Deutsche Rolle im Weltfußball:Warum Deutschland im Fifa-Skandal schweigt

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Theo Zwanziger (l.) und Joseph Blatter brachten die WM 2006 und die Frauen-WM 2011 nach Deutschland. (Foto: dpa)

Beim Weltfußballverband gedeiht anscheinend eine Form der Organisierten Kriminalität. Der DFB könnte die Zustände wohl leicht ändern, tut es aber nicht.

Kommentar von Claudio Catuogno

Im Museum für Organisierte Kriminalität in Las Vegas gibt es seit Kurzem eine Ausstellung mit dem Namen "Das ,Schöne Spiel' wird hässlich". Sepp Blatter, der Präsident des Welt-Fußballverbands Fifa, steht dort in einer Reihe mit amerikanischen Unterwelt-Größen wie Lucky Luciano, John Gotti und Al Capone. Das Museum will mit der Ausstellung ein "kraftvolles Beispiel dafür" präsentieren, "welche verschiedenen Formen die Organisierte Kriminalität annehmen kann".

Die Fifa - eine kriminelle Organisation? Die Verträge, E-Mails und eidesstattlichen Versicherungen, die gerade an die Oberfläche gespült werden, stützen jedenfalls diesen Verdacht. Natürlich baut die Fifa auch Kunstrasenplätze, fördert den Frauenfußball, organisiert den Spielbetrieb. Aber im Kerngeschäft, dort, wo mit diesem Spiel Milliarden verdient werden - dort verfestigt sich der Eindruck, dass auch Millionen auf Privatkonten abgezweigt, in Geldkoffern verteilt oder an Scheinfirmen weitergereicht werden. Und wenn Sepp Blatter mal wieder lamentiert, er könne dagegen leider wenig ausrichten, weil ihm die kleptomanischen Kollegen ja von den Regionalverbänden in seinen Fifa-Vorstand entsandt werden, dann stimmt das zwar formal. Es ist trotzdem das größte Märchen, das im Fußball je erzählt wurde.

Nur das System überlebt

In den Achtziger- und Neunzigerjahren - also in jener Zeit, als Blatter selbst Fifa-Generalsekretär war - wurde das System angelegt, über das nun der aktuelle Generalsekretär Jérôme Valcke gestürzt ist. Es war Blatter, der zu jener Zeit auch persönlich bewirkt hat, dass die begehrten Rechtepakete der Fifa, also Fernseh- und Marketing-Rechte, immer wieder an die Agentur ISL gingen.

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Die Anschuldigungen über merkwürdige Überweisungen bringen die nebulösen Byrom-Brüder, die das Fifa-Ticketgeschäft kontrollieren, arg in Bedrängnis. Aber auch den Fußball-Weltverband selbst.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Heute weiß man, mit welchen Begleiterscheinungen: 142 Millionen Schweizer Franken Schmiergeld hatte die ISL an Sportfunktionäre ausgereicht, ehe sie 2001 unterging. Fast alle Empfänger blieben unerkannt. Der ISL-Bankrott war der zweitgrößte Crash der Schweizer Unternehmensgeschichte. Es gab aber offenbar einen Überlebenden: das System von Untreue, Bestechung und Kickback-Zahlungen. Bis heute.

Vor allem die US-Justizbehörden leuchten den Fifa-Sumpf jetzt aus. Doch warum braucht es dafür das FBI? Warum lässt der Fußball selbst seinen Weltverband seit Jahrzehnten gewähren? Der DFB hätte wohl die Macht, dem mafiösen Gebaren ein Ende zu setzen. Er müsste - vielleicht zusammen mit Engländern, Holländern, Amerikanern - nur so lange mit einem Boykott der Weltmeisterschaft drohen, bis die Fifa-Spitze seriös aufgestellt und eine ordnungsgemäße Geschäftsführung gesichert ist. Wahrmachen müsste er die Drohung vermutlich nie. Denn eine WM ohne den Weltmeister - undenkbar.

Steckt Deutschland selbst im Sumpf?

Dazu wird es aber nicht kommen. Und man ahnt, warum nicht, wenn man sich den aktuellen Fall noch mal vor Augen führt. Ein Tickethändler legt Indizien vor, dass er von der Fifa über den Tisch gezogen wurde: bei der WM 2006 in Deutschland. Ein Teil des Deals wurde in Frankfurt getätigt, dort, wo das Ticketgeschäft in enger Abstimmung mit dem deutschen WM-Organisationskomitee ablief.

Und das ist nicht die einzige deutsche Tangente. Schon mehrmals hat Sepp Blatter seine deutschen Kritiker sehr schnell wieder zum Schweigen gebracht. Er stellte einfach die Frage, wie eigentlich die WM 2006 nach Deutschland vergeben wurde. Tatsächlich ist ja ein Rätsel bis heute ungelöst: Warum der neuseeländische Delegierte Charles Dempsey, der eigentlich für den konkurrierenden Bewerber Südafrika stimmen sollte, damals kurz vor der Abstimmung den Raum verließ.

© SZ vom 19.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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