Fifa: Sepp Blatter:Die Suspendierten schlagen zurück

Jetzt eskaliert der Streit um die Präsidentenwahl: Der seit Sonntag gesperrte Fifa-Topfunktionär Jack Warner wirft Amtsinhaber Sepp Blatter offen Bestechung vor - der bügelt auf einer hitzigen Presskonferent alles ab. Neue Enthüllungen über Exekutivmitglieder sind bereits angekündigt.

Thomas Kistner, Zürich

Die Führungskrise im Fußball-Weltverband spitzt sich zu. Am Sonntag hatte die Fifa-Ethikkommission zwei Vorständler suspendiert. Am Montag ging die Schlammschlacht um die Präsidentschaft weiter und ließ die Frage aufkommen, ob beim Kongress am Mittwoch gewählt werden könne - der suspendierte Topfunktionär Jack Warner bezichtigte Fifa-Chef Joseph Blatter der Bestechung. Der Präsident des Nord- und Mittelamerika-Verbandes Concacaf teilte mit, Blatter habe seiner Föderation "eine Spende von einer Million Dollar zur freien Verwendung" ausgereicht, überdies teure Geschenke wie Laptops.

Suspended FIFA executive member Warner talks to journalists at the lobby of a hotel in Zurich

Presserunde im Hotel-Flur: Fifa-Vorständler Jack Warner, derzeit des Amtes enthoben, erhebt schwere Anschuldigungen gegen seine Verbandsführung.

(Foto: REUTERS)

Am Abend sagte Blatter dazu im Zürcher Fifa-Quartier nur, er habe der Concacaf "zwei Entwicklungsprojekte im Rahmen des Goal-Büros (Entwicklungshilfe der Fifa, d. Red.) zum 50. Verbandsjubiläum geschenkt", diese Aktion stünde im Einklang mit den Regeln. Er dürfe "aufgrund der Kompetenzen des Präsidenten sogar mehr einsetzen, es muss nur hinterher vom Exekutivkomitee bewilligt werden", sagte Blatter.

Zu weiteren Geschenken äußerte er sich nicht, auch wich er Fragen aus, welchem Topf dieses Millionengeschenk entstammte. Doch verbieten es die Regeln dem Verbandschef strikt, in seiner Wahlkampagne Fifa-Mittel einzusetzen. Kritische Fragen überging Blatter überging und verließ die Pressekonferenz nach wiederholt lautstarken Wortgefechten mit Medienvertretern fluchtartig.

Möglicherweise wird er die Kritik aber so schnell nicht los. Noch am Abend kursierte unter Medienvertretern eine mysteriöse Einladung zu einer Pressekonferenz am Dienstagmittag in Zürich. Dabei, hieß es, sollen vier Exekutivmitglieder beschuldigt werden, für die Vergabe der WM 2022 an Katar insgesamt 20 Millionen Euro kassiert zu haben. Zwei Namen befinden sich darunter, von Offiziellen, die bislang nicht beschuldigt wurden. Zudem sei bei dieser Enthüllung ein früherer Fifa-Offizieller zugegen, hieß es. Spekuliert wurde über Michel Zen-Ruffinen, der als Generalsekretär der Fifa schon einmal eine interne Korruptionsaffäre losgetreten hatte. Daraufhin war er von Blatter gefeuert worden. Am Tag zuvor noch hatte Blatter wie der Sieger dieser Schlammschlacht ausgesehen.

Vor der Ethikkommission war seinen erbittertsten Widersachern, Warner und dem vormaligen Herausforderer Mohamed bin Hammam angelastet worden, sie hätten bei einem Treffen mit den Funktionären der 25 Karibik-Verbände Stimmen für die Wahl des Katarers zum Fifa-Präsidenten gekauft; jedem Vertreter seien 40.000 Dollar an Bestechungsgeld geboten worden. Sie wurden suspendiert, wobei der stellvertretende Chef der Ethikkommission, Petrus Damaseb (Namibia), erklärte, die beiden seien nicht schuldig gesprochen, sondern nur zum Zwecke der Ermittlungen 30 Tage von Fifa-Aktivitäten ausgeschlossen.

Zugleich aber sprach die Ethik-Kommission Blatter von dem Verdacht frei, die angeblichen Bestechungsversuche toleriert zu haben. Der Fifa-Chef hatte eingeräumt, über Zahlungsabsichten beim Karibik-Treffen von Warner informiert worden zu sein. Er habe Warner gebeten, dies zu unterlassen, war dann aber selbst nicht weiter aktiv geworden. Chefethiker Damaseb beurteilte dieses Verhalten als einwandfrei - Blatter hätte sein delikates Wissen nur an die zuständigen Organe weitermelden müssen, wenn das avisierte Geld schon geflossen wäre.

