Süddeutsche Zeitung

Fifa-Untersuchung gegen Beckenbauer:Des Kaisers neue Offenheit

Franz Beckenbauer hat doch noch auf das Schreiben von Fifa-Chefermittler Garcia reagiert - und sich im Fall der WM-Vergabe 2022 erklärt. Ob sich die 90-Tage-Sperre damit erledigt hat, ist unklar. Aus Beckenbauers Antworten könnten sich zudem neue Fragen ergeben.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, Rio de Janeiro/München

Franz Beckenbauer hat für die nächste Zeit allerlei Pläne, die sehr viel mit Fußball zu tun haben. Erst möchte er sich Halbfinale und Endspiel der Weltmeisterschaft in Brasiliens Stadien anschauen; kurz darauf dann eine Delegation des FC Bayern als Markenbotschafter bei einer Sponsorenreise in die USA anführen. Noch ein wenig später möchte er wieder als Fernsehexperte bei Sky auftreten. Und, vor allem, in Kitzbühel sein "Camp Beckenbauer" veranstalten.

Seit vergangenem Wochenende muss der Strahlemann des deutschen Fußballs solche Pläne mit dem Zusatz "unter Vorbehalt" versehen. Denn der Weltverband (Fifa) hat ihn vergangenen Freitag provisorisch für 90 Tage gesperrt, weil er bis dahin nicht die Fragen von Chefermittler Michael Garcia beantwortet hatte, der gerade die etwas anrüchige WM-Doppelvergabe 2018/2022 an Russland bzw. Katar untersucht. Gesperrt ist Beckenbauer für alle mit dem Fußball im Zusammenhang stehenden Aktivitäten, wie die Fifa betonte, sogar für den privaten Besuch von Spielen.

Und plötzlich ging es ganz flott: Schon am Mittwoch verkündete Beckenbauers Management, dass die Antworten nun an die Ethikkommission der Fifa geschickt worden seien, "per Mail und Fax".

Groß ist die Hoffnung im Lager Beckenbauers, dass sich die Causa damit erledigt hat. Es geht davon aus, dass die Sanktion "umgehend" aufgehoben wird. Über Beckenbauers Medienpartner Bild sprang Mittwochabend auch Bayern-Präsident Karl Hopfner seinem Vorvorgänger und Ehrenpräsidenten bei: "Fakt ist, dass Franz Beckenbauer, wenn er jetzt die Fragen beantwortet hat, wieder alle Aufgaben wahrnehmen können muss. Das wäre die logische Konsequenz."

Ob diese Konsequenz tatsächlich so logisch ist, bleibt noch abzuwarten. Einen Automatismus zwischen dem Abschicken des Fragenkatalogs und dem Aufheben der Sperre gibt es jedenfalls nicht. Gemäß Ethik-Reglement müsste ein Einspruch gegen eine provisorische Sperre beim Chef der Berufungskommission erfolgen; weder Fifa noch Beckenbauers Management beantworten die Frage, ob das geschehen ist. Womöglich wickelt stattdessen die Ethikkommission die ganze Causa ab.

Fifa-Insider weisen darauf hin, dass das Team von Chefermittler Garcia die nun eingegangenen Antworten zu den - laut Beckenbauer - 130 Fragen erst einmal inhaltlich prüfe. Eventuell ergeben sich daraus weitere Nachfragen; Aktivitäten Beckenbauers in Katar und mit Russland, in zeitlicher Nähe zu der im Dezember 2010 erfolgten WM-Vergabe, sind immerhin dokumentiert. US-Anwalt Garcia wollte eigentlich bis zum Fifa-Kongress vergangene Woche den Bericht über seine Ermittlungen fertigstellen, doch das verzögerte sich - wegen der laufenden Enthüllungen der Sunday Times, und wohl auch wegen Beckenbauers Nicht-Kooperation.

Nach Garcias Prüfung wäre die Spruchkammer der Ethikkommission am Zug. Deren Vorsitzender, der Münchner Richter Hans Joachim Eckert, ist als Landsmann Beckenbauers im aktuellen Fall nicht zuständig, stattdessen urteilt Alan Sullivan aus Australien - was gewisse Pikanterie besitzt, weil Beckenbauer laut Bild bei der WM-2022-Vergabe in Runde eins just für Australien gestimmt haben soll. So hätte er die Bewerber ja vor der totalen Peinlichkeit bewahrt: Sie schieden mit nur einer Stimme aus. Allerdings hält sich in Fifa-Kreisen auch hartnäckig das Gerücht, dass Sepp Blatter für Australien votiert haben will. Ab Runde zwei jedenfalls soll Beckenbauer die USA gewählt haben.

Unklar ist aber, was Sullivan tun kann. Die Paragrafen sind diesbezüglich nicht präzise. "Provisorische Maßnahmen können bis zu 90 Tage gültig sein", heißt es im Ethik-Code. Dieser schildert auch die Möglichkeit, eine Sperre unter bestimmten Umständen um 45 Tage zu verlängern; nur zur Frage, ob eine verhängte Sperre reduziert oder ganz aufgehoben werden kann, findet sich dort nichts. So einen Fall hat es seit Bestehen des neuen Ethik-Reglements, seit Juli 2012 in Kraft, nicht gegeben.

Unabhängig von der Fifa-Bewertung bleiben Fragen nach dem Ablauf des Falles offen. Beckenbauer hatte vergangene Woche behauptet, die Fragen nur in "Juristen-Englisch" erhalten zu haben - der Weltverband hingegen erklärt, dass er "wiederholt" um Informationen gebeten wurde, und zwar "in Englisch und Deutsch". Zu diesem eklatanten Widerspruch hat es bisher ebenfalls noch keine Erklärung ergeben; Beckenbauers Management hält sich trotz wiederholter Anfragen bedeckt.

Bemerkenswert ist auch die Art, wie Bayern-Präsident Hopfner vorprescht. Der Klub ist wegen Beckenbauers Amt als Ehrenpräsident und dessen geplanter Tätigkeit als Markenbotschafter mitbetroffen von den Turbulenzen. "Wir, der FC Bayern, wehren uns gegen die Sperre und stehen voll hinter Franz Beckenbauer. Er ist und bleibt unser Ehrenpräsident - ohne Wenn und Aber", sagte Hopfner in Bild. Das könnte Öl ins Feuer gießen, Chefermittler Garcia nimmt externe Einlassungen eher missvergnügt zur Kenntnis.

Anfragen zum Vorgehen und zu in Deutschland kursierenden Behauptungen, neben Beckenbauer hätten weitere damalige Fifa-Vorstände die Kooperation mit ihm verweigert, ließ er jetzt kurzangebunden an den Weltverband zurückverweisen. Dort heißt es, Beckenbauer sei der einzige gewesen, der nicht kooperiert habe.

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SZ vom 20.06.2014
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