Fifa-Sperren:Blatter und Platini - mit allen Tricks ins letzte Gefecht

firo Fußball, Fussball: firo Fußball,Fussball,                           12.01.2015 FIFA Ballon D'OR  Weltfußballer, Weltfussballer Wahl 2014,

Was er wohl als Nächstes ausheckt? Die hohe Zeit sportjuristischer Tricksereien hat begonnen - und Joseph Blatter ist dabei schwer gefordert.

(Foto: firo Sportphoto)
  • Fifa-Chef Blatter und Uefa-Chef Platini kämpfen gegen ihre Sperren
  • Dabei verlassen sie sich auf fragwürdige Unterstützer.
  • Wird der Wahlkongress im Februar noch verschoben?

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Michel Platini und Sepp Blatter kämpfen um ihre Zukunft im Fußball, es beginnt nun die hohe Zeit sportpolitischer und sportjuristischer Tricksereien. Formal haben die zwei Topfunktionäre Einspruch gegen ihre durch die Ethiker des Weltverbands Fifa verhängten 90-Tage-Sperren eingelegt, die Entscheide der Berufungskommission dürften nächste Woche erfolgen - und abschlägig ausfallen. Also zieht das gesperrte Duo nebenbei an allerlei Strippen, um die Dinge doch noch in eine günstigere Richtung zu lenken.

Auf eine plausible Erklärung, warum Platini im Februar 2011 auf Veranlassung Blatters zwei Millionen Schweizer Franken erhielt, wartet die Fußballwelt noch immer - und daran dürfte sich nach Lage der Dinge auch nichts mehr ändern. Denn weder Platini noch Blatter konnten den Ethikern in getrennten, stundenlangen Einvernehmungen etwas Stichhaltiges oder Glaubwürdiges präsentieren für die Notwendigkeit eines solchen Millionen-Transfers. Dokumente gibt es nicht, die die jetzt behauptete Gehaltsabsprache zwischen den beiden belegen würden; auch waren die angeblichen Gehaltsansprüche aus der Zeit von 1998 bis 2002 verjährt.

Zu bezweifeln ist, dass sich die dünne Beweislage noch ändert: Das Duo hat ja seine Aussagen, ebenfalls in getrennten Einvernahmen, zuvor bereits bei der Schweizer Bundesanwaltschaft gemacht. Letztere ermittelt gegen Blatter wegen des Verdachts ungetreuer Geschäftsführung; Platini pendelt zwischen Zeugen- und Beschuldigtenstatus. Neue Aussagen zur angeblich alten Rechnung, die im Fifa-Wahljahr 2011 beglichen wurde, wären also von einer Relevanz, die weit über die Ethiker-Fragen hinausreicht.

Südamerika unterstützt Platini

Auch ist es so, dass Platini im Kampf um seine Rückkehr in den Fußball eher zweifelhafte Verbündete flankieren. Am Wochenende forderte Südamerikas Kontinentalverband Conmebol die Aufhebung von Platinis Suspendierung; diese stelle die Integrität des Wahlprozesses für den neuen Fifa-Chef infrage. Conmebol - das ist der Verband, in dessen Geschäftsfilz die US-Justiz ein veritables Bezahlsystem für kontinentale Spitzenfunktionäre ermittelt hat, mit sauber gestaffelten Salären: unten Generalsekretäre, darüber nationale und internationale Verbandschefs. Die Amerikaner haben dabei Spitzenpersonal aus gleich allen zehn Conmebol-Mitgliedsländern im Visier. Einige Personen sind inhaftiert, für manche wurde bereits die Auslieferung in die Staaten bewilligt.

Generalsekretär und starker Mann dieses besonderen Fußballreichs ist Gorka Villar, Sohn von Angel Maria Villar Lllona. Gegen Gorka ermitteln Behörden in Uruguay, Papa Angel Maria rangiert als Nummer zwei in der Uefa hinter Platini und muss spätestens dann dessen Präsidialgeschäfte übernehmen, wenn die Vorstöße gegen die Sperre nicht fruchten. Laut Reglement sollte der Spanier das Amt schon jetzt führen, was aber die Uefa noch ablehnt. Damit begibt sie sich möglicherweise selbst auf Kollisionskurs mit den Fifa-Ethikern.

