Fifa:Nur ein Freispruch zählt

Fifa: Einst Freunde, dann Feinde, nun wieder Verbündete: Sepp Blatter (links) soll vor dem Cas ein gutes Wort für Michel Platini einlegen.

Einst Freunde, dann Feinde, nun wieder Verbündete: Sepp Blatter (links) soll vor dem Cas ein gutes Wort für Michel Platini einlegen.

(Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

Der von der Fifa verbannte ehemalige Präsident des europäischen Verbandes, Michel Platini, kämpft vor dem Sportgerichtshof Cas gegen seine Sperre - die Parteigänger des Franzosen inszenieren eine PR-Kampagne.

Von Thomas Kistner

Michel Platini, Frankreichs Fußballheld, wurde vom Fifa-Ethikkomitee sechs Jahre gesperrt und darf die EM in seiner Heimat im Sommer wohl allenfalls als Kartenkäufer auf den billigeren Rängen miterleben. Trotzdem fühlt sich Platini prächtig. Jedenfalls, wenn man Yves Wehrli glauben will, seinem Anwalt, dem die Sportzeitung L'Équipe vor Platinis Einspruchsverfahren am Freitag beim obersten Sportgerichtshof Cas in Lausanne ein ganzseitiges Interview gewährt hat.

Nicht weniger als die "vollständige Weißwaschung" Platinis erwartet Wehrli. Wie stark den Advokat dabei das berufliche Wunschdenken steuert, offenbart schon die Behauptung, dass sein Mandant am Cas "erstmals vor ein unabhängiges Gericht aus bedeutenden Juristen" träte. Die Unabhängigkeit des Cas steht seit Langem im Fokus; in Deutschland zweifelten daran (im Fall Pechstein) nun sogar schon zwei Gerichte. Sollte der Bundesgerichtshof diese Zweifel im Juni bestätigen, droht dem Cas gar die existenzielle Zerreißprobe.

Nun ist es so, dass gerade die Fifa-Ethikkammern mit Sanktionen gegen Platini, Ex-Patron Sepp Blatter und Generalsekretär Jérôme Valcke - die großen Drei der Fußballwelt - erstmals jene Unabhängigkeit bewiesen haben, mit der Platini-Advokat Wehrli nun vorauseilend den Cas umschmeichelt. Bestraft wurde das Duo Blattini wegen einer dubiosen Zahlung Blatters von zwei Millionen Franken an Platini anno 2011. Eine schlüssige Erklärung dafür legten die beiden so wenig vor wie entlastende Dokumente. Zum Vorgang ermittelt auch die Schweizer Bundesanwaltschaft.

Neue Fakten oder Vorträge gibt es nicht zum laut Urteil "ungetreuen" Geldtransfer, der nach einer Korruptionszahlung im hitzigen Wahlkampf 2011 riecht. Stattdessen inszenieren Platinis Parteigänger seit Monaten eine PR-Kampagne auf allen Kanälen. Dazu gehört, dass EM-Organisationschef Jacques Lambert den Sünder als Ehrengast zum großen Event im Sommer lud, ganz egal, wie der Cas urteilt. Das richtet sich nicht nur gegen das bestehende Ethikurteil, das Platini von solchen Aktivitäten verbannt - es ist ein Affront. Gerade Lambert kennt die Regeln bestens, er saß selbst jahrelang im Ethikkomitee. Im Oktober trat er ab, als Platini/Blatter von dem Gremium gesperrt wurden.

Leute wie Lambert - oder Juan Pedro Damiani, der in den Panama Papers als Briefkasten-Experte geführt wird - zierten bis vor Kurzem das Fifa-Ethikkomitee; handverlesen von Funktionärsfreunden. Deshalb ist genau hinzuschauen, wenn am Freitag am Cas das dreiköpfige Richterpanel tagt. Die Juroren werden aus einer geschlossenen Liste erwählt, deren Komposition von Funktionären gesteuert wird.

