Fifa: Blatters Wiederwahl:Um Fußball geht es schon lange nicht mehr

Das größte Problem von Sepp Blatter ist, dass er die Fifa als sein Privat-Instrument begreift. Ausgerechnet ein neues Gesetz in seinem Heimatland könnte dem Schweizer jedoch zum Verhängnis werden.

Claudio Catuogno

Um den Fußball, dieses Lieblingsspiel sehr vieler Menschen, geht es Sepp Blatter schon lange nicht mehr. Zwar beruft sich der Präsident des Weltverbands Fifa in seinen Reden auf die Grundprinzipien des Fußballs: Respekt, Fairplay, Disziplin. Auch diese Woche wieder in Zürich, wo der 75-jährige Schweizer von seiner ihm ergebenen Fußballfamilie in eine vierte Amtszeit geschickt wurde.

FIFA president Blatter reacts after being re-elected for a fourth term as president during the 61st FIFA congress in Zurich

Wirklich allmächtig? Fifa-Präsident Sepp Blatter.

(Foto: REUTERS)

Doch um zu verstehen, wie wenig sich Blatter in Wahrheit schert um Respekt, Fairplay, Disziplin, muss man gar nicht jene diskrete Millionenspende hinterfragen, mit der er kürzlich ein paar karibische Wahlmänner beglückt hat, im Einklang mit den Statuten natürlich. Dafür reicht ein Blick auf die letzte Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika.

Bälle schlugen hinter der Torlinie auf, aber die Schiedsrichter erkannten das nicht an. Dafür gaben sie Tore, obwohl Bälle aus grotesken Abseitspositionen ins Netz geschossen wurden. Tor oder kein Tor, diese Frage ist der Kern des Fußballspiels. Aber sogar mit dieser Kernfrage geht Blatters Fifa um wie ein Obsthändler, der wissentlich faule Ware anbietet - und Reklamationen mit dem Hinweis abtut, dass doch erst Fehler und Irrtümer dem Obsthandel sein menschliches Antlitz verleihen würden. In fast allen Sportarten wird das Spielfeld im Dienste der Schiedsrichter von Kameras überwacht.

In der größten Sportart von allen wehrt sich Sepp Blatter hartnäckig gegen das, was er "den Einzug der Technik" nennt, und zwar um den Preis, dass das Publikum inzwischen sogar den Unparteiischen misstraut. Diese Haltung - die Haltung Blatters zum Kern des Spiels, über das er herrscht - erklärt eine Menge, wenn man jetzt Antworten auf die Frage sucht, wie in dieser offenbar korrupten Funktionärsclique namens Fifa Transparenz einziehen könnte. Technik ist unbestechlich, bei Menschen ist alles eine Frage des Preises. Darum geht es.

Kein Sport, ja kaum ein Kulturgut ist global so verankert wie der Fußball. Die Fußball-WM ist das wohl wertvollste Unterhaltungsprodukt der Welt. Mit der Leidenschaft des Menschen für das Runde, das ins Eckige muss, setzt die Fifa Milliarden um, so viel wie ein mittelgroßer Dax-Konzern, bloß ohne Fabriken und ohne teure Belegschaften. Nicht mal eine Marketingabteilung bräuchte die Fifa, müsste sie nicht permanent den eigenen Ruf aufpolieren. Der Fußball vermarktet sich im Grunde selbst. Nur, wo alle paar Jahre die Bühne steht, auf der er seine Weltmesse aufführt - darüber muss die Fifa entscheiden.

Wie betrugsanfällig in Unternehmen die Vergabe von Aufträgen ist, ist hinreichend nachgewiesen. Konzerne begegnen dem Problem mit Aufsichtsgremien und Abzeichnungsrichtlinien, mit externen Wirtschaftsprüfern und eigenen Compliance-Abteilungen. Die Politik setzt mit Vergaberichtlinien den rechtlichen Rahmen. Die Fifa hingegen hat keinen derartigen Sicherungsmechanismus. Und sie vergibt ihre begehrten WM- Turniere de facto im rechtsfreien Raum.

Sie wird in Zürich nach Regeln geführt, als wäre sie ein Verein zur alpenländischen Brauchtumspflege: gemeinnützig, nicht an Gewinn orientiert und daher den Schweizer Gesetzen entzogen. Vorwürfe werden innerhalb der "Familie" geklärt, die Sepp Blatter im Namen des Fußballs so häufig beschwört wie dies wohl keine andere Organisation auf der Welt tut - außer vielleicht der Mafia.

Neues Gesetz in der Schweiz

Für jeden Funktionär, der in ein Fifa-Gremium einzieht, sind die Strukturen der Fifa eine wenig subtile Aufforderung, mitzuverdienen am unkontrollierten Milliardenspiel mit den Werten und dem Wert des Sports. Jeder nationale Verbandschef und auch jeder Staatenlenker, der sich in der Ära Blatter um ein WM-Turnier bewarb, weiß das nur zu gut.

Es spielt das Spiel bloß keiner so offen mit wie der Russe Wladimir Putin, Ausrichter der WM 2018, der gleich nach Blatters Wiederwahl per Telegramm ausrichten ließ: "Ich bin überzeugt, dass Sie auch weiterhin selbstlos diesem bemerkenswerten Sport dienen werden."

Korruptionsvorwürfe haben jede Wahl Sepp Blatters seit 1998 begleitet. So eng wie diesmal war es für ihn noch nie. Dass die Empörung zunimmt, mag am WM-Zuschlag für Katar liegen, wo es im Sommer 45 Grad heiß wird. Offenkundiger kann man nicht dokumentieren, wie egal einem der Fußball ist, der dort 2022 gespielt werden soll.

Und es mag daran liegen, dass nie zuvor so deutlich wurde, wie sehr Blatter die Fifa als sein Privat-Instrument begreift - mit einem Präsidenten-Etat, über den er nach Gutdünken verfügt; mit einem Generalsekretär, der zu Neutralität verpflichtet ist, aber für den Chef um Stimmen trommelt. Dass nun sogar diese Vorgänge nur intern untersucht werden sollen, findet Blatter logisch: Auch an Züricher Gerichten dürften ja Richter aus Zürich arbeiten, sagt er, und man müsse keine aus Bern oder Basel herbeischaffen.

Die Frage wird nun sein, ob die Schweiz derlei Humbug weiter akzeptiert. Noch 2011 soll im Parlament ein Gesetz verabschiedet werden, das Sportverbände der normalen Gerichtsbarkeit unterstellt. Ausgerechnet Blatters Heimatland hat offenbar verstanden. Ein System, das für schmutzige Geschäfte ersonnen wurde, ist zur Selbstreinigung nicht fähig. Es muss dazu gezwungen werden.

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