Kompliziert und bemüht klingen diese Begründungen, Tatsache ist, dass sämtliche Beschlüsse Blatters ersehnten Weg zu ebnen schienen: beim Kongress am Mittwoch will er als Alleinkandidat ein weiteres Mal als Präsident bestätigt werden. Am selben Abend aber hielt Jack Warner in einem Nobelhotel neue Papiere in die Kameras und forderte: "Blatter muss gestoppt werden!" Mit den Anschuldigungen setzte er eine neue Eskalation in Gang, die die Kongresstage allmählich zum absurden Krimi werden lässt. Zwei Vorwürfe waren es, die den Fifa-Vorstand am Montag beschäftigten, zum einen das angebliche Millionen-Geschenk an den Concacaf, zum anderen eine brisante E-Mail von Generalsekretär Jerome Valcke.

Als Zeugen für Blatters angebliches Geschenk an den Concacaf hatte Warner Michel Platini benannt. Der Präsident des Europa-Verbandes Uefa habe, als Mitglied der Fifa-Finanzkommission, Blatters Alleingang bei dieser Zahlung kritisiert. Platini bestätigte dies gegenüber Pressevertretern - doch habe er die Empörung nur gespielt. Blatter, so sagte er, verfüge über ein privates Budget als Präsident, mit dem er "ein oder zwei Projekte" unterstützen könne.

Zweite Attacke gegen Jerome Valcke

Warners zweite Attacke galt Fifa-General Valcke. Dazu präsentierte er eine Mail, in welcher Valcke über Bin Hammam schreibt, er habe "nie verstanden, warum er kandidiert". Möglicherweise habe Bin Hammam geglaubt, "dass man die Fifa kaufen könnte, so wie sie die WM gekauft haben". Valcke bestätigte die Mail als echt, aber privat, man werde den Schriftverkehr intern diskutieren. Am Abend fügte er per Pressetext hinzu, dass er privat schon mal "einen weniger formalen Ton" anschlage. Anlass für den Austausch sei Warners Bitte an ihn gewesen, den Präsidentschaftskandidaten Bin Hammam zum Rückzug von seiner Kandidatur aufzufordern.

Allerdings erscheint Valcke in dem Mailverkehr strikt parteiisch, obwohl für ihn ein Neutralitätsgebot gilt. Er teilt Warner mit, er habe gewettet, Bin Hammam würde sich noch vor der Präsidentenwahl zurückziehen. In Fifa-Kreisen ist bekannt, dass Bin Hammam, falls er Fifa-Chef geworden wäre, Valcke ersetzt hätte. Warner sagte weiter, Valcke habe ihn gebeten, eine offizielle Unterstützung der Concacaf für Blatter bekanntzugeben. Das wäre pikant, zumal Valcke die Ethikkommission gegen Warner und Bin Hammam ins Feld geschickt hatte.

Insgesamt gerät somit Katars erfolgreiche WM-Bewerbung auch Fifa-intern in trübes Licht; bisher kamen Bestechungsvorwürfe von außen. Am Montag kündigte Katars WM-Organisationskomitee juristische Schritte in der Causa Valcke an. "Wir erwarten dringend Aufklärung durch die Fifa bezüglich der Stellungnahme ihres Generalsekretärs", hieß es in einer Erklärung. Bin Hammam ergänzte in Zürich, wenn er Geld bezahlt habe, "dann muss man auch die anderen 13 Exekutivmitglieder fragen, die für Katar gestimmt haben".

Der Streit um Katar rief erste WM-Bewerber auf den Plan, die sich geprellt fühlen. Ein australischer Senator forderte die Fifa zur Rückerstattung der Bewerbungsausgaben für die WM 2022 auf: Man habe 32 Millionen Euro verpulvert und "nicht den Hauch einer Chance gehabt, weil Stimmen mit Bestechungsgeldern gekauft wurden".

"Das Image der Fifa hat in den vergangenen Tagen großen Schaden genommen", sagte ein angeschlagener Blatter am Abend, bevor er fluchtartig die eigene Pressekonferenz verließ. Er wolle aber unbedingt antreten: "Ich freue mich auf vier weitere Jahre als Präsident."

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