Minuten bis zum Elfmeterschießen", denkt sich Bastian Schweinsteiger. Er visiert schon einmal den Spielertunnel an, in dem er sich später verstecken könnte.

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3. Minute: Damit konnte nun wirklich keiner rechnen: Elfmeter für den BVB! Wieder einmal leistet sich Jérôme Boateng einen grotesken Bock im eigenen Sechzehner. Eine Flanke von Kuba pflückt er mit beiden Händen aus der Luft und ruft: "Hab' isch sicher." Manuel Neuer versteht die Welt nicht mehr. Wieso hat er nur vorher mit Boateng in umgekehrter Rollenverteilung Flanken geübt? Schon jetzt läuft hier alles gegen die Bayern - Mats Hummels schlenzt den Elfer mit dem Außenrist in den Winkel.

11. Minute: Der Schock sitzt tiefer als der Ärmelkanal. Heynckes' Gesichtsfarbe geht gegen Magentarot, Klopp wippt lässig zum Takt eines Dortmunder Fangesanges: "Schade Bayern, alles ist vorbei." Bei den Münchner Anhängern herrscht blankes Entsetzen - sollte Bayern erneut verlieren, würde sogar das Frusttrinken ausfallen. Das britische Lager schmeckt unerträglich, die Pubs schließen um 23 Uhr. Da war selbst das Finale dahoam noch angenehmer.

20. Minute: Sammer schreit sich an der Seitenlinie die Kehle wund: Er warnt jetzt vor einer Finalniederlage. Sein Appell zeigt Wirkung. Und wie! Der nette Lahm reißt einem britischen Sex-Pistols-Fan in der ersten Reihe den Nietengürtel vom Leib und brüllt: "I am an anti-Christ, I am an anarchist!" Reus und Götze sind beeindruckt. Punk und ähnliches Gegröle kannten sie bisher nur von Singstar auf der Playstation.

29. Minute: Angespornt von Sammers Tiraden gewinnen die Bayern die Überhand. Martinez mutiert im Mittelfeld zum Alles-Umgrätscher, während Dante gegen Lewandowski mit Capoeira-Sprüngen dazwischen geht. Und vorne? Tankt sich Ribéry mit einem achtfachen Übersteiger durch und streckt dem BVB-Keeper Roman Weidenfeller währenddessen sogar noch die Zunge raus. Von hinten ruft Alaba: "Tua her, die Wuchtel, Oida." Doch der Filou macht genau das Richtige: Er wuchtet den Ball aus kurzer Distanz gegen Müllers Knie, von wo aus die Kugel ins Tor trudelt. Es steht 1:1 - auf der Tribüne verschluckt sich Elton John an den gerade gereichten Erdbeeren in der VIP-Lounge. Bei Sky brüllt Marcel Reif: "Diiiiiiiiiieeeeee Baaaaaaaaayerrrrrn, jetzt haben wir ein Fußballspiel."

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37. Minute: Das alte Oliver-Kahn-Credo ("Eier, wir brauchen Eier!") steht jetzt allen Münchnern ins Gesicht geschrieben. Schweinsteiger hat sich von Shaqiri ein Schweizer Taschenmesser gemopst und es sich zwischen die Zähne gesteckt. Lahm mutiert zu einem richtigen Ibrahimovic-Double: Er piesackt Marcel Schmelzer mit Deine-Mutter-Witzen.

44. Minute: Kurz vor der Halbzeit passiert Sensationelles: Als Heynckes auf den Rängen den kommenden Bayern-Coach Pep Guardiola erspäht, verliert er seine rheinische Contenance. Mit signalrotem Kopf flüchtet er aus der Arena. Über die Außenmikrofone der Fernsehsender ist nur noch zu hören: "Respektieren sie mich und meine Arbeit. Ich habe noch nie jemanden konsultiert, um mir Rat zu holen." Er hat genug - und nimmt die nächste Tube nach Gatwick. Nächster Abflug nach Madrid in 35 Minuten.

Halbzeit: In der Borussia-Kabine tritt Klopp gegen den Spind von Sebastian Kehl aus dem "Dieser Weg wird kein leichter sein" von Xavier Naidoo leiert. Ilkay Gündogan hat längst andere Sorgen: Seine Waden sind von Javi Martinez' Stollen durchlöchert, ähnlich ergeht es Lewandowski. Der Pole humpelt in die Kabine - vorher lässt er seine Berater aber noch ein paar Ausstiegsklauseln in die Verträge der zahlreichen anwesenden Clubmanager setzen. Lewandowski twittert: "Vielleicht spiele ich nächste Saison bei vier verschiedenen Klubs @PSG @fcbarcelona @fcbayern @schachtjordonezk."

