Fifa-Präsident:Infantino - der nächste Schweizer führt die Fifa

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  • Gianni Infantino ist neuer Präsident des Fußball-Weltverbands Fifa.
  • "Die Fifa hat harte Momente hinter sich, Krisenmomente. Aber das ist jetzt vorbei", sagt Infantino.
  • Er gab in seiner Bewerbung das Versprechen, dass es für die einzelnen Verbände künftig mehr Geld gebe.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, Zürich

Der große Verlierer war flott als Gratulant zur Stelle. Um 18.01 Uhr stand Scheich Salman al-Khalifa auf und tat ein paar Schritte zur Seite - um das zu tun, was er sich in den vergangenen Wochen selbst am wenigsten gewünscht hatte: Gianni Infantino, dem Rivalen im Kampf um das Präsidentenamt im Fußball-Weltverband Fifa, zu gratulieren.

Nur 88 Stimmen hatte der Mann aus Bahrain im zweiten Wahlgang erhalten, Infantino indes 115 - das reichte dem Generalsekretär von Europas Fußball-Union Uefa, um zum Nachfolger Sepp Blatters an die Fifa-Spitze aufzusteigen. "Uff", begann der 45-jährige Schweizer seine Dankesrede, unter dem Applaus seiner Unterstützer kämpfte er mit den Tränen. "Ich kann meinen Gefühlen kaum Ausdruck verleihen!"

Mit dem schnellen Entscheid hatte kaum jemand im Züricher Hallenstadion gerechnet. Bis in die letzten Wahlkampftage schien es ein Rennen zwischen zwei Rivalen auf Augenhöhe zu sein, dann sprach gar manches eher für Salman. Amerikanische Verbände, die sich Wochen zuvor als Befürworter Infantinos positioniert hatten, äußerten sich plötzlich wankelmütig; zudem machten noch am Abend vor der Wahl Gerüchte über einen Deal zwischen Salman und manchen osteuropäischen Verbänden die Runde.

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Salman al-Khalifas Unterstützer versuchte bis in die Nacht, Stimmen zu gewinnen

War das nur die verzweifelte Schlusspropaganda eines Kandidaten, dessen Kalkül nicht mehr aufging - oder gab es, wie so oft in den Weltsportverbänden, eine ereignisreiche letzte Nacht? Der kuwaitische Scheich al-Sabah, der als Unterstützer Salmans galt, soll bis tief in die Nacht Einzelgespräche mit Delegierten geführt haben. Infantino hingegen saß zu später Stunde noch im Luxushotel Baur au Lac mit einem einzigen Gesprächspartner am Tisch: dem aussichtslosen Mit-Kandidaten Tokyo Sexwale aus Südafrika.

Es wurde am Freitag dann ein eigentümlicher Kongresstag. Bevor es an die Wahlurnen ging, mussten die Delegierten erst ein Reformpaket zur Neuordnung des Weltverbandes ( siehe Kasten) durchwinken. Dieses hatte die Fifa in den vergangenen Monaten unter dem wachsenden internationalen Ermittlungsdruck entwickelt. "Wir müssen eine Botschaft an die Welt richten, eine Botschaft der Einheit", hatte Interimspräsident Issa Hayatou (Kamerun) das Gebot der Stunde dargelegt. Einwände kamen lediglich aus dem palästinensischen Verband, der Tenor: Die Reformen gingen nicht tief genug. Manches Argument war plausibel, aber das interessierte das Gros der Anwesenden nicht. Mit 179 zu 22 Stimmen und damit der erforderlichen Dreiviertel-Mehrheit verabschiedete der Kongress die Reformen.

Infantino verspricht mehr Geld - woher es kommen soll, sagt er nicht

Nach der Mittagspause wiederum war bemerkenswert, wie unterschiedlich die Bewerbungsreden von Salman und Infantino ankamen. Der Auftritt des Bahrainers wurde mit eher höflichem Applaus bedacht, der Funktionärsprofi Infantino packte neben sieben Sprachen (deutsch, italienisch, spanisch, englisch, französisch, portugiesisch und arabisch) einen Klassiker der sportpolitischen Überzeugungsrhetorik aus: das Versprechen, dass es für die einzelnen Verbände künftig mehr Geld gibt. Viel mehr Geld. "Das Geld der Fifa ist Ihr Geld, und nicht das Geld des Fifa-Präsidenten", rief er in den Saal, in der Fifa gebe es noch 1,2 Milliarden Dollar zu verteilen - prompt erntete er die lauteste Zustimmung des Nachmittags.

Das war schon insofern eine bemerkenswerte Botschaft, als Stunden zuvor der interimistische Generalsekretär Markus Kattner etwas recht Erschreckendes rapportiert hatte: Die Fifa steuere in eine ökonomisch ziemlich angespannte Situation. Für den Zyklus bis 2018 könnten bis zu 550 Millionen Dollar fehlen. Zu den zentralen Kostenfressern zählen auch die Anwälte der Kanzlei Quinn Emanuel, die Kontakt mit der US-Justiz halten und diverse Affären auch selbst aufarbeiten sollen - für zehn Millionen Dollar pro Monat. In jedem Fall können sich laut Kattner die Rücklagen von 1,5 Milliarden Dollar rasant reduzieren, genaue Zahlen zur Konjunkturdelle will die Fifa erst beim nächsten Treff in Mexiko vorlegen.

Dies Szenario hielt Infantino nicht ab, allen erneut einen reichen Geldsegen zu versprechen. Wie er das bewerkstelligen wolle, wurde er später gefragt. Das sei "sehr, sehr einfach möglich" - wie, das sagte er nicht. Der Südafrikaner Sexwale, Infantinos nächtlicher Gesprächspartner, zog vor dem ersten Wahlgang seine Kandidatur zurück, und schon das Ergebnis dieser Auftaktrunde überraschte: Infantino lag mit 88 Voten knapp vor Salman mit 85, die Streichkandidaten Prinz Ali von Jordanien und Jérôme Champagne (Frankreich) waren abgeschlagen. Danach tourten ein paar aufgebrachte Stimmbeschaffer durch den Saal, vorneweg der Kuwaiter al-Sabah.

Und als sich alle auf einen langen Wahlabend eingestellt hatten, verkündete Hayatou kurz nach sechs Uhr das Ergebnis. Nicht Salman, der sich wegen seiner Rolle bei der Niederschlagung von Bahrains Opposition anno 2011 Attacken von Menschenrechtsorganisationen ausgesetzt sieht, gewinnt, sondern Berufsfunktionär Infantino (Jurastudium in Fribourg/Schweiz, bei der Uefa seit 2000, Generalsekretär seit 2009). "Die Fifa hat harte Krisenmomente hinter sich. Das ist jetzt vorbei", sagte der neue Präsident. Während der deutsche Fußball die Wahl begrüßte, kamen aus der deutschen Politik eher Zweifel, ob sich damit die Krise wirklich löst. Ein dickes Lob kam wenig später aber vom Zürichberg. Infantino sei ein "würdiger Nachfolger", flötete der suspendierte Sepp Blatter; er habe "alle Qualitäten, meine Arbeit fortzusetzen". Gemocht hatte er den Walliser Nachbarn nie.

© SZ vom 27.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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