Süddeutsche Zeitung

Fifa sperrt Bin Hammam:Die Farce von Zürich

Die Fifa klärt den Fall des Funktionärs Mohamed Bin Hammam auf ihre übliche Weise. Die Kernfrage lautet nun: Tat Bin Hammam nicht etwas, das festes Brauchtum in der Fifa ist? Wenn ordentliche Gerichte das feststellen, müsste Katar um die Ausrichtung der WM 2022 bangen.

Thomas Kistner

War das jetzt in Zürich die vielbeschworene Aufklärung? Es war ein abgekartetes Spiel. Wohl kaum in Frage steht, dass Mohamed Bin Hammam in der Karibik Praktiken pflegte, die als korrupt gelten dürfen. Aber das ist nur ein Nebenaspekt für jeden, der nicht die rigoros parteiische Sicht der Fifa teilt.

Die Kernfrage lautet: Tat Bin Hammam nicht etwas, das festes Brauchtum in der Fifa ist? Etwas, das in vergleichbaren Fällen als Entwicklungshilfe oder als Wohltat für Sportsfreunde in Not deklariert wird? Hat er nicht einfach nur die Praxis aus jenen zehn Jahren fortgeführt, in denen er als Stimmbeschaffer tätig war - damals allerdings nicht gegen, sondern für "Bruder" Blatter?

Schließlich: Ist Bin Hammam mit diesem Brauchtum in ein Komplott von hohen Mitwissern geraten, die Blatters Herausforderer gewähren ließen - um ihn hernach aus dem Weg zu räumen?

All das gehört geklärt. Der Fall strotz von Ungereimtheiten, die keine Rolle spielten in der chirurgisch präzis abgetrennten Einzeloperation gegen den Katarer. Was ist mit Blatters Millionengeschenk an den Nord-Mittelamerika-Verband Concacaf, im heißen Wahlkampf ganz diskret übereignet? Warum hat er dies erst nach Ruchbar-Werden erklärt - als Entwicklungshilfe - und erst nachträglich dem Fifa-Vorstand gemeldet?

Und dass Sepp Blatter persönlich vor dem Karibik-Treff über geplante Zahlungen unterrichtet wurde, legt den Schluss nahe, dass derlei intern üblich ist - warum sonst haben es die Ausführenden nicht verborgen vor dem höchsten Repräsentanten der Fifa?

Ist aber ein Präsident tragbar, den korrupte Funktionäre zum Mitwisser machen - offenkundig überzeugt, der störe ihre Kreise nicht? Angezeigt hat die Korruption ja auch später nicht Blatter, sondern der amerikanische Fifa-Vorständler Chuck Blazer - ein windiger Geselle, der über stille Deals mit dem von ihm geführten Concacaf einen zweistelligen Millionenbetrag kassierte.

Und dann: Wie ethisch ist eine Hauskommission, die dem Fifa-Präsidenten attestiert, er müsse Bestechungshinweise nur anzeigen, wenn die Tat erfolgt ist? Warum wurde gegen drei weitere Fifa-Vorständler, die beim Karibik-Treffen dabei waren, nicht mal ermittelt - weil sonst der ganze Laden auseinander geflogen wäre?

Eine umfassende Würdigung der Farce von Zürich können nur ordentliche Gerichte liefern, die Bin Hammam anrufen will. Er muss aber wirklich auspacken - nur so kann er selbst etwas Glaubwürdigkeit zurück gewinnen. Sollte er einknicken, weil ihn möglicherweise politische Kräfte in Katar bremsen, die schon um ihre WM 2022 bangen - dann würde das zeigen, dass Bin Hammam trotz all der Jahren mit Blatter nichts begriffen hat.

Denn der Angriff auf Katars WM 2022 ist längst im Gange. Blatter hat in Leuten wie dem DFB-Chef Theo Zwanziger neue Mitstreiter gefunden, die an alte Märchen glauben - also daran, ein Korruptionsmonstrum wie die Fifa könne ohne aktives Zutun des langjährigen, allmächtigen Vorsitzenden entstehen. Das klarste Signal aber kursiert in Bin Hammams Umfeld: Dort heißt es, Blatter habe dem Emir zugesichert, an der WM werde nicht gerührt. Falls das zutrifft, muss Katar das Schlimmste befürchten.

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SZ vom 25.07.2011/jüsc
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