Fifa und die Korruption:Blatters plötzliche Transparenz

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Der Chef des Fußball-Weltverbands, Joseph Blatter, ruft Transpareny International, um die Korruption im eigenen Haus zu bekämpfen. Er kann wohl nicht mehr anders, denn demnächst könnten die Namen derer veröffentlicht werden, die über die Marketingagentur ISL Schmiergelder in Millionenhöhe kassiert haben.

Thomas Kistner

Britische Medien haben kurz vor der Krisensitzung des Weltfußball-Verbandes zum Thema hausinterne Transparenz enthüllt, dass Fifa-Chef Joseph Blatter eine bahnbrechende Umkehr plant. Wie zuerst die BBC berichtete, wolle Blatter jene Schweizer Gerichtspapiere freigeben, die belegen, dass hohe Fifa-Funktionäre Schmiergelder kassiert haben.

Immer im Dienst der Sache? Die Fifa und ihr Chef Joseph Blatter sind immer für trickreiche Tage gut. (Foto: REUTERS)

Im Juni 2010 hatte die Fifa mit den Strafermittlern im Kanton Zug ausgehandelt, dass korrupte Fifa-Leute insgesamt 5,5 Millionen Franken zurückzahlen; die Funktionäre waren von der früheren Marketingagentur ISL für den Rechte-Zuschlag bestochen worden. Mit dem Deal wurde der Fall still beendet, die Namen der Sünder blieben geheim.

Nun will Blatters Fifa Transparenz pflegen und zum Abschluss ihrer zweitägigen Vorstandssitzung am Freitag auch ein neues Compliance-System präsentieren: Statt der vielkritisierten, von Blatter initiierten Ethikkommission soll ein unabhängigeres Gremium her. Die Fifa baut dabei auf die Mithilfe von Transparency International (TI). Die Anti-Korruptions-Organisation wiederum will, wie Mitglieder versichern, genau darauf achten, dass am Ende nicht eine weitere Schimäre der Fifa steht, diesmal mit dem Gütesiegel TI versehen.

Tatsächlich ist die Kehrtwende eher strategischer Natur. Seit einem Jahr laufen in der Schweiz juristische Bestrebungen, die Einstellungsverfügung von 2010 publik zu machen; die Klageführer berufen sich auf einen Präzedenzfall für öffentliche Personen, den das Bundesgericht gefällt hat. Dagegen hat sich die Fifa bisher mit aller Kraft gestemmt. Zuletzt im Mai 2011, kurz vor dem Kongress mit der Wiederwahl Blatters.

In Insiderkreisen liegen Erklärungen für die Rochade auf der Hand. Zum einen dürfte die Veröffentlichung der Dokumente unvermeidlich sein - spätestens in letzter Instanz vor dem Bundesgericht. Zudem bemüht sich eine Betrugs-Sondereinheit in Brasilien um die Papiere: Sie geht dem Verdacht der Geldwäsche gegen den nationalen Fußballboss Ricardo Teixeira nach; es geht um Millionen, die er nach Aktenlage über eine Strohfirma von der ISL kassierte. Dafür braucht sie das Dokument.

Die Aufregung im WM-Land 2014 ist enorm. Die Fifa steht in der Causa ihres langjährigen Vorständlers Teixeira mit dem Rücken zur Wand - und sucht nun offenbar die Vorwärtsverteidigung: Über die brasilianischen Ermittlungen würden die Sünder ja ohnehin publik.

Fifa-Exekutivmitglieder
:Sepp und der Sumpf

Fast die Hälfte der Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees steht oder stand inzwischen unter Betrugsverdacht - meist geht es um die Stimmen bei der Vergabe von Posten oder Weltmeisterschaften und um kleinere Geschenke und Zahlungen in Millionenhöhe. Die Fälle im Einzelnen.

Überdies bemüht sich auch das Internationale Olympische Komitee um das Dokument. Es ermittelt selbst gegen drei Mitglieder, die auf der Lohnliste der ISL gestanden haben sollen. Im Licht dieser Ereignisse wirkt die Kehrtwende eher als Befreiungsschlag.

Fifa-Exekutivmitglieder
:Sepp und der Sumpf

Fast die Hälfte der Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees steht oder stand inzwischen unter Betrugsverdacht - meist geht es um die Stimmen bei der Vergabe von Posten oder Weltmeisterschaften und um kleinere Geschenke und Zahlungen in Millionenhöhe. Die Fälle im Einzelnen.

Vor der Vorstandssitzung bleiben Fragen offen. Blatter, so berichtet die BBC, werde die Exekutive um ein Freigabe-Gesuch an die Behörden bitten. Was aber, wenn die Exekutive - samt der darin versammelten Sünder - ablehnt? Dann stünde Blatter als verhinderter Aufklärer da, auch nicht schlecht.

Unklar auch, warum Blatter die Fifa-Exekutive überhaupt fragt: Dort hatte er bisher ja auch nie diskutiert, ob man die Freigabe der Dokumente verhindern wolle. Dies berichten Vorstandsmitglieder. Und: Liegt die Verfahrenseinstellung der Fifa nicht längst vor? Sie war von dem Fall ja direkt betroffen. Zürich stehen offenbar wieder trickreiche Tage bevor.

© SZ vom 20.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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