51. Minute: Bayerns Interimstrainer Herrmann Gerland gerät mit Klopp aneinander, nachdem der sich über die Frisur des Münchners lustig gemacht hatte. Gerland brüllt: "Wat willst Du denn mit Deiner falschen Tapete?" Matthias Sammer verhält sich in der Debatte auffällig ruhig. Hatte im Vorfeld auch vor Haar-Ausfall gewarnt.

63. Minute: Apropos Haare - jetzt wechseln die Bayern Mario Gomez ein. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke ist fix und fertig. Seit dem Anpfiff hält Mutti Merkel fürsorglich seine Hand, doch auch das hilft jetzt nichts mehr - das Herz. Er verschwindet auf die Toilette. Auch die Kanzlerin verlässt die Tribüne, sie murmelt: "Wenn ich diesmal schon nicht zu meinem Schweini in die Kabine darf, dann geh ich eben zu Schmadtke aufs Klo." Karl-Heinz Rummenigge schüttelt verständnislos den Kopf, traut sich aber nicht, den Fauxpas zu korrigieren. Watzkes Herz bricht. Sportlich war er schon immer schwarz-gelb, jetzt ist er es auch politisch.

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77. Minute: Ein paar Stunden früher als geplant macht Götze plötzlich zu den Bayern rüber. Er humpelt von der BVB-Ersatzbank zwanzig Meter weiter und setzt sich neben Shaqiri. Der empfängt ihn mit einem "Gruezi, Kleiner", und reicht ihm ein Schweizer Leckerli.

83. Minute: Jetzt kracht es auf dem Feld. Beim aufmunternden Abklatschen mit dem Bayernmaskottchen Bernie kugelt sich Arjen Robben beide Schultern aus. Er sackt schmerzverzerrt in sich zusammen, dabei reißt er sich das rechte Außenband. Die Zuschauer sind entsetzt, jetzt singen alle: "Always look on the bright side of life..." Bayern-Doc Müller-Wohlfahrt wirft den Turbo an. In 2,41 Sekunden katapultiert er sich zum Verletzten. Als Usain Bolt dies auf den Rängen sieht, verschluckt er sich an einem Hühnchenknochen. Seine Ferndiagnose: gebrochener Weltrekord.

87. Minute: Die Bayern haben das Spiel dominiert, doch nun klärt Boateng per Kerze Richtung Münchner Autobahn. Erste Ecke für den BVB. Sämtlichen Bayern rutscht das Herz in die Hose. So lief es doch gegen Chelsea. Das weiß auch Marco Reus. Der forsche Borussia-Bubi flüstert im Vorbeilaufen Schweinsteiger zu: "And now goal." Was Uli Hoeneß mit monatelangen Streicheleinheiten nicht geschafft hatte, löst jetzt dieses Unverschämtheitchen auf. Schweinsteigers Brust schwillt auf Obelix-Niveau an, sein Trauma ist therapiert.

Er prügelt den Eckball weit nach vorne, sprintet hinterher, spielt Doppelpass mit sich selbst und ist plötzlich ganz alleine vor dem Tor. Ein Showdown, den Hollywood nicht besser produzieren könnte. Nur einer kann das Happy End jetzt noch verhindern: BVB-Keeper Weidenfeller. Der macht einen auf Bruce Lee - Schweinsteiger landet mit einer Ewald-Lienen-Gedächtnis-Fleischwunde in der Horizontalen. Elfmeter und Rot für Weidenfeller, das ganze Stadion japst nach Luft.

88. Minute: Die BVB-Bank ist entsetzt, Müller-Wohlfahrt beamt sich zum Unfallort und flickt Schweinsteiger notdürftig - nur einer bekommt von dem Trubel nichts mit: Kevin Großkreutz lädt gerade auf seinem iPad sein Youtube-Bewerbungsvideo auf die Eurovision-Plattform hoch. Klopp muss handeln. Er stopft den verdutzten Großkreutz in ein Torwarttrikot - und schubst ihn aufs Feld. "Wenn du den hältst, kriegst du zwölf Punkte von mir."

89. Minute: Großkreutz rennt wildentschlossen ins Tor und summt dabei seinen großen Hit: "Europapokaaaaal." Die Zeit scheint stehen zu bleiben. Alle Bayern-Sorgen verdichten sich in diesem Moment. Robben ist längst draußen, Müller und Neuer können sich beim Schnick-Schnack-Schnuck nicht auf die Regeln einigen. Es bleibt nur einer. Schweinsteiger schnappt sich die Kugel und nimmt Anlauf.

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