Platini und Blatter spielen vorm Cas das letzte Spiel, ihre Einflussversuche sind überall spürbar. Blatter stellte jüngst in Zürich ein Buch vor, und sich selbst in den angemessenen Kontext: "Auch Jesus hat gelitten!" Ähnlich himmelschreiendes Unrecht beklagt Platini, der den Ethikern "unerträgliche Arroganz", "Willkür" sowie "Zynismus" attestiert. Zwar wird nicht mal branchenintern erwartet, dass der Empfänger zweifelhafter Millionen vorm Cas wirklich freigepaukt werden könnte. Ein Insider warnt aber: "Historisch hat der Cas eine milde Haltung gegenüber Funktionären". Weshalb die Tendenz bei Platini dahin gehen könnte, "ihm einen Sportlegendenstatus anzurechnen", um die Sperre vielleicht ein, zwei Jährchen runter zu schrauben.

Es wird spannend. Zumal Platinis Anwalt auch den Zeugen Angel Maria Villar Llona ankündigt. Der zählt zum Urgestein der alten Fifa-Kultur, war mit Blatter 1998 in den Vorstand eingerückt und leitet seit Jahren die Rechtskommission; Kongresse bereichert er gern mit Wutreden auf die Medien. Der Spanier - dessen Filius Gorka nach alter Fifa-Väter Sitte Generalsekretär des südamerikanischen Dauerskandal-Verbandes Conmebol ist - soll nun bezeugen, er habe gehört, wie über den mündlichen Vertrag zwischen Blatter und Platini zur Millionenzahlung geredet worden sei.

Bliebe zu klären, warum dem Funktionär, dessen siebte Amtszeit an Spaniens Fußballspitze die nationale Anti-Korruptions-Gruppe Manos Limpias (Saubere Hände) vor Gericht verhindern wollte, diese Information nicht schon vor Monaten eingefallen war, als die Fifa-Ethiker ermittelten.

Daneben baut Platini auf zwei Schweizer Rechtsprofessoren, die erklären sollen, dass kein Interessenskonflikt vorlag beim diskreten Deal mit Verbands-Millionen zwischen Präsident und Vize. Die Fifa als Gegenpartei verzichtet auf Vorladung von Professoren, die das Gegenteil darlegen könnten. Sie agiert raffinierter und beruft den Zeugen Blatter, was für Unterhaltung sorgen dürfte. Blatter und Platini: das ist die Geschichte einer Zweckfreundschaft, die sich in Hass verkehrt hat. Jetzt aber müssen beide ganz fest zusammenhalten.

Für Platini zählt nur ein Freispruch. Alles andere macht eine Rückkehr in die hohe Sportpolitik unwahrscheinlich. Immerhin, die Europa-Union Uefa tut weiter so, als sei da nie etwas passiert. Stur führt sie Platini als Präsidenten und sogar, fälschlicherweise, als Fifa-Vizepräsidenten. Beim Uefa-Kongress am Dienstag, 3. Mai, in Budapest steht das Thema Präsidentenwahl gar nicht auf der Agenda. Was viel über die Führungsqualität im Fußballgeschäft aussagt, wo das Geld nicht wirklich hart verdient werden muss. Die Uefa taumelt seit einem halben Jahr quasi führungslos - Generalsekretär Gianni Infantino hat sich auf den Fifa-Thron verabschiedet - ihrem mit erstmals 24 Teilnehmern größten und ob der globalen Terrorbedrohung heikelsten EM-Turnier entgegen.

Auch deshalb sind Frankreichs Politiker irritiert. Sie halten sich zum Fall Platini sehr bedeckt. Und der Nationalverband FFF verdeutlicht gar auf subtile Art, dass er Platini für einen Helden von gestern hält. FFF-Generaldirektorin Florence Hardouin will in Ungarn für den Frauenplatz im Uefa-Vorstand kandidieren. Dort sitzt Karen Espelund (Norwegen) fest im Sattel.

Umso mehr signalisiert der Vorstoß, dass der FFF nicht mehr an Platini glaubt: Es gilt, neue Leute für hohe Ämter aufzubauen.

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