Auch der französische Verband FFF machte sich stark für den Nationalhelden Platini, die Rede ist von einer Eingabe beim obersten Sportgerichtshof Cas in Lausanne. Dabei haben die Franzosen Platini noch im Mai bei der Fifa-Präsidentschaftswahl die Gefolgschaft verweigert und für Blatter votiert. Experten bezweifeln indes, dass die FFF überhaupt zum Cas gehen dürfe - weil dies ja allein Platinis Sache sei.

Strafbehörden treiben ihre Ermittlungen voran

Auch Blatters PR-Leute pinseln fröhlich an dem Bild, der 79-Jährige könne auf den Thron zurückkehren. Blatter intonierte sein Dauermotto diesmal in der Schweiz am Sonntag: "Mir geht es gut und ich fühle mich gut." Als gesichert erscheint nur, dass er in der Nachfolgerfrage mitmischen will. Davon hängt ab, welche Rolle er in Zukunft in der Fifa noch spielt, etwa als Ehrenpräsident - oder ob er völlig raus ist.

Bedeutung kommt nun auch dem Wahldatum zu. Die Präsidentenkür ist für 26. Februar terminiert, am 26. Oktober endet die Meldefrist. Derzeit gibt es nur einen ernsthaften Kandidaten: Prinz Ali von Jordanien. Nun soll die Fifa-Exekutive per Sondersitzung am 20. Oktober über eine Wahlverlegung befinden. Wolfgang Niersbach, Fifa-Vorstand und DFB-Chef, betonte mit Blick auf Ermittlungen in der Schweiz und den USA, dass die Behörden "etwas erwarten" von der Fifa und "langes Hinausschieben" nicht möglich sei; eine Verlegung schloss er aber so wenig aus wie andere europäische Spitzenfunktionäre. Ohnehin ist für Mai ein Fifa-Kongress in Mexiko geplant.

Aktuell käme so ein Schritt wohl auch Blatter und Platini zupass. Gerade die Europäer hoffen, dass sich für Platini noch eine winzige Chance auf eine Kandidatur öffnet - oder sie mehr Zeit gewinnen, um eine personelle Alternative zu finden. In den Ring drängen könnte kurzfristig auch Blatters getreuer Ex-Berater Jérôme Champagne, der schon mal angetreten war. Oder, subtiler: Der von Blatter, Franz Beckenbauer und hohen olympischen Kreisen protegierte Südafrikaner Tokyo Sexwale. Ein Quereinsteiger, der gut mit Champagne steht.

Hayatou übernimmt die Geschäfte

Bei der Fifa übernimmt am Dienstag statutengemäß Vize Issa Hayatou die Geschäfte. Er sei "sehr erfreut", erzählte der 69 Jahre alte Chef des Afrika-Verbands Caf im heimischen Kamerun; er habe auch gar keine Angst, von den Fifa-Affären erfasst zu werden. Denn: "Glauben Sie, die Ermittler würden mir den Posten zugestehen, gäbe es den geringsten Verdacht gegen mich?"

Das könnte etwas kurz gedacht sein. Tatsächlich ist einiges zu Hayatou bekannt, etwa dokumentierte Zahlungen von der früheren Schmiergeldagentur ISL.

So geschieht das Wichtigste weiterhin abseits der Fifa-Grabenkämpfe: Die Strafbehörden in den USA und der Schweiz gehen vielerlei Fragwürdigkeiten nach. Dazu gehört nach SZ-Informationen besagte ISL-Affäre, in der die Sportrechteagentur bis 2001 systematisch Funktionäre schmierte; Blatter wusste damals sogar von einer Millionenzahlung an seinen Vorgänger. In den Kontext passt aber auch ein Vorgang aus dem heißen Wahlkampfjahr 2011, in dem Blatter die zwei Millionen an Platini lancierte. Damals rang Blatter mit Mohammed bin Hammam um den Thron. Sein langjähriger Stimmenbeschaffer Jack Warner, der als Chef des Nord- und Mittelamerikaverbands ein Paket von 35 Voten dirigierte, war abgerückt und zum Katarer übergelaufen. Kurz vor der Wahl kam es zu einer Bestechungsorgie, in der Karibik wurden Geldkuverts verteilt. Eine eingeweihte Funktionärin filmte das Ganze heimlich mit, am Ende wurde Bin Hammam lebenslang gesperrt. Sehr pikant nun: Warner selbst hatte Blatter vor dem Treffen über Schmiergeldzahlungen informiert. Deshalb musste der Fifa-Boss sogar selbst vor die Ethikkommission. Die war damals, 2011, noch anders bestückt - und so zahm, dass sie am Ende besorgt wissen wollte, wie es ihm denn gefallen habe.

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