Fifa-Präsident im Fokus:Europarat setzt Blatter unter Druck

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Der Straßburger Organisation liegen an diesem Mittwoch brisante Aussagen des Ermittlers in der Fifa-Affäre um den Vermarkter ISL vor. Der Fifa-Boss Sepp Blatter betont seit langem, nie konkret in korrupte Vorgänge eingeweiht worden zu sein. Das stellen die Europapolitiker nun in Frage. Es könnte eng werden für Blatter und seine Mitstreiter.

Thomas Kistner

Nicht immer ist der Redebedarf so enorm in Straßburg. An diesem Mittwoch aber legt dort der Europarat einen Bericht zum Fußball-Weltverband Fifa vor, und schon Montag wurden drei Dutzend Wortmeldungen registriert, ohne die Sprecher der politischen Gruppen. Die Debatte wurde sogleich verlängert, die folgende Ausschusssitzung verschoben.

Sepp Blatter in dieser Woche in Rom: Brisanter Report (Foto: dpa)

Kein Wunder: Der Report "Gute Geschäftsführung und Ethik im Sport" ist hochexplosiv. Einem verschärften Forderungskatalog an die Fifa bezüglich interner Aufklärungen fügt der Rat einen Bericht bei, der schwarz auf weiß festhält, dass sich Spitzenfunktionäre des Weltverbands im Zuge der Korruptionsaffäre um die frühere Vermarktungsagentur ISL der "unangemessenen" Geschäftsführung, womöglich gar eines "kriminellen Missmanagements" schuldig gemacht hätten. Dies hat der für den Fall zuständige Schweizer Sonderermittler Thomas Hildbrand dem Europarat bei einer Anhörung am 6. März dargelegt.

Was wusste der Fifa-Chef?

Die 1982 gegründete Agentur ISL hatte bis zu ihrem Bankrott 2001 - damals der zweitgrößte Crash der Schweizer Wirtschaftshistorie - unter anderem die TV- und Marketingrechte an der Fußball-WM vermakelt. Für den Rechteerwerb wurden jahrzehntelang Sportfunktionäre bestochen, allein von 1989 bis 2001 waren rund 140 Millionen Schweizer Franken geflossen. Sonderermittler Hildbrand hat nun vor dem Europarat manches von dem ausgebreitet, was von betroffenen Funktionären derzeit noch in der Schweiz juristisch heftig abgeblockt wird: Inhalte aus der 40seitigen Einstellungsverfügung, welche die Strafermittlungen der Zuger Staatsanwaltschaft gegen die Fifa und zwei ihrer Topfunktionäre im Mai 2010 beendet hatte. Das Papier ist brisant, weil es auch Aufschlüsse über die Rolle des Fifa-Präsidenten Joseph Blatter im tiefwurzelnden Korruptionssystem Fifa/ISL liefert.

Die Einstellung des Strafverfahrens war kein Persilschein für Blatter oder andere Spitzenleute. Der Beschluss erfolgte nach §53 des Schweizer Strafgesetzbuches: Drei Beschuldigte - neben der Fifa als Organ zwei südamerikanische Funktionäre - hatten strafrelevante Vorwürfe eingeräumt und eine Wiedergutmachung von insgesamt 5,5 Millionen Schweizer Franken gezahlt. Nun enthüllt der Straßburger Report, dass allein die Fifa mit 2,5 Millionen Franken zur Kasse gebeten wurde - "hilfsweise" für nicht konkret erfassbare Sünder an ihrer Spitze.

Die Korruption in der Fifa begann gemäß Zeugenaussagen schon in den siebziger Jahren. Hildbrand bestätigte dem Rat, dass dann die ISL "im Kontext mit Verträgen, die mit Sportorganisationen abgeschlossen werden sollten, erhebliche Summen an Fußballoffizielle zahlte, und dass die Fifa darüber im Bilde und in die Ablaufprozesse involviert war". So steht es im Report. Wusste Blatter, oberster Hauptamtlicher ab 1981, also Bescheid? Dazu hält Francois Rochebloine vom Ausschuss für Kultur, Wissenschaft, Erziehung und Medien fest: "Herr Blatter war Technischer Direktor der Fifa von 1975 bis 1981, Fifa-Generalsekretär von 1981 bis 1998 und ist seither ihr Präsident. Da die Fifa von signifikanten Zahlungen an bestimmte ihrer Offiziellen wusste, ist kaum vorstellbar, dass Blatter nichts davon wusste."

Problem für den Chefreformer

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Klaas-Jan Huntelaar gehört zu den bekanntesten Niederländern der Bundesliga, dennoch lassen ihn die Mannschaftskollegen gegen Augsburg alleine stehen. Jos Luhukay war hingegen lange ein Unbekannter seiner Zunft, was sich nun endgültig ändern dürfte. Meistertrainer Klopp hat keine Popularitätsprobleme - dafür gewisse Schwierigkeiten nach Gebräukonsum.

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Der Fifa-Boss hat stets betont, nie an Bestechungen im Weltverband beteiligt gewesen oder konkret in korrupte Vorgänge eingeweiht worden zu sein. Zumindest Letzteres stellen die Europapolitiker nun in Frage: "Das muss nicht heißen, dass er direkt in Schmiergeldzahlungen verwickelt war" - allerdings sei es "äußerst ungewöhnlich, dass er nichts unternahm, um all das Wissen publik zu machen, das die Fifa hatte oder hat, und dass er keine Schritte unternahm, weder intern noch juristisch, um der Fifa dafür Entschädigung zu verschaffen." Das ist ein schwerwiegender Vorwurf gegen den Mann, der die Fifa kennt und beherrscht wie kein Zweiter. Und der sich just wieder mal anschickt, die in vier affärenreichen Amtszeiten immer wieder beteuerte Transparenz herzustellen. Die aktuelle Selbstreinigung betreut der Basler Compliance-Experte Mark Pieth.

Der Fifa-Kongress am 25. Mai soll erste Punkte verabschieden; darunter neben milden Kernelementen (ein Screening für neue Funktionäre, die in Spitzenämter rücken wollen, eine unabhängige Fahndungsstelle innerhalb der umstrukturierten Ethikkommission) eine denkwürdige Punktlandung: Pieth will die zurück reichende Ermittlungsfrist für die Ethikkommission auf zehn Jahre begrenzen. Das wäre, Zufall oder nicht, perfekt auf Blatters Gesamtsituation zugeschnitten: Die Affäre um die 2001 untergegangenen ISL als auch seine korruptionsumwitterten Präsidentenküren 1998 und im Mai 2002 liegen jenseits der Frist. Das erregt nicht nur in Compliance-Kreisen Irritation. Zumal es für die Ethikfahnder gar nicht um Strafverfolgung geht, sondern um Vergangenheitsaufarbeitung. Zehn Jahre machen da wenig Sinn.

Der Straßburger Vorstoß wirft auch für Chefreformer Pieth neue Fragen auf. Falls Blatter, was die Politiker bezweifeln, von der jahrzehntelangen Korruptionssystematik in der Fifa partout nie etwas mitgekriegt hat - was heißt das für die Managementqualitäten des Mannes, in dessen Auftrag er die Fifa reformieren will? Kann so jemand für die Null-Toleranz-Linie stehen, die oberstes Credo in der Compliance-Branche ist? Es könnte eng werden für Blatter und manche Mitstreiter. Blatters Proteste gegen die Straßburger Arbeit kontert Rats-Mitglied Rochebloine scharf: "Die Unabhängigkeit des Sports darf nicht denjenigen zur Verteidigung dienen, die ihre Autorität missbrauchen."

© SZ vom 25.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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