Süddeutsche Zeitung

Fifa-Prozess:Platini will sich wehren

Nach dem Freispruch im Blatter/Platini-Prozess müssen die Ermittler entscheiden, ob sie Berufung einlegen. Falls ja, stünde die Schweizer Justiz vor dem nächsten Klüngel-Problem.

Von Thomas Kistner

Am Montag endet die Berufungsfrist gegen das Urteil im Strafprozess Sepp Blatter/Michel Platini. Die früheren Fußball-Granden, Präsidenten des Weltverbandes Fifa bzw. der Europa-Union Uefa, wurden jüngst vom Vorwurf des Betrugs und der Geschäftsuntreue im Zuge einer Zwei-Millionen-Franken-Zahlung an Platini freigesprochen. Das Bundesstrafgericht in Bellinzona fand keine Beweise für eine Straftat.

Ein "Freispruch erster Klasse", sagen Rechtsexperten wie der Basler Professor Mark Pieth, ein derart klares Urteil sei "normalerweise nicht leicht umzukippen", legt er im Portal bluewin dar. Tatsächlich blamierten sich hier die Klageparteien, die Schweizer Bundesanwaltschaft (BA) und die Fifa, bis auf die Knochen. Die Strafbehörde in Bern hatte 2015 - in diskreter Abstimmung mit einem Juristenstab der Fifa, nicht aber mit deren Verbandsführung - ein merkwürdiges Verfahren lanciert, welches dazu führte, dass der (seinerzeit nicht mal beschuldigte) Platini im Herbst 2015 aus dem Fußball verbannt wurde, kurz bevor er zum Fifa-Präsidenten aufsteigen konnte. Und das sich nun, sieben Jahre später, als substanzfrei erwiesen hat, weil es auf Basis munter wechselnder Spekulationen und mutmaßlicher politischer Zusammenhänge geführt wurde.

Daraus ist ein explosiver Mix entstanden. Zumal nun bekannt wurde, dass am Anfang der mysteriösen Ermittlungen gegen Blatter und Platini ein Treffen des (später über diese Affäre gestolperten) Bundesanwalts Michael Lauber mit einem Vertrauten von Gianni Infantino stand. Der Schweizer Infantino hatte kurz darauf vom Sturz des Franzosen Platini profitiert und den Fifa-Thron erobert. Fortan hielt er selbst allerlei diskrete Treffen mit Lauber ab - und sicher war es nur unverschämtes Glück, dass Laubers Behörde bei einer Strafuntersuchung zu einer anrüchigen Vergabe von TV-Rechten dann nur vage gegen "Unbekannt" ermittelte - statt gegen den Unterzeichner: Infantino.

Der Mann, der einst die dünnen Ermittlungen leitete, leitet nun die Berufungskammer

Auch das erhellt, warum Infantinos Fifa als Nebenklägerin in Bellinzona ein so starkes Interesse an der Verurteilung Blatters und Platinis hatte. Jetzt ist sie in der Zwickmühle: Geht die BA nicht in die Berufung, wäre es entlarvend, wenn das nur Infantinos Fifa täte. Und es würde das nächste Schlaglicht werfen auf die Verfilzungen in der Schweizer Justiz. Denn die Fifa und die Bundesanwaltschaft, die nach den Lauberschen Skandaljahren öffentlich einen Neuanfang predigt, müssten in Bellinzona vor eine Berufungskammer ziehen, deren Chef just der Mann ist, der einst die Ermittlungen gegen Blatter/Platini für die BA führte: Olivier Thormann. Nach einer Affäre um seine bizarre Nähe zum Chefjustitiar der Fifa verließ Thormann die BA - und fiel, hoppla, die Treppe hinauf, er wurde Berufungschef in Bellinzona.

Zeuge im Blatter/Platini-Prozess war Thormann aber auch - da stellte er eine steile These zu einem angeblichen Hinweisgeber für die Platini-Zahlung auf. Was ihm nicht nur heftige Gegenrede eintrug, als das Gericht den Mann überraschend in den Zeugenstand nachlud, sondern vor allem eine Strafanzeige Platinis wegen Falschaussage vor Gericht. Quasi: vor dem eigenen Gericht.

Auch in dieser Causa ist nun ein Sonderermittler tätig, auch sie rührt am Kern des Mysteriums: Wie kam es 2015 dazu, dass die BA in Windeseile ein dünnes Verfahren inszenierte, das exakt in den erforderlichen Zeitrahmen passte, um Platini noch rechtzeitig aus dem Thron-Rennen zu werfen - und warum das alles?

Infantino ist heute Beschuldigter in gleich zwei Ermittlungsverfahren, dennoch amtiert er weiter als Fifa-Boss; mittlerweile mit Wohnsitz in Katar. Doch die Einschläge rücken näher. Bisher durfte er hoffen, dass seine Verfahren eingestellt würden. Denn der zunächst berufene, furchtlos arbeitende Sonderermittler wurde im Vorjahr handstreichartig abgesetzt und durch ein aus dem Ruhestand geholtes Juristen-Duo aus Zürich ersetzt. Aber jetzt haben diese zwei, Ulrich Weder und Hans Maurer, einen Aktenberg aus klaren Hinweisen auf dem Tisch. Da würde eine Verfahrenseinstellung die Schweizer Justizkrise nur massiv befeuern.

Überdies ziehen nun auch Blatter und Platini zu Felde. Der Franzose, heißt es, will in das Verfahren gegen Infantino und Lauber als Nebenkläger einsteigen - das Ziel: Akteneinsicht. Es wird also sehr genau zu beobachten sein, ob und wie das Ermittlerduo Weder/Maurer mit so einem Begehr verfahren. Platini stieß ja schon in Frankreich ein Verfahren gegen Infantino (wegen Beeinflussung der Justiz) an, dazu die Klage gegen Thormann, den einstigen Herrn der porösen BA-Ermittlungen. Nun kann er auf einen Freispruch erster Klasse vor dem Bundesstrafgericht pochen - da erschiene es absurd, würde ihm der Weg versperrt, gegen eine derart angreifbare Verfahrensführung vorzugehen. Für ihn geht es um grobe Willkür bei der Strafuntersuchung, Rufschädigung und Persönlichkeitsverletzungen. All das, hat er angekündigt, will er bis zum letzten Schritt ausfechten.

Dagegen ist wohl marginal, ob BA und Fifa am Montag formal noch Einspruch einlegen. Der ließe sich auch wieder zurückziehen, wenn das Urteil erst schriftlich begründet vorliegt. Ansonsten stünde die Schweizer Justiz wohl vor dem nächsten Problem: Kammerchef Thormann müsste zwar wegen Befangenheit in den Ausstand - aber, so Korruptionsexperte Pieth, "dann würden halt seine Freunde über die Berufung entscheiden".

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