Süddeutsche Zeitung

Kommentar zur Fifa-Krise:Die absurde Wahl

Vergiftetes Klima: Spätestens jetzt, da Amtsinhaber Sepp Blatter und Herausforderer Mohamed Bin Hammam vor der hauseigenen Ethikkommission stehen, ist die Fifa-Präsidentenwahl nur noch absurd - sie sollte verlegt werden. Doch das will Blatter verhindern.

Thomas Kistner

Am Mittwoch ist Präsidentenwahl beim Fußball-Weltverband, und das Klima ist vergiftet: Sechs Vorständler werden vom gescheiterten WM-Bewerber England der Bestechlichkeit geziehen, intern kamen zwei Fälle hinzu, für die Außenwelt gilt das Kürzel Fifa längst als Synonym für Korruption. Spätestens jetzt, da sich Amtsinhaber Sepp Blatter und Herausforderer Mohamed Bin Hammam vor die hauseigene Ethikkommission taktierten, ist diese Wahl nur noch absurd. Sie gehört verlegt.

Blatter steckt im Dilemma, Bin Hammams Gegenangriff dürfte ihn überrascht haben. Dabei kamen ihm bisher alle Volten in diesem Duell zupass. Da war Interpol, das ausgerechnet im heißen Fifa-Wahlkampf mit dem Verband eine dicke Spende aushandelte; 20 Millionen Euro gewährte Blatter im Eiltempo.

Leider lässt Interpol Anfragen unbeantwortet, ob die Fifa-Darstellung zutrifft, dass es die Polizeibehörde war, die diese Spende initiierte. Die Kooperation mit Interpol wider den Wettbetrug verlieh Blatters Fifa jedenfalls etwas Glaubwürdigkeit. Dabei sind die elementaren Betrugsprobleme der Fifa nicht an Asiens Wettmärkten zu finden.

In Erklärungsnot gerät auch der Europa-Verband Uefa. Der lud die Kongressdelegierten zum Champions-League-Finale nach London ein. Ein teurer Wochenendspaß, der im Kontext eines schmutzigen Wahlkampfs anrüchig wirkt - die Uefa steht offen zu Blatter. Wie passt das zur Financial-fairplay-Initiative, die sie den Klubs verordnet hat? Oder zahlt die Fifa selbst für die Sause?

Nun muss eine Ethikkommission ran, aus der jüngst der Ex-Präsident des Bundesgerichtshofs zurücktrat. Günter Hirsch fand, dass "die Verantwortlichen der Fifa kein wirkliches Interesse daran haben, eine aktive Rolle bei der Aufklärung von Verstößen gegen das Ethikreglement zu spielen". Dass nun dort die Thronanwärter wüste Vorwürfe ausfechten, zwei, die bisher stets gemeinsam in die Wahlkämpfe zogen, das offenbart Slapstick-Reife.

Jeder könnte wohl den anderen zu Fall bringen, nutzen dürfte das nur dem Herausforder. Da wäre die Arbeit der Schweizer Strafermittler, die vor Jahresfrist bekanntgaben, dass korrupte Fifa-Offizielle Millionen zurückzahlten. Nur durch diese Maßnahme entgingen sie einem Prozess - bei dem ihre Identität aufgeflogen wäre. Blatter trug das mit. Welche Fürsorge hatte er dabei im Auge?

Die für den betrogenen Verband, den er führt - oder die für korrupte Funktionäre, die anonym bleiben wollten? In so ein Szenario passen auch Bin Hammams Andeutungen auf Zahlungen bei der WM-Vergabe 2018/2002. Es kann nur heikler werden. Die Wahl gehört verlegt, die Fifa braucht neue Kandidaten. Nur bräuchte es dazu auch einen Verband, der dies fordert. Die Hoffnung ruht auf Englands FA, die sowieso nicht wählen will. Den Deutschen Fußball-Bund darf man vergessen, der hat sich tönend hinter Blatter gestellt.

Und Blatter selbst wird eine Verlegung mit allen Mitteln verhindern wollen: Es geht um sein Überleben an der Fifa-Spitze. Bin Hammam hingegen muss keine Wahl gewinnen - er will Blatters Ära beenden. Insofern liegt er gut im Rennen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1102624
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 28.05.2011/ebc
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.